# taz.de -- Medien klauen Facebook-Bild: Als „Klickhure“ missbraucht | |
> Wie es eine lustige Persiflage auf ein SPD-Plakat auch zum | |
> „Handelsblatt“ und der „Bild“ schaffte – und das ganz ungewollt. Un… | |
> Autor hat's erlebt. | |
Bild: Das geklaute Fotomotiv des Posters. | |
KÖLN taz | Es hätte langweilig und öde werden können. Wieder eine von | |
vielen peinlichen Aktionen, mit denen sich die etablierten Parteien | |
besonders in Wahlkampfzeiten an die Internet-Community heranzuschleimen | |
pflegen. Doch diesmal kam es anders: Was für ein Glück hatte die | |
nordrhein-westfälische SPD bloß, dass sich an ihrem Online-Plakatwettbewerb | |
auch jene zwei pfiffigen Tübinger Jusos mit ihrem Vorschlag [1][„Currywurst | |
ist SPD“] beteiligten. Gaga oder genial? | |
Ob in sozialen Netzwerken oder klassischen Medien: Schon lange wurde nicht | |
mehr so heiß über ein Plakatmotiv diskutiert. Und nicht nur das: Das | |
schräge Plakat lud einfach dazu ein, über weitere mögliche | |
sozialdemokratische Lebensmittelvarianten nachzudenken. Im Netz tummeln | |
sich seitdem viele mehr oder weniger originelle Kreationen: „Frikandel | |
speciaal ist SPD“, „En Happen Mett es SPD“, „Flönz es SPD“, „Franz… | |
ist SPD“, „Äbbelwoi ist SPD“ oder auch „Bierchen ist SPD“. Bei letzt… | |
Slogan kommt der Autor dieser Zeilen ins Spiel. Denn der Spruch stammt von | |
mir. | |
Die Idee dazu war mir am 16. April beim Warten auf die Autorisierung eines | |
[2][Interviews mit der stellvertretenden NRW-Ministerpräsidentin Sylvia | |
Löhrmann] (Grüne) gekommen, das am folgenden Tag in der taz veröffentlicht | |
werden sollte. | |
## Mit verkniffenen Augen und Kölsch in der Hand | |
Da sitzt man als taz-Landeskorrespondent immer etwas auf heißen Kohlen, ob | |
auch alles klappt, kann aber nichts anderes machen, als abzuwarten – und | |
sich abzulenken. Und dabei fiel mir ein Foto ein, das ich während des | |
Landtagswahlkampfes 2005 von dem damaligen SPD-Ministerpräsidenten Peer | |
Steinbrück geschossen hatte. Es zeigt den angehenden Wahlverlierer, wie er | |
mit verkniffenen Augen ein Glas Kölsch trinkt. | |
Zu dem Bild [3][setzte ich den Spruch „Bierchen ist SPD“] und stellte das | |
Ganze als kleinen satirischen Beitrag zum aktuellen Landtagswahlkampf auf | |
meine Facebook-Seite. Mein „Vorschlag“ wurde kommentiert, er wurde geteilt | |
und verbreitete sich schnell im Netz. | |
## Mein Bild als „Klickhure“ | |
So weit, so gut. Doch wenige Tage später stieß ich darauf, dass mein | |
„Bierchen ist SPD“-Scherzplakat auch bei journalistischen Kollegen auf | |
Interesse gestoßen war – und zwar auf professionelles, kommerzielles | |
Interesse. Denn ich fand mein Motiv auf den Webseiten vom [4][Handelsblatt] | |
und von Bild, eingepasst in Bilderstrecken, in Branchenkreisen auch derbe | |
„Klickhuren“ genannt. | |
Das verwunderte mich sehr, auch wenn ich mich durchaus geschmeichelt | |
fühlte, vom Handelsblatt als „ein Kreativer im Netz“ bezeichnet zu werden. | |
Aber führt die Wirtschaftszeitung nicht gerade eine Kampagne, die vorgibt, | |
die Rechte der Urheber gegen die Piratenpartei zu verteidigen? Und dann | |
benutzt das Handelsblatt für seine Online-Bilderstrecke einen satirischen | |
Plakatentwurf von mir, mit einem Foto, das ich geschossen habe – und zwar | |
ohne jegliche Quellenangabe, ohne mich vorher gefragt zu haben, ohne mich | |
als Urheber namentlich zu nennen und selbstverständlich ohne mir ein | |
Honorar angeboten zu haben? | |
## Angeprangerte Kostenlosmentalität | |
Ist die Zeitung also etwa doch insgeheim für jene ansonsten von ihr | |
angeprangerte Kostenlosmentalität – und zwar genau dann, wenn es ihren | |
eigenen ökonomischen Verwertungsinteressen nutzt? Hat | |
Springer-Vorstandschef Mathias Döpfner nicht unlängst gegen die | |
„Gratis-Kultur im Internet“ gewettert, vor „Piraten-Geschäftsmodellen“ | |
gewarnt und sich als Verteidiger des Urheberrechts präsentiert? Bei Bild.de | |
ist das offenkundig noch nicht angekommen. | |
Was die Angelegenheit in Bezug auf die Raubkopierern von Bild.de noch etwas | |
ärgerlicher macht: Anders als dem Handelsblatt hätte ich denen niemals ein | |
Bild von mir überlassen, wenn sie mich gefragt hätten. Da bin ich sehr | |
altmodisch: Ich mag weder die Bild-Zeitung noch deren Online-Version. Was | |
tun? | |
Sicherlich, ich hätte direkt nach irgendwelchen Abmahnanwälten Ausschau | |
halten können. Aber die mag ich nicht. Also versuchte ich, dem Handelsblatt | |
und Bild.de auf anderem Wege auf die Sprünge zu helfen: Durch entsprechende | |
Hinweise auf ihre Urheberrechtsverletzungen auf meiner Facebook-Seite. Auch | |
diese Hinweise verbreiteten sich wieder schnell, wurden unter anderem vom | |
Mediendienst turi2.de und dem Blog des Medienjournalisten [5][Thomas | |
Knüwer] aufgegriffen. | |
## „Ein grober Fehler“ | |
Und sie erreichten ihre Adressaten. Nur deren Reaktionen fielen sehr | |
unterschiedlich aus. Am Montagmittag meldete sich das Handelsblatt | |
zerknirscht bei mir und entschuldigte sich vielmals, „dass wir das Bild | |
ohne Ihr Einverständnis verwendet haben“. Das sei ein grober Fehler | |
gewesen. „Ich hatte nur einen Link auf das Bild zur Verfügung, anhand | |
dessen für mich nicht nachvollziehbar war, wer der Urheber ist“, erklärte | |
der zuständige Online-Redakteur seinen Fauxpas. „Wir haben aus der Sache | |
gelernt: Künftig lassen wir von solchen uneindeutigen Quellen die Finger.“ | |
Im konkreten Fall bat er um eine gütliche Einigung. Und wir haben uns | |
gütlich geeinigt. | |
Aber was machen die Raubkopierer von Bild.de? Von denen hat sich bisher | |
niemand bei mir gemeldet – sie versuchen es lieber auf die miese Tour: Um | |
die Peinlichkeit zu vertuschen, wurde ihre Bilderstrecke unter der | |
Überschrift „Wahlplakate der SPD: Spaßvögel verwursten Krafts Curry-Plakat… | |
einfach klammheimlich gelöscht. Wer auf den entsprechenden Link bei Google | |
geht, landet jetzt nur noch auf der Seite „Düsseldorf aktuell“. | |
Ob Bild.de wirklich glaubt, mit einer solchen Dreistigkeit durchkommen zu | |
können? Na ja, dann werde ich den Damen und Herren wohl ganz offiziell ihre | |
Urheberrechtsverletzung mitteilen müssen, inklusive der dazugehörigen | |
Rechnung. Schließlich habe ich ja einen Screenshot der Seite gemacht. Und | |
wenn das auch nicht hilft, geht’s halt doch noch zum Anwalt. Dafür wird | |
Springer bestimmt das größte Verständnis haben, so wie dessen Gazetten | |
immer wieder die vermaledeiten „Internetschnorrer“ geißeln, oder? | |
24 Apr 2012 | |
## LINKS | |
[1] /Wahlkampf-der-SPD-in-NRW/!91536/ | |
[2] /Gruene-reagieren-auf-Piraten-in-NRW/!91607/ | |
[3] http://www.facebook.com/photo.php?fbid=3685897783129 | |
[4] http://www.handelsblatt.com/politik/deutschland/nrw-wahl-2012/internet-paro… | |
[5] http://www.indiskretionehrensache.de/2012/04/urheberrechtsverletzungen-hand… | |
## AUTOREN | |
Pascal Beucker | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
Wahlkampf der SPD in NRW: Currywurst für die sogenannte SPD | |
In Nordrhein-Westfalen bittet die SPD Nutzer aus dem „sogenannten Internet“ | |
um Plakatideen. Ganz vorne liegt nun eine lebensfrohe Botschaft mit | |
Currywurst. | |
Currywurst-Plakat setzt sich durch: Einmal SPD mit Pommes rot-weiß! | |
Die SPD in Nordrhein-Westfalen wird im Wahlkampf ein Currywurst-Plakat | |
aufhängen – entwickelt von Internetnutzern. Das Motiv polarisiert die | |
Partei und Werbeprofis. | |
Individuelle Freiheit mit „Commons“: „Die Allmende ist nicht kostenlos“ | |
Warum es irrational ist, 540 Seiten auszudrucken und in der U-Bahn zu | |
lesen, erklärt die Autorin und Commons-Aktivistin Silke Helfrich. | |
Geld verdienen mit Musik: Brotlose Klicks | |
Wie schaffen es junge Künstler, von ihrer Musik zu leben? Dieser Frage ging | |
der Kongress „Operation Ton“ vor dem Hintergrund des YouTube-Urteils nach. | |
Internetüberwachung in den USA: Big Brother kommt durch erste Instanz | |
Das US-Repräsentantenhaus hat das Netzüberwachungsgesetz durchgewunken. Es | |
soll vor Cyber-Bedrohung schützen und beschneidet die Bürgerfreiheit. Das | |
Okay des Senats fehlt noch. | |
Online-Tool „Klout“: Miss deinen Einfluss! | |
Mit Hilfe von „Klout“ wird die individuelle Aktivität in den Sozialen | |
Medien gemessen. Ein schlechter Score kann ein echter Nachteil bei | |
Bewerbungen sein. | |
Ex-Regierungsprecher wieder Journalist: Béla Anda wieder bei „Bild“ | |
Der ehemalige Regierungssprecher Béla Anda kehrt als Mitglied der | |
Chefredaktion zur „Bild“-Zeitung zurück. Und es gibt noch mehr | |
Personalwechsel in der Chefetage. | |
Facebook-Aktien: Teuerstes Poesiealbum der Welt | |
Mark Zuckerberg geht mit seinem Online-Netzwerk auf Investorenfang. Einige | |
senken wegen des Aktienhypes die Daumen und warnen vor einer | |
Spekulationsblase. | |
Pro und Contra: Gibt es guten Boulevard? | |
Am Sonntag wird Deutschlands größte Zeitung 60 Jahre alt. Die "Bild" prägt | |
den hiesigen Boulevardjournalismus. Wäre er auch ohne Niedertracht möglich? |