# taz.de -- BKA-Vize zum NSU befragt: „Eine bittere Erfahrung“ | |
> Der Vizechef des Bundeskriminalamts hat vor dem Bundestag Fehler bei den | |
> NSU-Ermittlungen eingeräumt. So sei zu früh ein rechtsextremes Motiv | |
> ausgeschlossen worden. | |
Bild: „Schockierend und erschreckend“: BKA-Vize Maurer über das Versagen s… | |
BERLIN dpa | Der Vizepräsident des Bundeskriminalamts, Jürgen Maurer, hat | |
Versäumnisse bei den Ermittlungen zur rechtsextremen Terrorzelle NSU | |
eingeräumt. „Ob der Ansatz, der gewählt wurde, ausreichend breit war, | |
darüber muss man nachdenken“, sagte Maurer am Donnerstag im | |
NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages. | |
Die Behörden hätten sich unter Umständen zu früh in ihrem Blick begrenzen | |
lassen und zu sehr auf die Hypothese konzentriert, hinter den Taten | |
steckten Strukturen der organisierten Kriminalität. Es gebe das | |
Grundproblem bei der Polizei, “dass wir zu schnell glauben, dass wir uns | |
auf eine Richtung festlegen müssen“. | |
Der Untersuchungsausschuss befasst sich seit Jahresbeginn mit den | |
Verbrechen der Neonazi-Terrorzelle NSU und den Ermittlungspannen bei deren | |
Aufdeckung. Dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) werden zwischen | |
den Jahren 2000 und 2007 zehn Morde an türkisch- und griechischstämmigen | |
Kleinunternehmern und einer Polizistin zur Last gelegt. Erst im November | |
2011 flog die Bande auf. Die Ermittler erkannten bis zuletzt den | |
rechtsextremen Hintergrund der Taten nicht. | |
Maurer bezeichnete es als schockierend und erschreckend, dass es über Jahre | |
nicht gelungen sei, die Morde, Bombenanschläge und Überfälle aufzuklären | |
und das Terrortrio aufzugreifen. Für ihn selbst sei das eine bittere | |
Erfahrung. Der 60-Jährige gehört seit 2010 zur BKA-Führung, zuvor war er | |
dort Abteilungsleiter für den polizeilichen Staatsschutz und später für | |
schwere und organisierte Kriminalität. | |
Das Bundeskriminalamt habe intensiv und mit viel Engagement ermittelt, | |
versicherte er. Einen rechtsextremen Hintergrund der Taten habe seine | |
Behörde nie ausgeschlossen. „Es gab bloß keine Spuren.“ Maurer sagte, er | |
selbst habe nach dem Nagelbombenanschlag vor einem türkischen Friseursalon | |
in Köln im Juni 2004 sofort als ersten, „fast schon vorurteilsbeladenen | |
Reflex“ an einen fremdenfeindlichen Angriff gedacht. „Was denn sonst?“, | |
fragte er. Die damals zuständigen Stellen hätten das aber vorschnell | |
ausgeschlossen. Bei dem Anschlag in der Keupstraße in Köln, der ebenfalls | |
auf das Konto des NSU gehen soll, waren damals 22 Menschen verletzt worden. | |
## Fremdenfeindliche Fanatiker? | |
Von einer rechtsterroristischen Organisation sei aber auch er zu der Zeit | |
nicht ausgegangen, räumte der BKA-Vizepräsident ein. Er habe lediglich | |
einen fremdenfeindlichen Fanatiker vermutet. „Ich habe falsch gelegen.“ | |
Wenn das BKA jemals ernste Hinweise auf den Nationalsozialistischen | |
Untergrund bekommen hätte, wären die Ermittler dem mit Nachdruck | |
nachgegangen, versicherte er. | |
Zu der Debatte von 2006, ob das BKA die Ermittlungen in dem Fall hätte an | |
sich ziehen sollen, sagte Maurer, er hätte dafür plädiert. Als die | |
Entscheidung anders ausgefallen sei, habe er dies aber voll mitgetragen. | |
Das BKA hatte das Bundesinnenministerium damals ersucht, die zentralen | |
Ermittlungen übernehmen zu können. Die Innenminister der Länder hatten die | |
Forderung aber abgewiesen. | |
Der Präsident des Bundeskriminalamtes, Jörg Ziercke, hatte das Vorgehen der | |
Ermittler bei seiner Befragung vor dem Ausschuss im vergangenen Juni im | |
Grundsatz verteidigt. Ziercke räumte damals zwar Fehler ein, ließ aber | |
offen, wo diese geschehen seien, und schob die Verantwortung indirekt auf | |
die Landesbehörden ab. | |
Ende November soll auch der frühere Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble | |
(CDU) vor dem Ausschuss aussagen. Die Befragung des heutigen | |
Bundesfinanzministers sei für den 30. November geplant, sagte der | |
Ausschussvorsitzende Sebastian Edathy (SPD) am Rande der Sitzung. Schäuble | |
war von 2005 bis 2009 Chef des Innenressorts. | |
25 Oct 2012 | |
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