| # taz.de -- Anonymous-Projekt „Anontune“: Musik aus der Grauzone | |
| > Kostenlose Musik, ganz legal – das behaupten die Macher von „Anontune“. | |
| > Sie wollen ein Schlupfloch gefunden haben: Ihre Seite spielt Musik von | |
| > Youtube ab. | |
| Bild: Anontune: Musik so frei wie Bier. | |
| BERLIN taz | Für 4,1 Millionen Briten wurde es am Mittwoch ein wenig | |
| schwieriger, an Musik zu kommen. Da kam mit Virgin Media der erste | |
| Internet-Provider im Vereinigten Königreich einem Urteil des Londoner High | |
| Court nach, das verfügt, dass fünf große Provider ihren Kunden den Zugang | |
| zur Filesharing-Website The Pirate Bay sperren müssten. Diese verletze | |
| geltendes Urheberrecht. | |
| Solche Probleme soll demnächst [1][Anontune] beheben. Das hofft zumindest | |
| jene Gruppe des Aktivisten-Netzwerks Anonymous, die diese neue | |
| Musik-Plattform derzeit entwickelt. In einem Video und [2][einem „White | |
| Paper"] genannten Grundsatzpapier erklärten die Anontune-Macher nun ihre | |
| Absichten, Vorgehensweise und Ziele. Die zentrale Aussage der | |
| Medienoffensive: Anontune soll den Musikkonsum revolutionieren - und das | |
| auch noch völlig legal. | |
| Um das zu gewährleisten, hätte man, so verkündet eine düster drohende | |
| Stimme in dem Video, „von unseren Vorgängern gelernt". Deshalb hostet | |
| Anontune selbst keine Songs, sondern dient nur als Suchmaschine für bereits | |
| im Netz zur Verfügung stehende Inhalte. Die Site, so heißt es im „White | |
| Paper", „steht an der Kreuzung von Meta-Information über Musik und deren | |
| Distribution“. Anstatt Websites wie YouTube oder Soundcloud einzeln | |
| durchsuchen zu müssen, kompiliert Anontune aus solchen Quellen eine | |
| Trefferliste und stellt einen Player zur Verfügung, auf dem die gefundenen | |
| Songs sofort abgespielt werden können. | |
| Dieser Teil von Anontune, der momentan allerdings auch nicht mehr leistet | |
| als die [3][Open-Source-Software Tomahawk], funktioniert bereits recht gut, | |
| obwohl auf Anontune noch demonstrativ gewarnt wird: Noch sei die Website | |
| „very beta". Später sollen auch Quellen wie Myspace, Torrents oder | |
| P2P-Netze erschlossen werden. Ausdrücklich gesucht werden Programmierer, | |
| die die Idee weiter entwickeln sollen. | |
| ## „Facebook, du bist langweilig“ | |
| Denn Anontune hat Großes vor. „Facebook, Du bist langweilig, verschwinde", | |
| mosern die Verfasser des „White Paper". Stattdessen soll aus Anontune | |
| perspektivisch eine Art Musik-Facebook werden. Schon jetzt können eigene | |
| Playlists zusammengestellt und mit anderen Usern geteilt werden. Doch damit | |
| nicht genug: Anontune soll nicht nur den Zugang zu Musik vereinfachen, | |
| sondern „Hörerfahrungen mit Bio-Feedback weiterentwickeln". | |
| Ob es jemals soweit kommt, bleibt abzuwarten. Denn wie jede Website, die | |
| ihren Benutzern einen ungehemmten Zugang zu Musik verspricht, wird sich | |
| auch Anontune mit den Ansprüchen der Musikindustrie auseinander setzen | |
| müssen. Die Anonymous-Aktivisten glauben, das Problem gelöst zu haben, | |
| indem sie de rechtlichen Fragen auf die Quellen wie Youtube abwälzen. | |
| Natürlich würden dort auch urheberrechtlich geschützte Inhalte hochgeladen. | |
| Aber: „Die rechtliche Verantwortung diese zu entfernen liegt in den Händen | |
| dieser Dienste, nicht bei Anontune." | |
| „Dieses Mal“, verspricht Anonymous im Video, „wird das Gesetz auf unserer | |
| Seite sein.“ Doch ob tatsächlich ein Schlupfloch gefunden wurde und die | |
| Trickserei den erwartbaren Klagen standhält, wird man sehen. Zumindest die | |
| Konsumenten dürften bislang auf der sicheren Seite sein, denn auf ihre | |
| Rechner wird beim Benutzen von Anontune kein urheberrechtlich geschütztes | |
| Material herunter geladen, weil Anontune im Prinzip funktioniert wie ein | |
| Radio. | |
| ## Musik „strebt nach Freiheit“ | |
| Aber spätestens mit den Prozessen gegen Megaupload oder Kino.to hat sich | |
| gezeigt, dass nicht alle Gerichte die Meinung der Anontune-Macher teilen, | |
| dass Verteiler von Daten nicht dafür verantwortlich gemacht werden können, | |
| wenn diese Daten illegal sein sollten. Oder anders gesagt: Auch ein Radio | |
| muss sicherstellen, ob es die Songs, die es sendet, auch senden darf. | |
| Doch für Anonymous dient die Lancierung von Anontune natürlich nicht nur | |
| dazu, einen einfacheren Zugang zu Musik zu ermöglichen. Anontune ist auch | |
| Teil eines größeren Kampfes gegen „die totalitären Restriktionen und den | |
| Terror“ im Netz. Geht es nach dem klandestinen Netzwerk, „liegt es in der | |
| Natur der Musik, nach ihrer Freiheit zu streben“. | |
| Ansonsten werden im „White Paper" die üblichen Argumente der | |
| Netz-Neoliberalen wiederholt: Piraterie sei kein Diebstahl, weil das | |
| Original des Songs ja nicht entwendet wird. Vollkommen frei zugängliche | |
| Dienste werden, selbst wenn sie illegal sind, immer beliebter sein als | |
| legale, aber in ihrem Angebot eingeschränkte Dienste wie Spotify. Außerdem | |
| diene die freie Vervielfältigung und Verbreitung von Musik in letzter | |
| Konsequenz den Künstlern, weil es zu „sogar zu rechtmäßigen Verkäufen von | |
| Merchandise und anderen Musiknebenprodukten führen könnte". | |
| Es sind also die Kuchenkrümel, die Anonymous den Künstler zugestehen will. | |
| Wie diese aber für ihre Kunst künftig tatsächlich substanziell bezahlt | |
| werden können, dafür hat auch Anontune keine Lösung anzubieten. Ebensowenig | |
| wie für die grundsätzliche Frage, warum YouTube, Soundcloud oder ähnliche | |
| Dienste es auf Dauer zulassen sollten, dass sich die neue Website bei ihren | |
| Inhalten bedient. | |
| 6 May 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://anontune.com/ | |
| [2] http://anontune.com/about/papers/ | |
| [3] http://www.tomahawk-player.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Thomas Winkler | |
| ## TAGS | |
| Musik | |
| Schwerpunkt Syrien | |
| ## ARTIKEL ZUM THEMA | |
| Streit um digitale Verkäufe von Musik: Eminem und Universal schweigen | |
| Wie werden digitale Verkäufe von Songs bewertet? Um diese | |
| Millionen-Dollar-Frage streitet die Industrie. Eminem hätte für ein | |
| Grundsatzurteil sorgen können. | |
| Internetarchiv bietet Dateien per Torrent an: Filme kostenlos aus dem Netz saug… | |
| Filesharing wird oft mit illegalen Kopien gleichgesetzt. Das „Internet | |
| Archive“ zeigt nun, dass das falsch ist. Es bietet über eine Million Filme, | |
| Bücher und Musiktitel per Bittorrent an. | |
| Sechs Monate nach dem Gerichtsurteil: Keinen Cent von Pirate Bay | |
| Wegen Verstößen gegen das Copyright sollen die ehemaligen Betreiber von | |
| „Pirate Bay“ fast neun Millionen Euro zahlen. Da kann die | |
| Unterhaltungsindustrie lange warten. | |
| Nach Razzien gegen Anonymous: User wollen sich juristisch wehren | |
| Unverhältnismäßige Kriminalisierung beklagen User wegen einer Razzia gegen | |
| Anonymous-Anhänger. Anlass waren Angriffe auf die Homepage des | |
| Rechteverwerters Gema. | |
| Rechtsfragen für Streaming-Portale: Ist kinox.to-Gucken strafbar? | |
| In Leipzig stehen die Köpfe hinter der illegalen Filmplattform kino.to vor | |
| Gericht. Längst gibt es Nachfolge-Seiten. Eine Frage bleibt: Ist ihre | |
| Nutzung verboten? | |
| Warnung vor Online-Festplatten: Unsichere Wolken | |
| Das Fraunhofer-Institut warnt vor Online-Festplatten, die die Daten ihrer | |
| Nutzer nicht ausreichend verschlüsseln. Besonders der Anbieter Dropbox | |
| steht in der Kritik. | |
| Debatte Urheberrecht: Der Sharer ist die Zukunft | |
| Es gibt eine Möglichkeit, Künstlern und denen, die ihre Arbeit nutzen, | |
| gerecht zu werden. Dafür muss aber die Polarisierung beider Seiten beendet | |
| werden. Ein Vorschlag. | |
| „Clicktivisten“ unter Beschuss: Avaaz sammelt für eigene Sicherheit | |
| Das Aktivistennetzwerk „Avaaz“ bittet um Spenden für mehr | |
| Online-Sicherheit. Die Website soll unter Beschuss stehen. Ob es mit dem | |
| US-Wahlkampf zusammenhängt, ist unklar. | |
| Geld verdienen mit Musik: Brotlose Klicks | |
| Wie schaffen es junge Künstler, von ihrer Musik zu leben? Dieser Frage ging | |
| der Kongress „Operation Ton“ vor dem Hintergrund des YouTube-Urteils nach. | |
| Urteil zu Gema und Youtube: Die Streithähne im Hintergrund | |
| Das Urteil ist gefällt. Der Konflikt zwischen Gema und Youtube dauert an. | |
| Es geht um viel Geld – um wie viel, bleibt im Dunkeln, weil Google | |
| schweigt. | |
| Kostenloser Musikanbieter Spotify: Hingehen, wo das Publikum ist | |
| Das Streaming-Angebot Spotify kommt nach Deutschland. Doch Produzenten und | |
| Verteiler sprechen nicht mehr die gleiche Sprache – und Künstler beklagen | |
| die niedrigen Einnahmen. | |
| Kulturindustrie und Downloads: Illegale Fans sterben aus | |
| Jahrelang jammerte die Musikindustrie über illegale Downloads. Die | |
| Beschwerde scheint sich ausgezahlt zu haben: Noch nie haben so viele | |
| Menschen legal Musik im Netz gekauft. |