# taz.de -- Kommentar Musik-Tauschbörsen: Noch mehr Abmahnungen | |
> Der Bundesgerichtshof erlaubt generell Auskunftsansprüche bei | |
> Musikpiraterie und blamiert damit die Bundesregierung. Es muss endlich | |
> eine Lösung der Urheberrechtsfrage her. | |
Bild: Wer hat das Recht an einem Musikstück? Es muss dringend eine Lösung der… | |
Das Versprechen der Politik war eindeutig. Nur wenn jemand im „gewerblichen | |
Ausmaß“ illegal Musik im Internet anbietet oder herunterlädt, müssen ihn | |
die Internetfirmen auf Anfrage verpfeifen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat | |
nun aber festgestellt, dass es darauf nicht ankommt. Schon ein einzelner | |
illegal angebotener Song genüge, so die Richter. Eine Blamage für die | |
damalige große Koalition. | |
Seit 2008 können Musikfirmen direkt bei der Deutschen Telekom und anderen | |
Internetfirmen nachfragen, wer illegal Musik in Tauschbörsen anbietet und | |
nachfragt. Die Gesetzesänderung war umstritten, weil hier auch in das | |
Grundrecht der Telekommunikationsfreiheit eingegriffen wird. Die damalige | |
Justizministerin Brigitte Zypries (SPD) versicherte deshalb, der neue | |
Auskunftsanspruch ziele nicht auf gelegentliche Jugendverfehlungen ab, es | |
müsse schon ein „gewerbliches Ausmaß“ an Rechtsverletzungen vorliegen. | |
Dem sind bisher auch die meisten Gerichte gefolgt. Doch der | |
Bundesgerichthof hat das Gesetz nun genau gelesen und festgestellt, dass | |
die Beschränkung dann nicht gilt, wenn die Rechtsverletzung | |
„offensichtlich“ ist. Das ist keine bösartige Auslegung, sondern solides | |
juristisches Handwerk. Die Bundesregierung dagegen hat geschlampt. | |
Das ist um so peinlicher, weil die Politik beim Urheberrecht eh schon stark | |
unter Druck steht. Viele Internetnutzer, die mit Musiktauschbörsen groß | |
geworden sind, finden es völlig unverhältnismäßig, wie die Plattenfirmen | |
Filesharer mit teuren Abmahnungen überziehen. Wenn es dann nicht einmal | |
gelingt, versprochene Grenzen in ein Gesetz einzubauen, dann steigt die | |
Aversion gegen das Urheberrecht umso mehr. Der BGH-Beschluss wird die Zahl | |
der Abmahnungen jedenfalls weiter in die Höhe schnellen lassen. | |
## Was fällt unter „gewerbliches Ausmaß“? | |
Die derzeitige Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) | |
könnte sich also überlegen, ob sie das Malheur ihrer Vorgängerin nun | |
postwendend ausbügelt. Im Urhebergesetz müsste dann klargestellt werden, | |
dass die Musikfirmen nur dann bei Internetfirmen nachfragen dürfen, wer | |
hinter einer IP-Adresse steht, wenn dies der Aufklärung von | |
Rechtsverletzungen „im gewerblichen Ausmaß“ dient. Viel wäre damit jedoch | |
nicht gewonnen. Denn die Gerichte haben in den letzten Jahren den | |
Auskunftsanspruch eh schon stetig ausgeweitet. | |
Auch das Angebot eines einzelnen Songs könne schon „gewerbliches Ausmaß“ | |
haben, hieß es – wenn der Song ganz neu auf dem Markt war oder hoch in den | |
Charts stand. Ähnliches galt für Filme. Die Internetfirmen müssen deshalb | |
jetzt schon rund 300.000 mal pro Monat über Musik- und Filmpiraten Auskunft | |
geben. | |
Eine Lösung des Konflikts liegt wohl nicht in neuen Verfahrensvorschriften, | |
die den Filesharern anonyme und damit straflose Urheberrechtsverletzungen | |
ermöglichen. Entweder es gelingt der Musikwirtschaft, genug attraktive und | |
preisgünstige legale Download-Angebote zu etablieren, so dass die illegalen | |
Tauschbörsen mittelfristig an Reiz verlieren. | |
Oder die Politik muss das Urheberrecht doch an die neue Zeit anpassen, | |
indem Tauschbörsen legalisiert und nur noch eine monatliche Abgabe | |
(„Kulturflatrate“) bezahlt wird. Die Verteilung der Gelder aus so einer | |
Flatrate wird dann aber so kompliziert und streitanfällig, dass man gut | |
verstehen kann, warum die etablierte Politik den radikalen Systemwechsel im | |
Urheberrecht nicht für ein Patentrezept hält. | |
11 Aug 2012 | |
## AUTOREN | |
Christian Rath | |
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