# taz.de -- Bürger drohen mit Verfassungsbeschwerde: Mehr Demokratie beim Euro… | |
> Ein breites Bündnis droht mit Verfassungsklage gegen die Gesetze zum | |
> Euro-Rettungsschirm. Die Forderung: Über den Fiskalpakt soll ein | |
> Referendum entscheiden. | |
Bild: Die Vorfreude ist riesig: Roman Huber, Christoph Degenhart, Herta Däuble… | |
BERLIN taz | Die Drohung ist klar: „Volksentscheid – sonst klagen wir“ | |
steht auf der neuen Webseite [1][www.verfassungsbeschwerde.eu], auf der ein | |
Bündnis unter Führung des Vereins „Mehr Demokratie“ für mehr | |
Bürgerbeteiligung bei den geplanten Gesetzen zur Euro-Rettung wirbt. Wenn | |
über den Fiskalpakt und den Rettungsschirm ESM nicht in einem Referendum | |
entschieden wird, wollen die Initiatoren Verfassungsbeschwerde einlegen – | |
mit Unterstützung möglichst vieler BürgerInnen, die sich der Klage | |
kostenlos anschließen können. | |
Im Gegensatz zu anderen bereits angekündigten Klagen, etwa von | |
Linksfraktions-Chef Gregor Gysi oder dem CSU-Abgeordneten Peter Gauweiler, | |
wendet sich das neue Bündnis, zu dem auch die Freien Wähler und die ÖDP | |
gehören, nicht gegen die finanzpolitischen Inhalte der Gesetze, sondern | |
allein „gegen den damit verbundenen Demokratieabbau“, sagte Roman Huber vom | |
Vorstand von Mehr Demokratie. ESM und Fiskalpakt führten zu einer | |
„Verlagerung von Entscheidungen in intransparente, unkontrollierte | |
Gremien“, kritisierte Huber. „Die Parlamente werden dabei weitgehend | |
entmachtet.“ | |
Für die Klage, die unmittelbar nach Verabschiedung der Gesetze eingereicht | |
werden soll, hat sich das Bündnis mit der ehemaligen Justizministerin Herta | |
Däubler-Gmelin (SPD) und dem Leipziger Staatsrechtler Christoph Degenhart | |
prominente JuristInnen an die Seite geholt. Degenhart hält die | |
Erfolgsaussichten für hoch. | |
## „Rote Linie überschritten“ | |
Durch ESM und Fiskalpakt werde die „rote Linie zu einem europäischen | |
Bundesstaat“ überschritten, die das Bundesverfassungsgericht in den | |
vergangenen Entscheidungen zu den Euro-Rettungsmaßnahmen gezogen habe. | |
Darum müsse per Volksentscheid die Verfassung geändert werden. | |
Däubler-Gmelin bemängelte, dass der Fiskalpakt nicht wieder gekündigt | |
werden könne und künftige Parlamente in ihrem Finanzspielraum dauerhaft | |
einschränken. Eine stärkere Beteiligung der Parlamente sei nötig, denn es | |
sei „europapolitisch schädlich“, wenn Entscheidungen allein von | |
„Regierungseliten“ gefällt würden. | |
Weil für den Fiskalpakt eine Zweidrittelmehrheit notwendig ist, könnte die | |
SPD ihn stoppen. Dass diese Machtposition nicht offensiver genutzt wird, | |
kritisierte Däubler-Gmelin zumindest indirekt. Zu der Frage, wie sie die | |
Haltung ihrer Partei beurteile, sagte die ehemalige Ministerin der taz: „In | |
der Fraktion wird häufig nach taktischen Erwägungen entschieden.“ | |
## SPD-Spitze schweigt zu Däubler-Gmelins Kritik | |
Die SPD-Fraktionsspitze lehnte eine Stellungnahme zu Däubler-Gmelins Kritik | |
und der geplanten Klage auf Anfrage ab. Der SPD-Finanzpolitiker Carsten | |
Sieling äußerte sich hingegen zustimmend. Däubler-Gmelin verweise „auf die | |
lange Reihe von Regelungen des Fiskalpakts, deren Auswirkungen nicht | |
hinreichend transparent geklärt sind“, sagte er der taz. Eine Entscheidung | |
über die Zustimmung der SPD könne es erst geben, „wenn die offenen Fragen | |
befriedigend geklärt“ und Ergänzungen vereinbart seien. | |
Für die Grünen erklärte der parlamentarische Geschäftsführer Volker Beck, | |
dass er die verfassungsrechtlichen Bedenken der Initiatoren nicht teile, | |
wohl aber den Wunsch nach mehr Parlamentsbeteiligung. „Unsere eigenen | |
Forderungen gehen in die gleiche Richtung“, sagte Beck. | |
Die Bundesregierung plant die Abstimmung über ESM und Fiskalpakt bisher für | |
Ende Mai; SPD und Grüne haben diesen Zeitplan aber infrage gestellt. | |
12 Apr 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.verfassungsbeschwerde.eu | |
## AUTOREN | |
Malte Kreutzfeldt | |
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