| # taz.de -- Folgen des europäischen Fiskalpakts: Wieviel Deutschland sparen mu… | |
| > Der Fraktionschef der Linkspartei warnt vor den Folgen des europäischen | |
| > Fiskalpakts: Jährlich müssten 25 Milliarden Euro abgebaut werden. Hat | |
| > Gregor Gysi recht? | |
| Bild: Hat da mal was ausgerechnet. | |
| STUTTGART taz | Muss Deutschland bald Haushaltsüberschüsse von 25 | |
| Milliarden Euro pro Jahr erzielen? Gregor Gysi, Fraktionschef der | |
| Linkspartei, behauptete dies jüngst im Bundestag. Das sei eine Folge des | |
| Fiskalpakts, den der Bundestag bald ratifizieren will. Tatsächlich stimmen | |
| Gysis Unkenrufe nur unter ungünstigen Bedingungen. | |
| Als der Fiskalpakt Ende März debattiert wurde, warnte Gysi vor zwei | |
| Risiken: Zum einen sei der Fiskalpakt verfassungswidrig, weil er eine | |
| Abschaffung der Schuldenbremse verbiete. Noch wichtiger sei aber der tiefe | |
| Eingriff ins Budgetrecht des Bundestags durch den im Pakt vorgeschriebenen | |
| Schuldenabbau. | |
| Dann rechnete Gysi vor: „Jeder Staat darf nach dem Vertrag nur Schulden in | |
| Höhe von 60 Prozent seiner Wirtschaftsleistung haben. Wir aber haben | |
| Schulden in Höhe von 83 Prozent unserer Wirtschaftsleistung, nämlich über | |
| 2.000 Milliarden Euro. Wir werden durch den Vertrag verpflichtet, den | |
| überschießenden Betrag von etwa 500 Milliarden Euro jährlich um 5 Prozent | |
| abzubauen. Das heißt, der Bundestag wird völkerrechtlich gezwungen, zwanzig | |
| Jahre lang jährlich 25 Milliarden an Schulden abzubauen.“ Angesichts der | |
| momentanen Schwierigkeiten, auch nur einen ausgeglichenen Haushalt | |
| vorzulegen, wirkt das wie eine Herkulesaufgabe, die nur mit massiven | |
| Kürzungen zu schaffen wäre. | |
| Auch eine Ablehnung des Fiskalpakts würde dem Bundestag nichts nützen. Die | |
| Verpflichtung aus dem Pakt ist nämlich gar nicht neu, sondern schon | |
| geltendes EU-Recht. Im Rahmen von sechs EU-Rechtsakten (dem sogenannten | |
| Sixpack) wurde der Schuldenabbau vom EU-Ministerrat bereits im November | |
| 2011 beschlossen. So sollte der Stabilitäts- und Wachstumspakt, der schon | |
| seit 1997 die Schuldengrenze von 60 Prozent der Wirtschaftsleistung | |
| vorgibt, Zähne bekommen. In den neuen Fiskalpakt wurde die „Ein | |
| Zwanzigstel“-Regelung nur aufgenommen, damit sie „besser sichtbar“ ist, so | |
| die Bundesregierung. | |
| Danach müsste Deutschland ab 2015 seine Verschuldungsquote jährlich um ein | |
| Zwanzigstel an den Wert von 60 Prozent anpassen. Wenn das Ziel verfehlt | |
| wird, drohen Geldbußen in Milliardenhöhe. | |
| In der Bundesregierung sieht man die Verpflichtung gelassen. Gysi habe | |
| nicht deutlich gemacht, dass es um den Abbau der „Schuldenstandsquote“ | |
| geht, nicht um den Abbau der absoluten Verschuldung. Das heißt: Wenn die | |
| Wirtschaftsleistung – gemessen im Bruttoinlandsprodukt (BIP) – wächst, | |
| sinkt die Verschuldensquote auch ohne Überschüsse im Haushalt. | |
| ## Schuldenquote sank dank Wirtschaftswachstum | |
| Ein gutes Beispiel ist das Jahr 2011: Dank eines Wirtschaftswachstums von 3 | |
| Prozent sank die Verschuldensquote von 83,1 Prozent des BIP auf 81,1 | |
| Prozent – und das, obwohl Bund und Länder weiter Schulden machten. Die | |
| Bundesregierung geht davon aus, dass es genügt, die im Grundgesetz ab 2020 | |
| voll wirksame Verschuldungsbremse einzuhalten. Danach darf sich der Bund | |
| jährlich noch mit 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung verschulden und die | |
| Länder müssen ausgeglichen Haushalte vorlegen. | |
| Klappen kann dies allerdings nur mit einem Wachstum um die 3 Prozent. Ist | |
| das Wachstum deutlich geringer, müssen doch Überschüsse erzielt werden, um | |
| die Schuldenstandsquote zu senken. Im Jahr 2012 wäre man zum Beispiel schon | |
| froh, wenn das Inlandsprodukt um 1 Prozent steigt. Und andere Staaten, die | |
| nicht so gut wie Deutschland durch die Krise kommen, dürften es noch viel | |
| schwerer haben. ihre Schuldenquote zu reduzieren. Gysis Warnung war zwar | |
| übertrieben, sollte aber dennoch ernst genommen werden. | |
| 10 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Christian Rath | |
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