| # taz.de -- Ku-Klux-Klan-Affäre: Wie der KKK nach Schwaben kam | |
| > Ein Neonazi-Sänger konnte in ganz Deutschland Mitglieder für den | |
| > rassistischen Geheimbund rekrutieren, darunter zwei Polizisten. Erfahren | |
| > sollte das niemand. | |
| Bild: Der Ku-Klux-Klan in Aktion. 2011 in Virginia, USA. | |
| BERLIN taz | Glocken läuten. Es klingt wie bei „Hells Bells“ von AC/DC. | |
| Doch dann hört man eine tiefe Stimme, die auf Englisch brummt: „Arische | |
| Krieger der weißen Rasse, befreit eure Länder!“ Es folgen harte | |
| Gitarrenriffs, über die Neonazis im Chor „White Power“ grölen. | |
| Der lärmige Rassistenrock der schwäbischen Band „Celtic Moon“ wäre wohl … | |
| immer in Archiven über die rechtsextreme Szene verstaubt. Doch wegen einer | |
| erst vorige Woche bekannt gewordenen Affäre um zwei Polizisten, die in | |
| einer deutschen Sektion des Ku-Klux-Klan mitmischten, wird die CD nun | |
| unerwartet interessant. | |
| Im Begleitheft des um die Jahrtausendwende aufgenommenen Machwerks ist | |
| „Celtic Moon“- Frontmann Achim S. abgebildet. Der einstige Metzgerlehrling | |
| trägt auf dem Foto ein T-Shirt mit einem weißen Kreuz auf rotem Grund, in | |
| der Mitte prangt ein Blutstropfen – es ist das Logo des Ku-Klux-Klan. | |
| Jener Achim S. ist der Mann, der den pseudochristlich-rassistischen | |
| Geheimbund vor zwölf Jahren nach Schwaben gebracht haben soll. Laut | |
| interner Akten des Landesamts für Verfassungsschutz ist er im Herbst 2000 | |
| bei einem Treffen des Ku-Klux-Klan im US-Bundesstaat Mississippi zum | |
| Anführer („Grand Dragon“) eines eigenen Ablegers ernannt worden. In | |
| Deutschland soll er dann im ganzen Bundesgebiet Mitglieder für die | |
| „European White Knights of the Ku Klux Klan“ rekrutiert haben. Ihr Ziel: | |
| „Der Erhalt der Zukunft des weißen Europäers.“ | |
| Gleich mehrere später in der NPD aktive Neonazis sollen in der rund 20 Mann | |
| und Frau starken Truppe mitgemischt haben, außerdem ein erfolgreicher | |
| American-Football-Spieler – und eben zumindest zwischenzeitlich die zwei | |
| Beamten der Bereitschaftspolizei im schwäbischen Böblingen. | |
| ## Klan-Aufnahme in einer Ruine | |
| In internen Vernehmungen schilderten die Polizisten einige Jahre später die | |
| Aufnahme in den Klan an einer Ruine in der Nähe von Schwäbisch Hall. Dort, | |
| in der beschaulichen 40.000-Einwohner-Kleinstadt im Kochertal, wohnte | |
| damals der Anführer Achim S., der sich innerhalb des Geheimbunds laut | |
| Zeugen Reverend Ryan Davis nannte. | |
| Seit die Affäre vergangene Woche bekannt wurde, herrscht in | |
| Baden-Württemberg Aufregung. „Polizisten sollten noch nicht einmal die Nähe | |
| zu einer Organisation wie dem Ku-Klux-Klan suchen“, sagt der Böblinger | |
| Bundestagsabgeordnete Clemens Binninger von der CDU, der vor seiner Zeit in | |
| der Politik selbst einmal Kommissar war. „Das ist mit nichts zu | |
| entschuldigen.“ | |
| Im Umland von Schwäbisch Hall schwärmen derweil die Reporter aus, um die | |
| Ruine ausfindig zu machen, an der es vor gut zehn Jahren zu den bizarren | |
| Ritualen des deutschen Klan-Ablegers gekommen sein soll. Bei Kerzenschein | |
| und vor einem Holzkreuz, so räumte einer der Polizisten später intern ein, | |
| habe er mit einem Blutstropfen dem Geheimbund die Treue geschworen. Der | |
| andere berichtete, er habe sich hinknien müssen und sei dann zum „Ritter“ | |
| des Ku-Klux-Klan geschlagen worden – angeblich mit einem Deko-Schwert aus | |
| dem Möbelhaus. | |
| Bisher war die Stadt nordöstlich von Stuttgart für ihre Fachwerkhäuser, die | |
| niedrige Arbeitslosenrate, leckere Landschweine und die Bausparkasse | |
| bekannt – nun droht ihr Ruf am Intermezzo des rassistischen Geheimbunds | |
| Schaden zu nehmen. Kein Wunder, dass man in der Stadt alles andere als | |
| amüsiert ist, auch wegen der Informationspolitik der Behörden. „Wir haben | |
| davon erst jetzt aus der Zeitung erfahren“, lässt der Oberbürgermeister | |
| Schwäbisch Halls, Hermann-Josef Pelgrim von der SPD, ausrichten. „Es wäre | |
| schön gewesen, wir wären schon damals von den Behörden informiert worden.“ | |
| ## Über Jahre dichtgehalten | |
| Doch sowohl der Verfassungsschutz in Baden-Württemberg als auch die | |
| Bundesbehörde in Köln hielten es all die Jahre noch nicht mal für | |
| notwendig, in einem ihrer Jahresberichte auch nur zu erwähnen, dass die | |
| „European White Knights of the Ku Klux Klan“ in Deutschland gut zwei Jahre | |
| lang ihr Unwesen trieben; dass dort zwischenzeitlich zwei Polizisten | |
| mitmischten, erfuhr die Öffentlichkeit erst recht nicht. Auch der frühere | |
| Landespolizeichef wusste früh Bescheid – und hielt über die Jahre dicht. | |
| Die Affäre kam nur durch Zufall ans Licht: wegen der Ermittlungen zur | |
| rechtsextremen Terrorgruppe „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU). Die | |
| beiden ehemaligen Ku-Klux-Klan-Mitglieder waren Kollegen der mutmaßlich von | |
| den NSU-Terroristen am 25. April 2007 an der Heilbronner Theresienwiese | |
| ermordeten Polizistin Michèle Kiesewetter. Der jüngere der zwei heute 42 | |
| und 31 Jahre alten Polizisten war sogar Gruppenführer von Kiesewetter in | |
| der Beweissicherungs- und Festnahmeeinheit 523, ab und an gingen sie | |
| gemeinsam in Kneipen und Diskos. Er war auch am Tag von Kiesewetters | |
| Ermordung mit in Heilbronn und hielt sich nur wenige hundert Meter vom | |
| Tatort entfernt am Bahnhof auf. | |
| Das nährt neue Spekulationen – denen die in dem Mord ermittelnde | |
| Bundesanwaltschaft in Karlsruhe aber nicht eindeutiger entgegentreten | |
| könnte. Eine Verbindung zum KKK oder gar eine Verwicklung der | |
| Polizeibeamten in die Taten der rechten Terrorgruppe hält man dort für | |
| ausgeschlossen. Verdächtigt werden die NSU-Mitglieder. Und sonst niemand. | |
| ## Im Dienst geblieben | |
| Als Skandal bleibt aber, dass zwei Polizisten sich überhaupt in einem | |
| rassistischen Geheimbund tummelten und sie, nachdem das aufflog, trotzdem | |
| im Dienst bleiben durften. | |
| Bei internen Ermittlungen hatten sie behauptet, sie seien in der Hoffnung | |
| auf neue Freunde, hübsche Frauen und eine Gemeinschaft in „netter Runde“ | |
| zum Ku-Klux-Klan gekommen. Die Beschäftigung mit der Bibel und das | |
| Mystische habe sie angelockt. Von einer Art „Kirchenersatz“ war die Rede. | |
| Dass der Geheimbund rassistisch ist, wollen sie dagegen zunächst gar nicht | |
| bemerkt haben, sondern erst als ein Neonazi mit Hitler-Tattoos zu einem der | |
| Treffen in Schwäbisch Hall auftauchte. Kurz darauf will der eine Polizist | |
| aus dem Geheimbund ausgestiegen sein, der andere wenige Monate später. | |
| Trotz dieser abenteuerlichen Geschichte kamen die beiden Polizisten in | |
| ihren Disziplinarverfahren glimpflich davon: Sie wurden gerügt, mehr nicht. | |
| Der jüngere der beiden wurde vergangenes Jahr sogar befördert. „Es ist für | |
| mich unbegreiflich, dass man es in dem Fall bei einer Rüge belassen hat“, | |
| schimpft der Landeschef der Gewerkschaft der Polizei, Rüdiger | |
| Seidenspinner. „Extremisten haben in der Polizei nichts zu suchen.“ Die | |
| beiden Beamten selbst sind nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. | |
| Der baden-württembergische Innenminister Reinhold Gall von der SPD verlangt | |
| nun nicht nur einen Bericht des Landespolizeipräsidenten über die | |
| Vorkommnisse in der Böblinger Bereitschaftspolizei, sondern will landesweit | |
| möglichen extremistischen Aktivitäten innerhalb der Polizei nachgehen – | |
| eine Ansage, die zeigt, wie ernst die grün-rote Landesregierung den Vorfall | |
| nimmt. | |
| ## Seit 2003 keine Aktivitäten mehr | |
| Die Auslöser der ganzen Aufregung, die „European White Knights of the Ku | |
| Klux Klan“, haben sich freilich schon längst aufgelöst. Von 2003 an hat der | |
| Verfassungsschutz in Deutschland keine Aktivitäten der Truppe mehr | |
| feststellen können. | |
| Ihr früherer Anführer, der heute 36 Jahre alte Achim S., ist später nach | |
| Norddeutschland gezogen und hat mit seinem Leben in der rechtsextremen | |
| Szene anscheinend abgeschlossen. Er habe sich weltanschaulich von seinen | |
| „wilden Jahren“ entfernt, schreibt er. | |
| Musik macht der Mann zwar immer noch, aber mit rassistischem | |
| White-Power-Rock haben seine Lieder nichts mehr zu tun. Er singt jetzt | |
| schnulzige Balladen über Sternschnuppen und die Vergänglichkeit der Liebe | |
| und des Lebens. | |
| 10 Aug 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Wolf Schmidt | |
| Wolf Schmidt | |
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