# taz.de -- Kulturindustrie und Downloads: Illegale Fans sterben aus | |
> Jahrelang jammerte die Musikindustrie über illegale Downloads. Die | |
> Beschwerde scheint sich ausgezahlt zu haben: Noch nie haben so viele | |
> Menschen legal Musik im Netz gekauft. | |
Bild: Schöne bunte Kulturwelt, direkt in den Rechner. | |
BERLIN taz | „Ihr sagt wir sind kriminell, doch wir sind nur die User, im | |
Knast saugen wir weiter, Copyrights sind was für Loser“ heißt es in einem | |
aktuellen Lied der Hamburger Band Deichkind. Titel: „Illegale Fans“. | |
Doch wenn man den zuletzt veröffentlichten Zahlen zu legalen und illegalen | |
Downloads im Internet glauben darf, dann ist „Illegale Fans“ längst keine | |
Hymne mehr, sondern eher der Abgesang auf eine seltener werden Spezies. Und | |
überhaupt sind die Aussichten der Unterhaltungsbranche längst nicht so | |
düster, wie allenthalben behauptet wird. | |
Eine kürzlich [1][in den Vereinigten Staaten vorgestellte Studie] rechnet | |
so etwa vor, dass die amerikanischen Kunden zwischen 2000 und 2008 ihre | |
Ausgaben für Unterhaltungsangebote um 15 Prozent erhöht hätten. Die | |
amerikanische Unterhaltungsbranche soll seit 1998 gar um ganze 66 Prozent | |
gewachsen sein – und das während gleichzeitig nicht nur die amerikanischen | |
Lobbyverbände ihr Leid und ihre durch Piraterie entstandenen Verluste laut | |
beklagen. | |
Auch in Deutschland sind die Zahlen zumindest mittlerweile nicht mehr ganz | |
so unerfreulich für die Urheberrechtsinhaber. Das [2][Hamburger Abendblatt | |
meldete jüngst], legale Downloads hätten „2011 um rund 29 Prozent zugelegt, | |
während der Verkauf von Musik per CD nur noch um zwei Prozent geschrumpft“ | |
sei. | |
Auch Edgar Berger, Chef von Sony Musik International, gibt sich [3][in | |
einem Gespräch mit Welt Online] optimistisch: „Ich bin mir sicher, dass wir | |
in ein bis drei Jahren wieder in einem Wachstumsmarkt sind.“ Auch wenn sich | |
das Marktvolumen der Musikindustrie insgesamt halbiert habe, seien die | |
aktuellen Signale doch positiv: „Deutschland, immerhin der drittgrößte | |
Musikmarkt der Welt, ist zum ersten Mal seit 15 Jahren wieder stabil.“ | |
## Verblüffend vielsprechend | |
Für einen Vertreter einer seit Jahren jammernden Branche sind Bergers | |
Angaben wie die aktuellen Zahlen in der Tat verblüffend vielversprechend. | |
Zudem die Konsolidierung der Musikindustrie nicht allein in Deutschland | |
voran zu schreiten scheint, sondern auch in anderen Ländern. | |
Für Großbritannien [4][berichtet beispielsweise der Guardian], der Verband | |
der Britischen Musikindustrie habe 2011 seine Erlöse um satte 24,7 Prozent | |
auf über 281 Millionen Pfund (332 Millionen Euro) steigern und damit zwei | |
Drittel des Rückgangs aus dem Verkauf von CDs ausgleichen können. | |
Und auch auf europäischer Ebene sind ähnliche Effekte zu verzeichnen. Wie | |
taz.de [5][bereits Anfang Januar meldete], schnellte die Zahl der | |
Abonnenten von Musikanbieter wie Spotify, Deezer und Sony's Music Unlimited | |
nach Angaben des Weltverbandes der Phonoindustrie (IFPI) im vergangenen | |
Jahr um satte 65 Prozent auf weltweit rund 13,4 Millionen empor. | |
Ähnliches gilt offenbar auch für das Filmgeschäft. Eine an der Universität | |
von Minnesota, erarbeitete [6][Studie zu den Auswirkungen von | |
Filmpiraterie] im Internet auf die Kartenverkäufe von Kinos zeigt etwa, | |
dass es oft nicht kriminelle Energie oder falscher Geiz ist, der zur | |
illegalen Beschaffung von Filmen führt. Sondern die verspäteten | |
Kinostart-Termine jenseits der Vereinigten Staaten. | |
In anderen Worten: Wenn es eine zeitnahe, legale Möglichkeit gibt, einen | |
Film zu sehen, wird diese auch genutzt. Im Umkehrschluss bedeutet dies, | |
dass eine Mischung aus Ungeduld und schlechter Veröffentlichungsstrategie | |
manches Fans jenseits der USA geradezu in die Illegalität zwingt. | |
## Gigantische Zahlen als Druckmittel | |
Vollkommene Entwarnung will jedenfalls für Deutschland weder die | |
Bundesverbandes Musikindustrie e. V. genannte Lobbygruppe der | |
Musikindustrie, noch Sony Music-Chef Berger. Immerhin sollen ihnen die | |
gigantischen Angaben über illegale Downloads auch weiterhin als politisches | |
Druckmittel dienen, um strengere Gesetze zu erwirken. | |
Ganz einig über die negativen Zahlen sind sich die Vertreter der | |
Musikindustrie dabei allerdings nicht. Während in der Pressemitteilung des | |
Bundesverbandes Musikindustrie e.V. von „knapp sieben Milliarden illegale | |
Musik-Downloads in einem Jahrzehnt“ in Deutschland die Rede ist, behauptet | |
Sony Music-Chef Berger, es seien allein im vergangenen Jahr „40 Milliarden | |
Songs illegal heruntergeladen“ worden. | |
Wie oft allerdings die Deichkind-Single „Illegale Fans“ bislang illegale | |
aus dem Internet geladen wurde, ist unbekannt. | |
1 Mar 2012 | |
## LINKS | |
[1] http://www.techdirt.com/articles/20120129/17272817580/sky-is-rising-enterta… | |
[2] http://www.abendblatt.de/wirtschaft/article2179472/Weniger-illegale-Downloa… | |
[3] http://www.welt.de/wirtschaft/webwelt/article13881492/Das-Internet-muss-fre… | |
[4] http://www.guardian.co.uk/media/2012/feb/19/digital-music-sales-circulations | |
[5] /Illegale-Musikdownloads-gehen-zurueck/!86542/ | |
[6] http://papers.ssrn.com/sol3/papers.cfm?abstract_id=1986299 | |
## AUTOREN | |
Daniel Erk | |
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