| # taz.de -- Geld verdienen mit Musik: Brotlose Klicks | |
| > Wie schaffen es junge Künstler, von ihrer Musik zu leben? Dieser Frage | |
| > ging der Kongress „Operation Ton“ vor dem Hintergrund des YouTube-Urteils | |
| > nach. | |
| Bild: Profit mit Klicks: Wie können Musiker mitverdienen? | |
| HAMBURG taz | Die Breaking News erreicht den „Kongress für musikalische | |
| Zukunftsfragen“, die „Operation Ton“ im Hamburger Westwerk live am | |
| Freitagnachmittag. „Wir haben recht bekommen“, sagt Frank Dostal, der | |
| gerade frisch vom Landgericht kommt. | |
| Dostal sitzt im Aufsichtsrat der Gema, die mit der Onlineplattform YouTube | |
| darüber streitet, ob der Internetgroßkonzern Lizenzen zahlen muss für die | |
| Musik, die auf seiner Website kostenlos zur Verfügung gestellt wird. | |
| Nun steht Dostal im Scheinwerferlicht der Bühne der „Operation Ton“ und | |
| verkündet mit fester Stimme: „Ich kann YouTube jetzt sagen, dass die mein | |
| Werk nicht einfach spielen dürfen!“ Dostal erwartet Jubel, aber es kommt | |
| nur verhaltener Applaus. Die rund 60 Kongress-Teilnehmer haben andere | |
| Sorgen: Sie sind junge Musiker, Sounddesigner, Labelbetreiber und | |
| Konzertveranstalter, die größtenteils am Beginn ihrer Karriere stehen. | |
| Ihre Frage ist, wie sie sich einen Namen machen in einer Branche, in der es | |
| immer schwieriger wird, Orientierung zu finden: Musik ist ein | |
| kommunikatives Geschäft und das Internet verändert die | |
| Aufmerksamkeitsökonomie massiv. Ebenso massiv verändert das Internet die | |
| Möglichkeiten, als Musiker Geld zu verdienen. Wie geht das also, wenn man | |
| von der eigenen Musik leben will? | |
| ## 45 Sekunden bringen 15.000 Euro | |
| „Operation Ton“ behandelt diese Fragen anhand von zwölf Vorträgen: Leute, | |
| die von ihrer Kunst leben, erzählen, wie sie es anstellen. Und Leute, die | |
| von wirtschaftlich relevanten Themen wie dem Urheberrecht oder der | |
| Verwertungsgesellschaft GVL Ahnung haben, geben ihr Wissen weiter. | |
| Einer, der von seiner Musik leben kann, weil er eine immer noch | |
| einträgliche Einnahmequelle hat, ist der Filmmusiker Arpad Bondy. Bondy hat | |
| unter anderem die Musik zur ZDF-Serie „Soko 5113“ komponiert, die seit 1978 | |
| läuft. Für jede Ausstrahlung bekommt Bondy Tantiemen von der | |
| Verwertungsgesellschaft Gema. „Das war mein großes Glück“, sagt der | |
| 65-Jährige. „Diese 45 Sekunden bringen mir pro Jahr 15.000 Euro.“ | |
| Ein nicht nur altersmäßiger Gegenentwurf zu Bondy ist die junge Berliner | |
| Künstlerin Rahel Kraska. Bei ihr gibt es keinen solventen Auftraggeber, | |
| keine Tantiemen und keine analogen Tonbänder: Kraska, die ihr Alter aus | |
| strategischen Gründen nicht preisgibt, betreibt eine One-Women-Show, die | |
| die verfügbaren Möglichkeiten ausreizt: Der Computer als billiges | |
| Produktionsmittel und das Internet als kostenlose Bühne. Kraska schreibt | |
| Songs, produziert Videos, macht ihr eigenes Artwork und behauptet: „Eine | |
| Bedienungsanleitung habe ich nie gelesen.“ | |
| Das digitale Do-it-yourself-Prinzip thematisiert sie in ihrer Kunst, was | |
| beispielsweise bei ihrem YouTube-Video „Taken by A Stranger“ zu 80.000 | |
| Klicks geführt hat. Kraskas Bekanntheitsgrad im Internet steigt, aber Geld | |
| hat sie im Netz noch keines verdient. | |
| ## Unvermeidbare Selbstvermarktung | |
| Ebenso wenig wie der Münchner Marcus Brown, der mit fiktiven Charakteren | |
| auf Twitter unterwegs ist: Seine Figur Jack The Twitter brachte es zu | |
| einiger Berühmtheit, ein bisschen Geld brachte sie aber erst, als Brown die | |
| Geschichte in Buchform veröffentlichte. Brown sagt: „Es geht nicht ums | |
| Geld.“ Sein Brotjob bekleidet er als Social-Media-Abteilungsleiter bei | |
| einer Marketing-Firma. | |
| Veranstaltet wird „Operation Ton“ übrigens vom Hamburger Verein Rockcity | |
| und der hat der Veranstaltung das Motto „Poser und Propheten“ gegeben. Der | |
| „Poser“ spielt an auf die wohl unvermeidbare Aufgabe, sich als junger | |
| Musiker selbst zu vermarkten. Der „Prophet“ dagegen steht für die | |
| romantische Idee, dass die Kunst von Visionen lebt und von Leidenschaft, | |
| von Dingen also, die sich der Rationalität entziehen. | |
| Einer, der dieses Motto „bescheuert“ findet, ist Carsten „Erobique“ Mey… | |
| „Ich bin froh, dass ich Theaterarbeit mache. Das ist wirklich ein Beruf, | |
| ein Handwerk, das hat nichts mit Posern und Propheten zu tun.“ Meyer war | |
| früher Teil der Band International Pony und arbeitete für Rocko Schamoni, | |
| Schorsch Kamerun und Jacques Palminger. Derzeit macht er Theatermusik am | |
| Hamburger Thalia Theater und kann ähnlich wie der Komiker Heinz Strunk | |
| sagen: „Das Live-Geschäft ist für mich von großer Bedeutung.“ | |
| ## Öde Lesungen auf dem Land | |
| „Fleisch ist mein Gemüse“-Autor Strunk wiederum hat sein Musikerdasein an | |
| den Nagel gehängt. Inzwischen spielt er Theater und tourt mit Lesungen | |
| seiner humoristischen Romane durchs Land. Das öffentliche Wiederholen von | |
| Texten findet Strunk zwar „öde“, aber er hat damit erreicht, dass die Leute | |
| ihn live sehen wollen. | |
| Nun ist es keine neue Erkenntnis, dass sich mit Live-Auftritten im | |
| Musikgeschäft noch am verlässlichsten Geld verdienen lässt. Aber man kommt | |
| an dieser Erkenntnis nicht vorbei – auch nicht durch einen so reichhaltigen | |
| Kongress wie „Operation Ton“. | |
| 23 Apr 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Klaus Irler | |
| Klaus Irler | |
| ## TAGS | |
| Gema | |
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