# taz.de -- Präsidentenwahl in Ägypten: Karten in Kairo werden neu gemischt | |
> Vorbestraft oder eine Mutter mit US-Pass: Die Wahlkommission in Ägypten | |
> hat zehn Anwärtern auf das Präsidentenamt die Kandidatur verwehrt. Sie | |
> wollen Widerspruch einlegen. | |
Bild: Vertrautes Bild: Protest auf dem Tahrir-Platz in Kairo am Freitag gegen d… | |
KAIRO taz | Im ägyptischen Präsidentschaftswahlkampf geht es drunter und | |
drüber. Als aussichtsreichste Kandidaten galten bisher der Muslimbruder | |
Kheirat El-Schater, der Salafist Hazem Abu Ismail und Mubaraks einstiger | |
Geheimdienstchef Omar Suleiman. Galten, wohlgemerkt, denn mit einem | |
Federstrich hat die Wahlkommission nun alle drei politischen Schwergewichte | |
disqualifiziert. | |
Sie hätten die Regeln zur Qualifizierung als Kandidaten nicht erfüllt, | |
argumentiert die ägyptische Wahlkommission. Der Muslimbruder, | |
Multimillionär und Geschäftsmann Kheirat El-Schater wurde ausgeschlossen, | |
weil er unter Mubarak wegen angeblicher Geldwäsche zu sieben Jahren | |
Gefängnis verurteilt worden war. Nach vier Jahren Haft und nach dem Sturz | |
Mubaraks war El-Schater vom Militärrat begnadigt worden. | |
Der bärtige ultrakonservative Salafist Hazem Abu Ismail, der vor allem in | |
den Armenvierteln und auf dem Land Unterstützung findet, wurde | |
disqualifiziert, weil dessen verstorbene Mutter angeblich eine | |
US-Staatsbürgerschaft besaß. Abu Ismail streitet das vehement ab, aber im | |
Innenministerium heißt es, seine Mutter sei mit US-Pass nach Ägypten | |
eingereist, und Saudi-Arabien bestätigt, sie habe mit einem US-Dokument an | |
der Pilgerfahrt teilgenommen. Aus Kreisen von US-Behörden verlautet, die | |
Mutter besitze einen amerikanischen Pass. | |
Die vom Militärrat eingesetzte Wahlkommission, die aus bekannten Richtern | |
besteht, ist rechtlich unabhängig gegenüber den Gerichten und der | |
Exekutive. Sie beruft sich auf das ägyptische Wahlgesetz, nach dem | |
verurteilte Straftäter sowie Träger einer doppelten Staatsbürgerschaft bis | |
hin zur Generation der Eltern von einer Kandidatur ausgeschlossen sind. | |
Auch der erst letzte Wochen angetretene Suleiman wurde von der Kommission | |
aus dem Rennen genommen. Er soll nicht genügend Unterschriften für seine | |
Kandidatur abgegeben haben. Außerdem hing über seiner Kandidatur ein | |
kürzlich vom Parlament erlassenes Gesetz, das ein Antreten von Amtsträgern | |
während der letzten zehn Jahre der Mubarak-Herrschaft ausschließt. Das | |
Gesetz muss noch vom Militärrat abgezeichnet werden, um rechtskräftig zu | |
sein. Suleiman war kurz vor dem Sturz Mubaraks zu dessen Vize ernannt | |
worden. Außerdem wurden sieben weitere, weniger aussichtsreiche Kandidaten | |
disqualifiziert. | |
Diese haben bis Montag Zeit, gegen die Entscheidung Widerspruch einzulegen. | |
El-Schater, Abu Ismail und Suleiman haben ihren Widerspruch angekündigt. | |
Außerdem drohen die ausgeschlossenen Kandidaten, allen voran Abu Ismail, | |
ihre Anhänger auf der Straße zu mobilisieren. Bereits am Freitag hatten die | |
Anhänger Abu Ismails das Gebäude der Wahlkommission in Kairo belagert. | |
Deren Mitarbeiter mussten evakuiert werden. "Ich erwarte eine große Krise | |
in den nächsten Stunden", drohte Nizar Ghorab, einer der Anwälte von Abu | |
Ismail, nach der Entscheidung der Kommission. | |
Bleibt es bei der Entscheidung, werden die Karten im | |
Präsidentschaftswahlkampf neu gemischt. Sah es bisher so aus, als würde | |
entweder ein Islamist oder ein Vertreter des alten Systems das Rennen | |
machen, sind jetzt noch drei aussichtsreiche Kandidaten dabei: der | |
ehemalige Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Musa; Muhammad Mursi, | |
ein weiterer Kandidat, den die Muslimbruderschaft bereits vorsorglich | |
angesichts des Risikos der Kandidatur El-Schaters aufgestellt hatte; sowie | |
Muhammad Abul Fouttouh, ein Aussteiger der Muslimbruderschaft, der in | |
liberalen Kreisen und bei der Tahrir-Jugend Unterstützung findet. | |
15 Apr 2012 | |
## AUTOREN | |
Karim Gawhary | |
Karim El-Gawhary | |
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