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# taz.de -- Googles Autovervollständigung: Wenn Algorithmen tratschen
> Nach der Klage von Bettina Wulff steht die Frage im Raum: Muss Google für
> die Autocomplete-Funktion die redaktionelle Verantwortung übernehmen?
Bild: So sieht's halt aus.
Es ist eine besondere Lektion in Sachen Öffentlichkeit, die die Frau des
ehemaligen Bundespräsidenten mit ihrer Klage gegen Google verursacht hat:
Gab es vorher noch viele, die von den Gerüchten um ihre Vergangenheit
nichts gehört hatten, scheint es nun niemanden mehr zu geben, der nicht
mehr Bescheid weiß. Die mediale Berichtswelle flankiert durch Interviews
und Buchveröffentlichung trug das Thema auf die Titelseiten: Sex, Politik,
Prominenz – so werden Schlagzeilen gemacht.
Gleichzeitig hat sich das Problem verschärft: Musste man vorher in die
Suchzeile noch den vollen Namen von Bettina Wulff eingeben, um
Suchvorschläge wie „Prosituierte“ und „Escort“ zu bekommen, reichen Go…
Algorithmen heute schon die Buchstaben „be“, um den vielleicht ganz und gar
nicht neugierigen Internetsurfern Suchergebnisse zum Thema „bettina wulff
prostituierte“ vorzuschlagen.
Und infolgedessen springt inzwischen auch der Bundesdatenschutzbeauftragten
Peter Schaar Wulff zu Hilfe: „Ich halte es für recht und billig, wenn
Betroffene auch die Möglichkeit haben, bei Eingabe ihres Namens als
Suchbegriff ehrverletztende Assoziationen auszuschließen, über die auch die
Medien nicht berichten dürfen“, sagte Schaar der Passauer Neuen Presse.
Google hingegen stellt sich auf den Standpunkt, dass man nichts falsch
gemacht habe und daher nichts korrigieren müsse. Die Vorschläge spiegelten
lediglich wieder, was die Besucher der Suchmaschine sowieso suchen. Die
Google-Funktionen basierten auf objektiven Kriterien, die Google in seinem
geheimen Algorithmus kombiniert habe, um das optimale Sucherlebnis zu
schaffen. Oder anders ausgedrückt: Google sieht sich in diesem Fall als
Echo, das nur wiedergibt, was schon vorher von anderen in den Raum gerufen
wurde.
Doch einige Juristen sehen hier eine Grenze überschritten. So [1][erklärt]
der Regensburger Juraprofessor Henning Ernst Müller: „Ich bin der Ansicht,
Google sollte sein Autocomplete entweder komplett abschalten, oder dafür
auch die redaktionelle Verantwortung übernehmen.“ Das kommt hingegen auf
das Gleiche hinaus: Alle Suchbegriffe ständig auf vermeintlich
ehrverletzende Äußerungen zu untersuchen, ist kaum möglich.
## Google editiert schon jetzt
Müller hält dieser Erwägung jedoch entgegen, dass Google längst Eingriffe
an den Suchvorschlägen vornehme: So wurde der Konzern durch langjährige
Prozesse gezwungen, beispielsweise die Suchvorschläge nach
„torrent“-Dateien zu unterdrücken, die zum illegalen Dateientausch genutzt
werden können. Doch kann eine gerichtlich erzwungene Einschränkung die
nächste nach sich ziehen, bis schließlich jeder alle Suchergebnisse nach
Belieben löschen kann?
Auf die Seite von Google schlägt sich beispielsweise der Fachanwalt für
IT-Recht Thomas Stadler. Er führt ein [2][Urteil des Oberlandesgerichts
Hamburg an], in dem es die Richter ablehnten, der Suchmaschine zu
verbieten, für den Klager ehrverletztende Suchergebnisse anzuzeigen. Bei
den Suchvorschlägen müssten die Richter dementsprechend den Kontext
würdigen, in dem die Worte auftauchen, die die Klägerin verbieten wolle.
Die Google-Suche nach diesen Worten fördert jedoch viele Treffer, die eben
jenen Gerüchten widersprechen. „Wenn also die Annahme zutreffend ist, dass
Google mit seiner Autocomplete-Funktion die Verbreitung von Verleumdungen
fördert, müssten insbesondere die ersten Treffer, also Focus und Zeit,
persönlichkeitsrechtsverletzende Inhalte aufweisen“, schreibt Stadler.
In der Medienwelt von gestern noch einfach zu entscheiden, wer für welche
Inhalte verantwortlich zeichnete – im Impressum einer Print-Zeitung steht,
wer „V.i.S.d.P“, also wer „verantwortlich im Sinne des Presserechts“ is…
Auf dem Bildschirm mischen sich jedoch die Zuständigkeiten: Der Artikel im
Browser kommt von einem Zeitungsverlag, die Werbung von einem
Werbdedienstleister, die Zusatzinfos eventuell von Mozilla, Microsoft oder
einem anderen Softwareanbieter. Dieses Gemenge wieder sorgfältig zu
trennen, benötigt wohl mehr als ein Urteil und wird Juristen auf Jahre
beschäftigen.
14 Sep 2012
## LINKS
[1] http://blog.beck.de/2012/09/08/fall-bettina-wulff-google-argumente-fragwuer…
[2] http://www.internet-law.de/2012/09/haftet-google-fur-seine-autovervollstand…
## AUTOREN
Torsten Kleinz
## TAGS
Algorithmus
Kartellklage
Besser
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