# taz.de -- c/o Pop Festival: Festival der sanften Töne | |
> Elektropop dominierte das c/o Pop Festival in Köln. Die begleitenden | |
> Podiumsgespräche zu Urheberrrechten liefen konfliktfrei ab – und ohne | |
> Musiker. | |
Bild: Im Gloria Theater brachte Teed nicht nur die Fans zum Tanzen. | |
Im Kulturleben Köln streitet man sich, nur auf der c/o pop bekommt man | |
davon nichts mit. Im Millowitsch-Theater, wo sich normalerweise die kölsche | |
Volksseele labt, verbreitete bereits am ersten Abend die Kölner | |
Synthpop-Band Tourist ein ganz anderes Kölnjeföhl. Elektronische Popsongs, | |
das war der diesjährige „Sound of Cologne“. Egal, ob sie wie bei Light | |
Asylum als Gospel-EBM daherkommen oder sich wie bei Portable über | |
zehnminütige Housetracks dehnen – man war nett zueinander. | |
Selbst bei den Podiumsdebatten der c/o pop convention herrschte ein sanfter | |
Umgangston vor. Wo sich vor drei Jahren der Vertreter der Piratenpartei von | |
der versammelten Altherrenriege noch stellvertretend öffentlich beschimpfen | |
lassen durfte, verteidigt man die eigenen Einkünfte heute mit wesentlich | |
freundlicherem Tonfall. „Ich wünsche Ihnen alles Gute“, meinte | |
Gema-Vertreter Alexander Wolf zu Wolfgang Sendes, der das Konzept einer | |
neuen Verwertungsgesellschaft namens „Cultural Commons Collecting Society“ | |
(C3S) vorstellte. | |
Die C3S verspricht ihren Mitgliedern mehr Flexibilität als die Gema und | |
will durch eine 1:1-Abrechnung mit neuer Erfassungstechnik 100 Prozent der | |
Lizenzeinnahmen an die Musiker ausschütten. | |
Auf den Podien waren eben diese Musiker jedoch nur Gegenstand der | |
Unterhaltung. Egal ob das Panel „Rechte haben“ oder „Urheberparlament“ … | |
– versammelt war stets eine Mischung aus Vertretern von Labels und | |
Verwertungsgesellschaften, Internetlobbyisten und Medienvertretern. So | |
blieben dann nicht nur die Bemerkung „Das Größte ist es für einen Künstle… | |
wenn EMI oder Universal anrufen“ (Gema-Vertreter Alexander Wolf), sondern | |
auch einige andere Statements über Musiker von qualifizierter Seite | |
unwidersprochen. | |
## Altbekannte Debatten | |
Stattdessen arbeitete man sich an alten Problemen ab. „Wie monetarisiert | |
man Sharing?“, fragte etwa Eva Kiltz vom Verband Unabhängiger | |
Tonträgerproduzenten, der überwiegend Indie-Labels vertritt, und alle | |
klatschten. Dann wiederholte sie einen alten Vorschlag: Die Provider, also | |
Telekomfirmen und Internetportale, sollen zahlen. Damit provozierte sie die | |
üblichen Reaktionen. | |
John Weizenbaum von Creative Commons fügte hinzu, dass Google durchaus | |
schon ausschütten würde, allerdings nicht an Plattenfirmen und | |
Verwertungsgesellschaften. Und Geraldine DeBastion von der „Digitalen | |
Gesellschaft“ wich der Frage aus und redete stattdessen lieber über „Fair | |
Use“. | |
Wie sehr sich die Lage für die Musiker selbst in den letzten 30 Jahren | |
verändert hat, ließ sich dagegen am Samstag studieren. Palais Schaumburg | |
spielten im holzvertäfelten Kammermusiksaal des Deutschlandfunks ein | |
Konzert vor einem mittelalten Publikum, für das Popmusik immer auch ein | |
Zugang zur Welt gewesen ist. Palais Schaumburg boten den dazu passenden | |
Soundtrack, parodierten Fortschrittsoptimismus ebenso wie geistig-moralisch | |
gewendete Gemütlichkeit und minimale Funktionalität. | |
Die regionalen Nachwuchsbands zwischen Shoegaze und Songwritertum mussten | |
dagegen am Nachmittag den funktionalen Soundtrack zum Schaufenstershopping | |
in den Boutiquen des Belgischen Viertels liefern. | |
Ob Crowdfunding für junge Musiker ein Weg zu mehr Autonomie darstellt, | |
blieb dagegen offen. Denn abseits der spektakulären Erfolgsgeschichten ist | |
der Aufwand sehr hoch. „Eigentlich habe ich 60 Tage nichts anderes | |
gemacht“, beschreibt der Filmemacher Timon Birkhofer das Funding für seinen | |
Dokumentarfilm, bei dem er und sein Team 84.000 Dollar auf Kickstarter | |
gesammelt haben. Während der Sammelphase sprach er mit Blogs, beantwortete | |
Anfragen von Filmfestivals und versorgte die Spender mit Neuigkeiten über | |
das Drehbuch, der Künstler wird zum PR-Mann in eigener Sache. | |
## Verschobene Bassdrums | |
Vielleicht ist dagegen die Strategie der c/o pop gar kein so schlechter | |
Weg, ein wenig Geld in Richtung Nachwuchs zu lenken. Die örtliche DJ-Zunft, | |
die sonst Wochenende für Wochenende die Kölner Clubs mit diversen | |
Technogenres bespielt, darf sich beim Festival geballt zeigen. Das | |
interessanteste DJ-Set kam aber dennoch von außerhalb. | |
Während draußen langsam die Sonne aufging, wühlte sich der Detroiter Kyle | |
Hall am Samstagmorgen durch eine Plattenkiste voller Minimal-Techno, dessen | |
Bassdrums er sanft verschob. Der 23-jährige Detroiter improvisierte mit den | |
Plattenspielern und seinem CDJ, überzog sein Technoset mit passgenauen | |
Delays und sorgte so für einen seltenen Moment, in dem Prozessieren und | |
Euphorie keine Gegensätze mehr bilden. | |
25 Jun 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Werthschulte | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Urheberrecht | |
Techno | |
Leipzig | |
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