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# taz.de -- Debatte Öffentlich-Private Partnerschaften: Die Finanzierungsfalle
> Projekte der öffentlichen Hand werden zunehmend über Öffentlich-Private
> Partnerschaften (ÖPP) finanziert. Vorsicht ist geboten, denn das kann
> teuer werden.
Bild: Nur auf der Terasse? Eigentlich überall, wenn es nach den Apologeten der…
Öffentlich-Private Partnerschaften (kurz ÖPP) sind in den vergangenen
Jahren immer stärker kritisiert worden. In der Regel wird vermutet, dass
sie ein Produkt neoliberaler Ideologie sind und keinerlei Vorteile für den
Staat bringen. Wenn die politischen Entscheidungsträger nicht ideologisch
verblendet wären, würden sie dieses Konzept fallen lassen.
Diese Kritik übersieht die großen politökonomischen Vorteile und den
handfesten Nutzen für die aktuellen Entscheidungsträger. Dazu muss geklärt
werden, wie Öffentlich-Private Partnerschaften in der Regel angewendet
werden.
Die meisten Projekte finden sich auf kommunaler Ebene im Hochbau und auf
Bundesebene im Autobahnausbau nach dem sogenannten A-Modell. Auf kommunaler
Ebene ist auffallend, dass es in Bundesländern mit großen Schwierigkeiten
in den kommunalen Haushalten wie etwa Nordrhein-Westfalen mehr ÖPP-Projekte
gibt als in Ländern mit stabilerer Kommunalfinanzierung wie
Baden-Württemberg.
## 30 Jahre Einnahmen
Wie funktioniert ein A-Modell? Der Staat tritt bei diesem Ausbauprojekt der
Bundesregierung die Einnahmen aus der Lkw-Maut für die nächsten 30 Jahre
ab, der Private übernimmt dafür Ausbau, Unterhalt und Betrieb des
Autobahnabschnittes. Das dafür nötige Kapital leihen sich die Baufirmen bei
Geschäftsbanken.
Der Vorteil für die Baufirma ist offensichtlich. Sie bekommt einen lange
laufenden Vertrag mit regelmäßigen Einnahmen für die nächsten 30 Jahre. Der
Vorteil für die Geschäftsbank ist auch klar: Sie erhält höhere Zinsen als
aus Bundesanleihen. Und nicht zuletzt erhalten Berater und Rechtsanwälte
ein weites Betätigungsfeld.
Angeblich umfasst der Vertrag zwischen Staat und privatem Konzessionär für
die Erweiterung der Autobahn A1 zwischen Hamburg und Bremen mehr als 30
Ordner. Als Vorteil für den Staat gilt die Logik: Wenn dasselbe
Unternehmen, das die Straße baut, für die nächsten Jahrzehnte auch den
Unterhalt leisten muss, baut es schon aus Eigeninteresse keinen Murks.
Klingt zunächst einmal vernünftig.
Fragt man als Parlamentarier nach Details und Wirtschaftlichkeit des
Projekts, bekommt man ausweichende Angaben und Antworten. Sämtliche
Unterlagen sind plötzlich Betriebsinterna und Geschäftsgeheimnisse. Sie
können, wenn überhaupt, nur in der Geheimschutzstelle des Bundestags
eingesehen werden. Und finanziell geht es dabei auch nicht um kleine
Beträge.
Die Volumina der Konzessionsverträge schwanken auf Bundesebene bei den
A-Modellen zwischen 400 Millionen und 1 Milliarde Euro, inzwischen sind
sogar Projekte im Umfang von mehreren Milliarden Euro vergeben. Der
Bundesrechnungshof bezweifelt die Wirtschaftlichkeit, die
Landesrechnungshöfe warnen vor den Risiken, und die Kommunen ächzen über
die hohen Mietverpflichtungen. Die öffentliche Debatte hinterfragt
Lobbyeinfluss, Transparenzmangel und langfristige Kosten.
## Teurer als Ausschreibung
Der Eindruck verdichtet sich, dass die Projekte in ihren Gesamtkosten den
Staat und die Gesellschaft teurer kommen als die klassische Ausschreibung.
Warum sind Projekte in Öffentlich-Privaten Partnerschaften in der Politik
dann so beliebt?
Neben den auch vorhandenen ideologischen Gründen liegt der handfeste Nutzen
für die politischen Akteure auf der Hand: Bürgermeister(in),
Landrat/-rätin, Verkehrsminister(in) bekommen "ihre" Rathäuser,
Schwimmbäder und Autobahnen sofort. Dazu noch ein scheinbar modernes
Finanzierungskonzept.
Sorge für den baulichen Zustand und die Unterhaltung tragen private Träger.
Der aktuelle Haushalt wird nur minimal belastet. Die Verschuldung erhöht
sich offiziell nicht, denn nur die Baufirma verschuldet sich.
Aber Vorsicht ist geboten. Für die öffentliche Hand ist es egal, ob sie
sich verschuldet oder ihre Einnahmen verpfändet. "Öffentlich-Private
Partnerschaft" klingt nur viel besser und moderner als "Schulden". Für
überschuldete Kommunen ist der große Vorteil, dass die Kommunalaufsicht ein
ÖPP-Projekt genehmigt, denn die Städte machen formal keine neuen Schulden,
sie zahlen "nur" hohe Mieten.
Wenn sich dann herausstellt, dass das ganze Projekt am Ende für den Staat
viel teurer ist oder die finanziellen Spielräume sehr stark eingeschränkt
sind, regiert längst ein(e) andere(r) Bürgermeister, ein anderer Landrat
bzw. eine Landrätin, oder ein(e) andere(r) Verkehrsminister(in).
Die ungleiche Verteilung der Vorteile und Kosten für die öffentliche Hand
über die Laufzeit des ÖPP-Projekts vor dem Hintergrund des demokratisch
wünschenswerten regelmäßigen Wechsels der Politiker hat zur Folge, dass der
Staat strukturell benachteiligt ist. Das heißt, die jetzigen Amtsträger
haben die Vorteile, die zukünftigen die Kosten.
## Der Kontrolle entzogen
Die strukturelle Schwäche des Staates wird noch massiv verstärkt durch die
umfassende Geheimhaltung. Auf Bundesebene sind nicht nur die Verträge
geheim, sondern bereits die Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen darüber, ob
ein PPP Projekt finanziell sinnvoll ist oder nicht. Damit sind sie der
parlamentarischen und öffentlichen Debatte und Kontrolle entzogen.
Welche Mindestforderungen sind deshalb zu erheben? Die Wirtschaftlichkeit
eines Projekts muss über den gesamten Lebenszyklus und nicht nur für den
Konzessionszeitraum nachgewiesen sein.
In die Gesamtbetrachtung sind deshalb nicht nur alle Transaktionskosten und
Finanzierungskosten einzubeziehen, sondern auch zukünftige
Unterhaltungskosten. Die bei ÖPP-Projekten eingegangenen finanziellen
Verpflichtungen müssen klar als Verschuldung der öffentlichen Hand
transparent gemacht werden. Das heißt, ÖPP-Projekte sind nicht nur während
der gesamten Vertragslaufzeit im Haushalt darzustellen. Die Belastung für
die Haushalte muss auch für die zukünftige Infrastrukturplanung deutlich
erkennbar sein.
Da stellt sich die Frage, wie viele Projekte nur bei Einhaltung dieser
beiden Kriterien als PPP realisiert würden. Die Anzahl dürfte sehr
überschaubar sein.
12 Feb 2012
## AUTOREN
Anton Hofreiter
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