# taz.de -- Karlsruhe soll über Fiskalpakt urteilen: Schuldenmachen als Grundr… | |
> Die Linke will gegen eine dauerhafte europaweite Schuldenbremse klagen – | |
> sie verstoße gegen das Grundgesetz, argumentiert die Partei. Ihre Chancen | |
> stehen schlecht. | |
Bild: Alle sollen sparen – aber ist das Verfassungskonform? | |
BERLIN taz | Die Linke bereitet eine Verfassungsklage gegen den Fiskalpakt | |
vor. Die Bundestagsfraktion hat damit bereits die Rechtsprofessoren | |
Hans-Peter Schneider (Hannover) und Andreas Fisahn (Bielefeld) beauftragt. | |
Schon vorige Woche hatte Fraktionschef Gregor Gysi im Bundestag massive | |
verfassungsrechtliche Kritik geäußert. | |
Der Fiskalpakt wurde von den 17 Eurostaaten und acht weiteren EU-Staaten im | |
letzten Dezember beschlossen. Er sieht vor, dass alle 25 Staaten eine | |
nationale Schuldenbremse einführen. Die Staaten sollen sich dabei | |
verpflichten, mittelfristig nur noch ausgeglichene Staatshaushalte zu | |
beschließen und bis dahin Jahr für Jahr immer weniger Schulden zu machen. | |
Die Schuldenbremse soll dann jeweils in der nationalen Verfassung oder | |
einem ähnlich grundlegenden Gesetz verankert werden. | |
Im Grundgesetz ist eine solche Schuldenbremse seit 2009 enthalten. Sinn des | |
Fiskalpakts ist, diese Lösung zum europäischen Standard zu machen. Gysi | |
hält den Fiskalpakt aber für „grundgesetzwidrig“, weil er verhindere, dass | |
die Schuldenbremse eines Tages wieder abgeschafft werden kann. Schließlich | |
enthalte der Fiskalpakt nicht einmal eine Kündigungsklausel, gelte also auf | |
Dauer. | |
Tatsächlich könnte die deutsche Schuldenbremse, wenn sie sich nicht | |
bewährt, aber durchaus wieder aus dem Grundgesetz gestrichen werden. Der | |
Fiskalpakt ist nur ein einfacher völkerrechtlicher Vertrag, der deutsche | |
Staatsorgane nicht am Handeln hindert. Der Vertrag droht bei Verstößen zwar | |
finanzielle Sanktionen an. | |
Dass Deutschland sich auf diese Weise bindet, ist jedoch nichts Besonderes, | |
denn indirekt betrifft jeder völkerrechtliche Vertrag auch das Grundgesetz. | |
Wenn sich Deutschland zum Beispiel völkerrechtlich verpflichtet, Haschisch | |
und andere Drogen zu verbieten, darf im Grundgesetz eben kein Recht auf | |
freien Zugang zu Haschisch eingeführt werden. | |
## Nur zur besseren „Sichtbarkeit“ | |
Weil im Fiskalpakt aber ausdrücklich eine Pflicht zur Gestaltung der | |
Verfassung erwähnt ist, soll er in Deutschland nicht mit einfacher | |
Mehrheit, sondern mit Zweidrittelmehrheit ratifiziert werden: Das hat die | |
Bundesregierung von sich aus angeboten. Der Wissenschaftliche Dienst des | |
Bundestags hält dies jedoch für überflüssig – bei normalen | |
völkerrechtlichen Verträgen genüge die einfache Mehrheit. | |
Auch die fehlende Kündigungsklausel ist kein echtes Problem. Zum einen soll | |
der Fiskalpakt so bald wie möglich – zum Beispiel nach einem | |
Stimmungswandel in Großbritannien – in normales EU-Recht überführt werden; | |
dabei könnte er natürlich auch geändert werden. | |
Außerdem kann jeder völkerrechtliche Vertrag gekündigt werden, wenn sich | |
die Verhältnisse, auf denen er beruht, gravierend ändern. Zudem wäre es für | |
die EU vermutlich nicht allzu schwer, den Fiskalpakt einstimmig wieder | |
aufzuheben, wenn Deutschland dies wünscht: Schließlich kam der Pakt ja nur | |
auf deutschen Druck zustande. | |
Unwahrscheinlich also, dass das Bundesverfassungsgericht im Fiskalpakt | |
einen Verfassungsverstoß sehen wird. Die Selbstbindung der deutschen | |
Politik bewegt sich im Rahmen des Üblichen – und die Schuldenbremse wurde | |
sogar auf Vorschlag des Bundesverfassungsgerichts ins Grundgesetz | |
aufgenommen. | |
Ein anderer Punkt, den Gysi im Bundestag kritisierte, soll gar nicht | |
Gegenstand der Verfassungsklage werden. So müssen laut Fiskalpakt | |
übermäßige Staatsschulden binnen 20 Jahren abgebaut werden – ein „tiefer | |
Eingriff ins Budgetrecht des Bundestags“, so Gysi. Diese | |
Schuldenabbau-Klausel ist im Fiskalpakt aber nur zur besseren | |
„Sichtbarkeit“ erwähnt, so die Bundesregierung. Sie gilt schon seit | |
November 2011 als EU-Recht. | |
2 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
## TAGS | |
Statistisches Bundesamt | |
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