# taz.de -- Bericht zur NSU-Schredderaffäre: Alles halb so wild | |
> Offenbar wurden mehr Akten mit NSU-Bezug geschreddert als bekannt. In | |
> einem Bericht des Innenministeriums wird abgewiegelt. | |
Bild: NSU-Akten, ungeschreddert. | |
BERLIN taz | Es wird eine kontroverse Sitzung im NSU-Ausschuss des | |
Bundestags werden, so viel steht fest. Denn widersprüchlicher könnten die | |
Aussagen im Vorfeld nicht sein. | |
Am Donnerstag will der Sonderbeauftragte des Innenministeriums seinen | |
Bericht über die Aktenschredder-Affäre im Bundesamt für Verfassungsschutz | |
abgeben. Wir erinnern uns: Weil unmittelbar nach Auffliegen der Terrorzelle | |
NSU im November in der Kölner Behörde sensible Akten über Thüringer | |
Neonazis vernichtet wurden und der langjährige Verfassungsschutzchef Heinz | |
Fromm über diesen Vorgang monatelang falsch informiert wurde, schmiss | |
dieser im Juli hin. Er habe sich von den eigenen Leuten hinters Licht | |
geführt gefühlt, sagte Fromm. | |
Licht ins Dunkel bringen sollte daraufhin Hans-Georg Engelke, ein | |
hochrangiger Beamter aus dem Bundesinnenministerium. Vor der | |
Ausschuss-Sitzung an diesem Donnerstag ist nun schon die Kernaussage des | |
Sonderbeauftragten in Sachen Schredder-Affäre bekannt geworden. Sie lautet: | |
alles halb so wild. | |
Der für die Aktenvernichtung verantwortliche Referatsleiter beim | |
Verfassungsschutz habe keine „Vertuschungsabsicht hinsichtlich grob | |
unprofessioneller, rechtswidriger oder krimineller Handlungen“ verfolgt, | |
heißt es in der Kurzfassung des Berichts. Er habe vielmehr „mit höchster | |
Wahrscheinlichkeit“ Bestände vernichtet, um Ärger zu vermeiden, da offenbar | |
einige der Akten schon über die vorgesehenen Fristen aufbewahrt worden | |
seien. | |
So ganz überzeugen kann das die Abgeordneten im Untersuchungsausschuss aber | |
noch nicht – zumal Engelke in seinem Bericht von mehr als 300 weiteren | |
Aktenordnern berichtet, die im Bundesamt für Verfassungsschutz zwischen dem | |
Auffliegen des NSU und einem erst im Juli verhängten Lösch-Moratorium für | |
den Bereich Rechtsextremismus noch im Schredder landeten. „Das ist für uns | |
alle eine komplett neue Information", sagte die SPD-Obfrau im | |
NSU-Untersuchungsausschuss, Eva Högl am Mittwoch. | |
Laut dem Sonderbeuftragten Engelke seien diese weiteren, jetzt erst bekannt | |
gewordenen Aktenlöschungen aber ebenfalls keine gezielte Aktion zur | |
Vertuschung möglicher Verbindungen zum NSU-Komplex gewesen, sondern | |
„routinemäßig“ erfolgt. „In den weitaus meisten Fällen kann eine | |
Querverbindung zu Personen aus dem Umfeld des NSU ausgeschlossen werden“, | |
heißt es in dem Bericht Engelkes. | |
In den meisten – aber eben nicht in allen. Und deshalb dürfte Engelke am | |
Donnerstag auch noch mit vielen kritischen Nachfragen zu rechnen haben. „Da | |
ist auf keinen Fall von einer Klärung zu sprechen“, sagte SPD-Frau Högl. | |
„Der Bericht überzeugt mich in der Sache überhaupt nicht.“ | |
18 Oct 2012 | |
## AUTOREN | |
Wolf Schmidt | |
## TAGS | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
Bundestag | |
Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) | |
Schwerpunkt Neonazis | |
Schwerpunkt Rechter Terror | |
## ARTIKEL ZUM THEMA | |
BKA-Vize zum NSU befragt: „Eine bittere Erfahrung“ | |
Der Vizechef des Bundeskriminalamts hat vor dem Bundestag Fehler bei den | |
NSU-Ermittlungen eingeräumt. So sei zu früh ein rechtsextremes Motiv | |
ausgeschlossen worden. | |
Eklat bei NSU-Untersuchungsausschuss: Parlamentarier gegen Apparat | |
Exverfassungsschützer Fritsche sorgt im NSU-Untersuchungsausschuss für | |
einen Eklat. Abgeordnete werfen ihm vor, Teil des Problems zu sein. | |
Account in Deutschland blockiert: Neonazis von Twitter halb gesperrt | |
Die Polizei forderte die Sperrung eines Neonazi-Accounts. Twitter reagierte | |
– allerdings nur in einem Land. Und das Verbot ist leicht zu umgehen. | |
Verfassungsschutz-Akten zum NSU: Minister wittert einen „Sumpf“ | |
Thüringen hat dem NSU-Ausschuss in Berlin all seine Akten geschickt. Der | |
Innenminister fürchtete, eigene Leute könnten sonst „Interessantes“ | |
verschwinden lassen. | |
Pannen bei NSU-Ermittlungen: Scheinheiliger Henkel | |
Der Innensenator entschuldigt sich, den Helfer der Terrorzelle verschwiegen | |
zu haben – schiebt die Schuld aber auf die Bundesanwaltschaft. | |
Kommentar Geheimdienst MAD: Salamitaktik statt Aufklärung | |
Der Ministerialapparat hat offenbar nicht verstanden, was vollständige | |
Aufklärung bedeutet. Es dürften weitere Details des Versagens im NSU-Fall | |
bekannt werden. | |
Angeblich rechter Polizist: Der V-Mann und der Schredder | |
Ein V-Mann behauptete, dass ein Polizist Neonazis im NSU-Umfeld Infos | |
steckte. Just über diesen Spitzel wurden beim Verfassungsschutz Akten | |
geschreddert. |