# taz.de -- Öffentlich-private Partnerschaften: Die staatliche Selbstauflösung | |
> Die ÖPP Deutschland AG gehört mehrheitlich dem Staat und berät Kommunen | |
> bei Teilprivatisierung. An der Unabhängigkeit der Gesellschaft zweifeln | |
> einige Parlamentarier. | |
Bild: Nur auf der Terasse? Eigentlich überall, wenn es nach den Apologeten der… | |
BERLIN taz | „Lösen Sie die PPP-Werbeagentur Partnerschaften Deutschland AG | |
ersatzlos auf“, fordert der Verein „Gemeingut in BürgerInnenhand“ von | |
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Gemeinsam mit Attac und Ver.di | |
übermittelte „Gemeingut“ vergangene Woche Wolfgang Schäuble eine | |
Unterschriftensammlung | |
Auch die Parlamentarier des Bundestags zeigen sich zunehmend alarmiert über | |
diese „ÖPP Deutschland AG“, eine Beratungsgesellschaft des Bundes. | |
Konzipiert allerdings haben sie Lobbyisten der Finanzwirtschaft. Fleißig | |
mitgewirkt haben auch Berater und die britische Kanzlei Freshfields | |
Bruckhaus Deringer. | |
Die taz hatte Anfang des Jahres diese Hintergründe veröffentlicht. Seither | |
gab es in dieser Sache drei Parlamentsanfragen an die Bundesregierung. Die | |
Abgeordneten empört die staatlich-private Kumpanei bei ÖPP-Projekten, | |
sogenannte öffentlich-private „Partnerschaften“. Zuletzt hatten einige | |
Abgeordnete der SPD ihre Zweifel an der Neutralität der ÖPP Deutschland AG | |
in einer Parlamentsanfrage zum Ausdruck gebracht. | |
Michael Groß, Berichterstatter der SPD im Bundestag zu ÖPP, fragte die | |
Regierung nach der Unbefangenheit. Antwort: keine Probleme. Anteile an der | |
Aktiengesellschaft hält mehrheitlich der Bund. Doch mit 43 Prozent sind | |
ebenjene Firmen beteiligt, die von den ÖPP-Projekten profitieren: Banken, | |
Berater und Baufirmen. | |
## Spärliche Antworten | |
Groß fragte nach. Laut Regierung beschränke sich die Mitarbeit der | |
Vertreter der Privatwirtschaft auf die Grundlagenarbeit, „d. h. sie erfolgt | |
nicht im Rahmen der konkreten Projektberatung der ÖPP Deutschland AG“, | |
schreibt der Staatssekretär des Bundesministeriums für Finanzen, Werner | |
Gatzer, am 8. Juni. Es gebe zudem „EDV-technische und räumliche | |
Sicherheitsvorkehrungen“, die etwaige Vorteile der beteiligten Firmen | |
ausschließen würden. | |
Für Groß sind die Fragen nach der Transparenz und Objektivität mit den | |
spärlichen Antworten der Regierung „nicht zufriedenstellend beantwortet“. | |
Noch grundsätzlicher sagt er: „Die Nachvollziehbarkeit von ÖPP-Projekten | |
ist aus meiner Sicht weiterhin nicht gewährleistet.“ | |
## Zunächst eine gute Idee | |
Worum geht es bei ÖPP? Eigentlich soll die ÖPP Deutschland AG Kommunen | |
neutral beraten, ob bei ihren Bauvorhaben womöglich eine ÖPP-Variante einer | |
konventionellen vorzuziehen ist. | |
Die Idee von ÖPP klingt zunächst gut. Die Privatwirtschaft plant, | |
finanziert und bewirtschaftet für den Staat ein Infrastrukturprojekt. Es | |
handelt sich also um Teilprivatisierungen. Der Staat mietet dann über | |
Jahrzehnte das so entstandene Gebäude zurück. | |
Er zahlt nicht auf einen Schlag, sondern gestückelt. Kommunen können also | |
investieren, selbst wenn der Kämmerer die ganze Summe nicht aufbringen | |
kann. Und die Unternehmen freuen sich über lange Vertragslaufzeiten mit | |
einem Schuldner, der höchste Bonität genießt. | |
## Wohlbegründete Geheimniskrämerei | |
Erster Haken: Die Verträge gelten als unternehmerische | |
Geschäftsgeheimnisse. Aus Wettbewerbsgründen bleiben sie selbst für | |
diejenigen Abgeordneten geheim, die dafür ihre Hand heben mussten. Und | |
diese Geheimniskrämerei ist – zweiter Haken – wohlbegründet. Denn bislang | |
haben sämtliche Rechnungshöfe diese Art der Projektfinanzierung moniert: | |
teuer, dubios, ineffizient. | |
Doch die Expertise der Rechnungshöfe ficht Kommunen und Bund nicht an. Denn | |
ÖPP hat den entscheidenden Vorteil: Die Investition taucht im Haushalt nie | |
als Schulden auf, sondern als Mietausgaben. So können sich Bürgermeister | |
bei ihren Gemeindemitgliedern beliebt machen und die marode Infrastruktur | |
sanieren – trotz Schuldenbremse (siehe Kasten). | |
„Wenn es darum geht, Schulden wegzurechnen, wird ohnehin viel mit Tricks | |
gearbeitet“, sagt Werner Rügemer. Er beschäftigt sich als Publizist seit | |
Jahren mit dem Thema. Seiner Auffassung nach fördert die Bundesregierung | |
die Bildung von Schattenhaushalten. | |
## Ein Banker als Gründer | |
Mit am Werke sind die Profiteure solcher Schattenhaushalte. Banken, die mit | |
Krediten Geld verdienen. Denn der private Investor verkauft bei einem der | |
üblichen Modelle die Mietschulden des Staates an eine Bank. Die wiederum | |
bastelt daraus ein Infrastrukturfonds. So wird öffentliches Gut zum | |
Anlageobjekt. | |
Und so ist es nicht erstaunlich, dass einer der Erfinder der ÖPP | |
Deutschland AG – Klaus Droste – ein Topmanager der Deutschen Bank war. | |
Damit wirbt die Gesellschaft allerdings nicht. Das Bundesfinanzministerium | |
(BMF) und das Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung | |
(BMVBS) firmieren als Initiator der Gesellschaft. Das soll Vertrauen | |
spenden, wie eine Art Gütesiegel wirken. | |
In einem Strategiepapier, das der taz vorliegt, nennt Droste im Februar | |
2007 die „enge Anbindung an das BMF (und an das BMVBS) entscheidend“. Eine | |
solche Beratungsgesellschaft des Bundes sei nötig, denn das „Image von PPP | |
in der Öffentlichkeit ist eher negativ“. „Mandatiert“ für die Konzeption | |
der Beratungsgesellschaft wurde daher neben der Deutschen Bank auch | |
McKinsey. „Hier wurde auf eine Ausschreibung verzichtet, weil wir […] | |
schnell in die Projektarbeit starten wollten“, heißt es in dem Papier. | |
Rügemer sagt: „Die ÖPP Deutschland AG ist nicht neutral“. | |
## Wie ein markengebundener Autohändler | |
Anton Hofreiter, der Vorsitzende des Ausschusses für Verkehr, Bau und | |
Stadtentwicklung, hält schon die Konstruktion der ÖPP Deutschland AG für | |
fragwürdig. Sie ähnele einem Mercedes-Händler, der vorgebe, Käufer objektiv | |
über Mobilitätskonzepte zu beraten, sagt er. Tatsächlich sei „die ÖPP | |
Deutschland AG de facto eine ÖPP-Promotionsgesellschaft“. Die ÖPP | |
Deutschland AG ist mit ihren privaten Anteilseignern schließlich selbst als | |
eine ÖPP konstruiert. Und auch der Mercedes-Händler werde eher selten die | |
Vorzüge eines VW oder der Bahn in den Vordergrund stellen. | |
Kürzlich fragte Hofreiter die Bundesregierung, welche Schlussfolgerung sie | |
aus einem umfassenden Bericht des Haushaltsausschusses des britischen | |
Unterhauses ziehen werde. New Labour forcierte ehedem die | |
Teilprivatisierung. In Großbritannien existieren also die ausführlichsten | |
Erfahrungen zu ÖPP. Die Bilanz ist vernichtend. | |
Demnach müssten die britischen Steuerzahler für derzeit neu geschaffene | |
PPP-Projekte 70 Prozent mehr bezahlen als bei einer staatlich | |
Finanzierungsvariante. Die Antwort des Finanzstaatssekretärs Gatzer: „Die | |
Bundesregierung hat das britische ÖPP-Modell nicht als Vorbild adaptiert.“ | |
## Aus allen Wolken gefallen | |
Interne Papiere des Bankers Droste belegen das Gegenteil. Er schreibt zur | |
Gründung der neuen Gesellschaft 2007: „Das in Großbritannien seit etwa 10 | |
Jahren erfolgreich praktizierte Modell der Partnerships UK plc (PUK) steht | |
Pate für ein solches Modell.“ Die Verschleierung des Staatssekretärs | |
dürften auch bei einigen Mitarbeitern in den Ministerien für Überraschung | |
gesorgt haben, die durch den Bericht des britischen Unterhauses aus allen | |
Wolken gefallen sein sollen, sagt einer, dem das berichtet wurde. | |
Ohnehin müsste Staatssekretär Gatzer es besser wissen. Denn er war ja beim | |
finalen Treffen der Bank-Lobbyisten um Droste selbst zugegen. Die Herren | |
trafen sich am 12. Juni 2007 in der KfW-Bankengruppe. Es ging auch darum, | |
wie die Gründung der ÖPP Deutschland AG vermittelt werden könnte. | |
Gatzer regt dazu laut Protokoll an, „den Finanzplanungsrat Ende Juni 07 als | |
Basis zur Kommunikation zu nutzen“. Der Staatssekretär werde den Lobbyisten | |
dafür auch „Kommunikationsmaterial zur Verfügung stellen“. | |
Jetzt beantwortet Werner Gatzer kritische Fragen der Abgeordneten zur | |
Befangenheit jener ÖPP Deutschland AG. Die AG habe die „öffentliche Hand | |
objektiv, ergebnisoffen und neutral beraten.“ Werner Rügemer spricht von | |
einer „Komplizenschaft des Staates“. Die Ministerialen hätten sich den | |
„Maximen und Tricksereien der privaten Seite vollständig angepasst“. | |
Die Bundesregierung beharrt denn auch darauf: ÖPP-Projekte konnten „zur | |
vollen Zufriedenheit der öffentlichen Hand vorwärtsgebracht werden“. Nach | |
der Sommerpause wird es wohl eine öffentliche Anhörung zu dem Thema geben. | |
Der Banker Droste erhoffte sich 2007 von der ÖPP Deutschland AG Profit: | |
„Wir sehen dies als Chance, dem PPP-Geschehen in Deutschland neue Dynamik | |
zu verleihen.“ Der Stratege behielt recht: Im Mai verkündet die ÖPP | |
Deutschland AG: „ÖPP-Investitionsvolumen nahm 2011 gegenüber Vorjahr um 200 | |
Prozent zu.“ Die Summe wird auf 1,15 Milliarden Euro beziffert. Doch der | |
Markt ist wohl viel größer. Das Deutsche Institut für Urbanistik beziffert | |
den öffentlichen Investitionsbedarf bis 2020 auf über 700 Milliarden Euro. | |
Ein gedeckter Tisch für hungrige Banker, Berater und Baufirmen. | |
3 Jul 2012 | |
## AUTOREN | |
Kai Schlieter | |
## TAGS | |
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Strafvollzug | |
Finanzen | |
Philipp Rösler | |
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