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# taz.de -- Präsidentschaftswahl in Ägypten: Die Favoriten sind raus
> Die Kandidaten des alten Regimes, der Muslimbrüder und der Salafisten
> dürfen bei der Wahl in Ägypten nicht antreten. Damit verschieben sich die
> Gewichte.
Bild: Die können dann wohl weg: Der Kandidat der Salafisten, Hazem Abu Ismail,…
KAIRO taz | Wütend halten die Bärtigen das Poster ihres Scheichs und
Präsidentschaftskandidaten Hazem Abu Ismail hoch. „Sünde, Sünde, Sünde!�…
rufen die Salafisten in Richtung des Gebäudes auf der anderen Straßenseite.
Dort sitzt die ägyptische Wahlkommission, die den ultrakonservativen Abu
Ismail mit Beschluss vom Dienstagabend, selbst nachdem er Widerspruch
eingelegt hatte, disqualifiziert hat. Der Grund: Laut der Kommission besaß
Abu Ismails verstorbene Mutter die amerikanische Staatsbürgerschaft, was
dem Wahlgesetz zuwiderlaufe.
Geschützt wird die Wahlkommission von einer Kette von Militärpolizisten und
Bereitschaftspolizei. Nervös blicken diese auf die andere Straßenseite.
Hinter ihnen verstellt ein gepanzerter Truppentransporter den Eingang zur
Kommission. „Wir sind die Armee des Volkes – Das Volk und die Armee ziehen
an einem Strang“, heißt es auf einem Transparent.
Das sehen die Salafisten allerdings anders. Sie wittern ein abgekartetes
Spiel zwischen dem herrschenden Militärrat und der Wahlkommission, das
ihren Kandidaten den Antritt zur Wahl gekostet hat. „Wir bleiben so lange
hier, bis wir einen Beweis sehen, dass Scheich Abu Ismails Mutter
tatsächlich eine weitere Staatsbürgerschaft besessen hat. Wir glauben, dass
hier getrickst wurde“, meint der bärtige Apotheker Ahmad Hassan. „Das hier
ist nur der Anfang“, sagt der 25-Jährige. „Am Freitag werden wir uns auf
dem Tahrir versammeln und eine zweite, diesmal islamische Revolution
beginnen“, kündigt er an. Aber, betont er, man wolle auf jeden Fall
friedlich bleiben.
Das zweite von der Wahlkommission disqualifizierte politische Schwergewicht
ist der Multimillionär, Geschäftsmann und Kandidat der Muslimbruderschaft,
Kairat El-Schater. Wegen einer Vorstrafe nach einer Verurteilung wegen
angeblicher Geldwäsche war er zu Zeiten Mubaraks zu einer siebenjährigen
Haftstrafe verurteilt worden. Gemäß den Wahlvorschriften darf ein Kandidat
nicht vorbestraft sein.
Doch die Muslimbruderschaft reagierte pragmatisch, verurteilte den
Beschluss der Wahlkommission und gab bekannt, dass sie sich fortan ganz dem
Wahlkampf für ihren zweiten Kandidaten, Muhammad Mursi, widmen werde. Den
hatte sie vorsorglich ins Rennen geschickt, weil man bereits befürchtet
hatte, dass der Favorit El-Schater ausgeschlossen werden könnte.
## Kein Kommentar des Ex-Geheimdienstchefs
Noch zurückhaltender als die Muslimbrüder gab sich der dritte
disqualifizierte Favorit, der ehemalige Geheimdienstchef und
Mubarak-Vertraute Omar Suleiman. Man wolle das Ganze nicht kommentieren,
solange man keine schriftliche Begründung für die Ablehnung der Kandidatur
in der Hand halte, heißt es aus Kreisen seiner Wahlkampfleitung. Aber das
wird nichts mehr nützen. Denn die Entscheidung der Wahlkommission ist
endgültig.
Auf diversen Pro-Mubarak-Facebook-Seiten, die die Kandidatur Suleimans
unterstützt haben, heißt es lapidar, „Wir respektieren die Entscheidung der
Wahlkommission und wünschen Suleiman das Beste für seine Zukunft.“
Mit dem Ausschluss der Favoriten der Salafisten, der Muslimbrüder und des
alten Regimes haben sich die Gewichte verschoben. Als aussichtsreichste
Kandidaten gelten nun der ehemalige Generalsekretär der Arabischen Liga,
Amr Musa, sowie der auch in liberalen Kreisen unterstützte
Muslimbruder-Aussteiger Abdel Monem Aboul Fotouh.
Die Muslimbrüder bereiten sich schon auf die nächsten Schritte ohne ihre
Favoriten vor. Sie wollen ihre Mitglieder auf den Ersatzkandidaten Mursi
einschwören, der aber wesentlich weniger Charisma als der disqualifizierte
El-Schater besitzt und vor allem bei der Jugend unbeliebt ist. Haitham Abu
Khalil, einer der ehemaligen Kader der Muslimbrüder, ruft sogar dazu auf,
die Kandidatur Mursis zurückzuziehen, da er keine Chance habe, die Wahl zu
gewinnen.
18 Apr 2012
## AUTOREN
Karim Gawhary
Karim El-Gawhary
## TAGS
tazlab 2012: „Das gute Leben“
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