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# taz.de -- Das Lumix-Festival in Hannover: Licht und Schatten - hier und dort
> Lumix zeigt ab heute internationale Reportage-Serien und Multimedia-Shows
> von 78 jungen Fotojournalisten. Doch trotz des Festivalerfolgs knirscht
> es hinter den Kulissen.
Bild: Kids of Sodom: Elektroschrottsammler in Ghana
HANNOVER taz | „Die Kamera ist wie ein Pass in andere Realitäten. Ich kann
damit von der High Society bis hin zu gesellschaftlichen Aussteigern, wie
für meine Reportage hier, alles kennenlernen. Das ist das Spannende am
Beruf Fotojournalist.“
Was Student Jonas Wresch hier beschreibt, würden so oder so ähnlich wohl
alle ausstellenden Fotojournalisten und die Studierenden in Hannover über
ihre Arbeit sagen. Davon können sich die Besucher auch direkt überzeugen,
denn die jungen Nachwuchsfotografen führen persönlich durch ihre
Ausstellungen und stehen Rede und Antwort.
Wresch, der gut als offener und diskreter WG-Mitbewohner durchgeht, hat für
seine Fotos schon öfter kleine Lebensgemeinschaften begleitet. Für die
gezeigte Sozialreportage wohnte er bei Menschen, für die das Leben auf
einem Campingplatz bei Gifhorn die beste unter den schlechten Alternativen
ist, wenn man wenig Geld hat. „Ich wollte da nicht so boulevardmäßig
rangehen. Deswegen habe ich mich für ein ruhiges Format entschieden, um so
den Menschen ein bisschen mehr Distanz zu geben.“
Der 24-Jährige, der seit 2009 in Hannover studiert, hat unter anderem
fotografiert, wie sich ein kleiner Junge in Gummistiefeln und Jacke auf der
gepolsterten Sitzbank seines Zuhause, einem Wohnwagen, seelenruhig ausruht.
Fünf Tage lang sind rund 1.400 Fotos an neun Standorten rund um die Expo
Plaza zu sehen. Die Multimedia-Beiträge werden im neu für die Fakultät
Medien, Information und Design hergerichteten, runden „Planet MID“ gezeigt,
dem ehemaligen Bertelsmann Pavillon. Die Veranstaltung will sowohl
Treffpunkt der Branche sein, als auch offen für alle Foto-Interessierten.
„Wir möchten auf ganz breiter Ebene an Fotografie heranführen. Wir bieten
Simultanübersetzungen Englisch-Deutsch für Führungen und Vorträge an. Junge
Besucher sind besonders willkommen. Sie sind die Leser von morgen“, sagt
Rolf Nobel, der das Festival gemeinsam mit Freelens, der Vereinigung der
Fotojournalisten, 2008 aus der Taufe gehoben hat.
Internationale Studenten-Delegationen werden von unter anderem der Missouri
School of Journalism anreisen. Damit fördere das Lumix Festival auch den
fehlenden Austausch in der Ausbildung, sagt Nobel. Auch zögen die
Portfolio-Sichtungen mit Profis junge Fotojournalisten und Talent-Scouts
von überall her an. Den Studiengang Fotojournalismus und
Dokumentarfotografie hat der gestandene Fotojournalist seit Antritt seiner
Professur im Jahr 2000 konsequent spezialisiert.
Heute kann Nobel sich die potenziell Besten unter den Studienbewerbern
aussuchen. So wie es Noch-Student Kai Löffelbein inzwischen ist. Für die
ausgestellte Reportage „Kids of Sodom“ über Kinder, die auf Müllhalden in
Ghana Elektroschrott sammeln, erhielt er im Mai den Henri-Nannen-Preis und
2011, als erster Deutscher, den Preis „Unicef-Foto des Jahres“. Löffelbeins
Beitrag steht für den anderen thematischen Pol im Fotojournalismus, die
internationalen Krisengebiete.
Wie für Wresch kam aber auch für ihn nur Hannover in Frage. „Hannover ist
die Schule für Fotojournalismus in Deutschland, wenn nicht sogar
europaweit. Ich hatte Politik studiert, als Fotograf in Berlin gearbeitet.
Dann wollte ich mich perfektionieren“, sagt der 31-Jährige. „Viele
Studenten hier haben schon Ausbildungen hinter sich und sind etwas älter
als in anderen Studiengängen. Aber ich finde, ein guter Journalist kann
ruhig ein bisschen Lebenserfahrung mitbringen und sollte seine Sicht der
Welt ein stückweit geschärft haben.“
Löffelbein weiß aber auch, dass er einen langen Atem braucht, um sich am
Markt zu behaupten. Schon aus diesem Grund nimmt Nobel seinen Studierenden
von Anfang an jegliche Illusion und erwartet größten Einsatz.
Das gilt auch für das zweijährig stattfindende Festival. „Ohne die
Organisations- und Arbeitsleistung eines Großteils der Studenten wäre diese
umfangreiche Veranstaltung mit ihrem 250.000-Euro-Etat schlicht unmöglich.“
Bedenken bezüglich des Hauptsponsors und Namensgebers, dem
Elektronikunternehmen Panasonic, hat Nobel nicht. Die inhaltliche
Gestaltung liege ganz beim Studiengang. „Panasonic fehlte mit seiner recht
jungen Fotosparte die eigene Fotokultur. Die liefern wir ihm mit dem Lumix
Festival.“ Außerdem bekäme das Festival nur aufgrund der renommierten
Auszeichnungen für die Studierenden, und damit für die Ausbildung, die
nötigen Drittmittel zusammen.
Im Kontrast zu Engagement und Erfolg von Festival und Studiengang verlangt
das Präsidium der Hochschule Hannover in diesem Jahr erstmals eine
EU-konforme Abrechnung, wie für eine gewerbliche Veranstaltung. „Damit
unsere Kalkulation aufgeht, müssten wir die niedrigen Eintrittspreise, um
möglichst viele Menschen zu erreichen, quasi mit dann zweckentfremdeten
Sponsorenmitteln ausgleichen.“ Von der Hochschule erhalte man kein Geld,
nutze aber natürlich Räume und teilweise das Personal. „Die Zusammenarbeit
mit der Hochschule hat uns diesmal alle viel Nerven gekostet.“
Laut Nobel stehen so rund 50.000 Euro im Raum, um die der Etat unplanmäßig
belastet würde. Das Festival gehört für ihn zwar nach Hannover, aber nicht
mehr zwingend unter die Ägide der Hochschule. Zudem liegen Nobel schon
Angebote von anderen Orten in Deutschland für die Ausrichtung vor. Hier
käme es auf die Bedingungen an.
Das ist aber nicht der einzige Konflikt zwischen Studiengang und
Hochschule. Zu Semesterbeginn begannen wegen des doppelten Abiturjahrgangs
und des Hochschulpaktes 2020 fast doppelt so viele Studienanfänger. Bei der
doppelten Zahl soll es auch in diesem Jahr bleiben, obwohl es an den dafür
notwendigen Räumen und Kapazitäten mangelt.
Im März erst hatten die Studierenden öffentlich gegen die schlechten
Studienbedingungen aufgrund der Auflagen von Wissenschaftsministerin
Johanna Wanka (CDU) und Hochschulpräsidentin Rosemarie Kerkow-Weil
demonstriert.
Wenn die Beteiligten heute das 3. Lumix Festival feierlich eröffnen, werden
die Seiten den Schulterschluss zu Gunsten von Veranstaltung und Hochschule
wahren. Und dann gilt: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
12 Jun 2012
## AUTOREN
Beate Barrein
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