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# taz.de -- Kostenloser Musikanbieter Spotify: Hingehen, wo das Publikum ist
> Das Streaming-Angebot Spotify kommt nach Deutschland. Doch Produzenten
> und Verteiler sprechen nicht mehr die gleiche Sprache – und Künstler
> beklagen die niedrigen Einnahmen.
Bild: Hätte Spotify hunderte Millionen Hörer, wäre alles gut. Haben sie aber…
Diesen Dienstag startet mit Spotify ein neuer digitaler Musikanbieter in
Deutschland; es handelt sich um ein Streaming-Angebot, 16 Millionen Titel
hat das Start-Up im Angebot. Finanziert wird das Portfolio über
Werbeeinnahmen und Premium-Accounts.
Jahrelang hatten die Bedenken ob der hiesigen hohen Lizenzgebühren einen
Marktantritt Spotifys verhindert und Platz gelassen für eine deutsche
Spielart, Simfy. Nachdem in den letzten Monaten mit Deezer und Rdio zwei
Konkurrenten nach Deutschland gekommen sind, hat der Dienst, offenbar ohne
sich mit der GEMA zu einigen, den Betrieb aufgenommen.
Von Spotify wird Großes erwartet: Firmengründer Daniel Ek selbst sagte der
dpa, man wolle „das Betriebssystem für Musik werden“. Nach seinen Angaben
wurden seit Gründung im Oktober 2008 den Labels rund 200 Millionen Euro an
Lizenzgebühren überwiesen. Und das vor allem, indem Spotify nach eigenen
Angaben ein Potential erschließt, das bisher von der Musikindustrie als
Feind stilisiert wurde: in Schweden, wo inzwischen ein Drittel der
Bevölkerung den Dienst nutzen soll, seien seit Gründung des Unternehmens
die illegalen Downloads um 25 Prozent gesunken.
## „Fuck Spotify“
Zahlen, die die Majorlabels in den USA schnell davon überzeugten,
[1][Verträge mit Spotify zu zeichnen]; nur dauerte es nicht lange, bis nach
der Goldgräberstimmung der Kater kam. Guardian-Kolumnist Sam Leith beklagte
schon 2010, dass man heute, wenn man viele Aufnahmen verkaufe, nichts
weiter bekomme als [2][„einen halben Dauerlutscher voller Fussel“]. Eine
Million Mal sei Lady Gagas Lied Pokerface geklickt worden, was ihr
Einnahmen von sagenhaften 127 Euro eingebracht hätte. Und der Musiker
[3][//twitter.com/#!/Jon_Hopkins_/statuses/137147753829646336:Jon Hopkins
twitterte] im November letzten Jahres, für 90.000 Plays habe er 8 Pfund
(9,50 Euro) erhalten. Sein Credo: Fuck Spotify.
Dachte sich [4][wortgleich] auch ST Holdings, ein Zusammenschluss aus 234
Indie-Plattenlabels, der Ende des gleichen Monats [5][ankündigte], die
Streaming-Angebote wie Spotify zu verlassen. Am Ende bleibe bei den
Künstlern kein Geld hängen, das Geschäftsmodell frisst seine Produzenten.
Bei iTunes verdiene man pro verkaufte mp3 immerhin 6 Cent, bei Spotify
bringt das Abspielen weniger als einen Viertel Cent.
Spotify selbst behauptet, vor allem brachliegendes Kaufpotential
abzuschöpfen: die Zahlen, die ST Holdings veröffentlichte, suggerieren
etwas anderes. Im jenem Quartal, als man die Lieder in allen
Streaming-Angeboten veröffentlichte, sanken die Einnahmen um 14 Prozent.
Während 82 Prozent der Lieder über Spotify, Simfy und Konsorten gehört
wurden, spielten sie nur 2,6 Prozent des Erlöses ein.
## „Wiederholbarkeit führt zum Erfolg“
Who to blame? Anlässlich eines anderen Label-Exodus hatte
[6][Indielabel-Chef Jay Frank seinen Kollegen vorgehalten, ihre Musik sei
es schlicht nicht wert, gehört zu werden]. Heute sei es nicht mehr so
wichtig, ob ein Produkt sich gut verkaufe, sondern ob der Hörer das Lied
wieder und wieder hören wolle: repeatability, Wiederholbarkeit, sei das
Schlüsselkriterium zum Erfolg. Und damit es überhaupt Leute gibt, die einen
Künstler mehrfach hören wollen, müsse man dahingehen, wo das Publikum ist:
in diesem Fall zu Spotify.
Dany Ryan vom Online-Laden [7][Kudos Distribution] sieht ebenfalls die
[8][Musiker in der Pflicht]: die meisten Künstler, die sich über geringe
Einnahmen beklagen, sind an Plattenverträge gebunden, die ihnen nur zehn
Prozent der digitalen Erlöse zugestehen. „Diese Diskussion muss der
Künstler mit seinem Label führen, nicht mit den Streaming-Diensten“.
Tatsächlich zahlen diese Dienste [9][mehr Geld pro Hörer als eine
herkömmliche Radiostation]. Es ist das alte „jam tomorrow“-Problem: Das
Publikum ist noch nicht bei den Streaming-Diensten. Hätten Spotify, Simfy
etc hunderte Millionen Hörer, wäre alles gut. Haben sie aber nicht.
Vielleicht morgen, wenn's gut läuft. Oder übermorgen. Es wird aber sicher
nicht gut laufen, wenn Labels anfangen, ihre Lieder zurückzuziehen.
## Ernüchternde Kontoauszüge
Was von dem Konflikt übrig bleibt, ist der Eindruck eines tiefsitzenden
kulturellen Missverständnisses: Produzenten und Verteiler sprechen nicht
mehr die gleiche Sprache. Die Künstler hören die in Hurra-Deutsch
abgefassten PR-Veröffentlichungen der Streaming-Angebote und vergleichen
die Jubelarien auf Wachstum und Zugriffszahlen mit ihren ernüchternden
Kontoauszügen.
Die beruhigenden Worte der Streaming-Angebote, man müsse Geduld haben,
haben es schwer, Gehör zu finden: Kaum zu glauben, dass man langfristig
Einnahmen hat über einen Dienst, der erst seit 2006 besteht; damals galt
myspace als das nächste große Ding.
Dass aus den Streaming-Diensten die Rettung für das Musikbusiness erwächst,
ist unwahrscheinlich. Es ist ein erster Schritt Richtung Kunde, nicht der
letzte.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Artikels ging der
Autor davon aus, dass eine Einigung zwischen der GEMA und Spotify
stattgefunden habe. Wir bitten, diese Fehlinformation zu entschuldigen.
13 Mar 2012
## LINKS
[1] http://pansentient.com/2009/03/how-record-labels-make-money-from-spotify/
[2] http://www.guardian.co.uk/music/2010/apr/18/sam-leith-downloading-money-spo…
[3] http://https
[4] http://fuckspotify.com/
[5] /!82519/
[6] http://www.hypebot.com/hypebot/2011/09/jay-frank-its-not-spotifys-fault-tha…
[7] http://www.kudosrecords.co.uk/
[8] http://www.kudosdistribution.co.uk/streaming-services-yet-again/
[9] http://musically.com/2011/11/18/a-genuine-freakshow-manager-erik-nielsen-we…
## AUTOREN
Frédéric Valin
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