# taz.de -- Asylpolitikerin über Sinti und Roma: „Bleiberecht für den Winte… | |
> Die Polemik des Innenministers gegen Sinti und Roma hat das Ziel, die | |
> Visumpflicht für Serben und Mazedonier durchzusetzen, kritisiert die | |
> Asylpolitikerin Almuth Berger. | |
Bild: Hier halten: Bundesinnenminister Friedrich will die Visumspflicht für Me… | |
taz: Frau Berger, angesichts der wachsenden Zahl von Asylbewerbern aus | |
Serbien und Mazedonien spricht Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich | |
(CSU) von „Asylmissbrauch“ und droht, ihnen das Geld zu kürzen. Was halten | |
Sie davon? | |
Almuth Berger: Mich erinnert das fatal an die Asyldebatte Anfang der | |
Neunziger. Damals wie heute werden Flüchtlinge durch Politiker | |
kriminalisiert und als reine „Wirtschaftsflüchtlinge“ stigmatisiert, durch | |
Schlagworte wie „Asylmissbrauch“ wird die Debatte angeheizt. | |
Welche Absicht vermuten Sie hinter dieser Polemik? | |
Damals wurde die Debatte instrumentalisiert, um das Grundrecht auf Asyl | |
massiv einzuschränken. Heute geschieht das Gleiche mit dem Ziel, die | |
Visumpflicht für Serbien und Mazedonier durchzusetzen. Vermutlich auch, um | |
das Urteil des Bundesverfassungsgerichts nicht umsetzen zu müssen, nach dem | |
Asylbewerber ein Grundrecht auf das gesetzlich festgelegte Existenzminimum | |
haben. | |
Fliehen die Roma vom Balkan vor politischer Verfolgung? | |
In den Balkanstaaten sind Sinti und Roma umfassenden Diskriminierungen | |
ausgesetzt, die den Zugang zu Arbeit, Bildung und medizinischer Versorgung, | |
also ihren Existenzgrundlagen, massiv erschweren. Außerdem werden sie | |
regelmäßig Opfer rassistischer Übergriffe – so die Feststellung der | |
EU-Kommission gegen Rassismus und Intoleranz. Das alles können sehr wohl | |
Asylgründe sein, die geprüft werden müssen. Es ist kein „Asylmissbrauch“, | |
wie er ihnen pauschal vorgeworfen wird. | |
Wie sollte Deutschland mit den Romaflüchtlingen vom Balkan umgehen? | |
Diese Menschen sollten wie alle anderen Flüchtlinge auch eine Chance haben, | |
ihren Asylantrag vorzubringen, und nicht auf ein Schnellverfahren verwiesen | |
werden, wie es jetzt von Unionspolitikern gefordert wird. Im Asylverfahren | |
wäre zu prüfen, ob Diskriminierungen vorliegen, die ihre Existenz | |
gefährden. Eine Alternative wäre, Roma aus diesen Staaten ein humanitäres | |
Bleiberecht bis zum Ende des Winters einzuräumen. Und natürlich sollte die | |
Bundesregierung auf diplomatischem Wege in den Herkunftsländern die Achtung | |
der Minderheitenrechte anmahnen. | |
In vielen Orten Deutschlands wehren sich Bürger dagegen, dass in ihrer | |
Nachbarschaft Asylbewerberheime eingerichtet werden. Oft wird die Angst vor | |
der Zunahme von Kriminalität als Grund angeführt. Was kann die Politik da | |
tun? | |
Wie Anfang der Neunziger fehlt vielen Nachbarn das Verständnis dafür, warum | |
Flüchtlinge zu uns kommen. Da sollten Politiker und Behörden die Bürger | |
aufklären und um Verständnis für die Neuankömmlinge werben, statt sie zu | |
kriminalisieren. Sonst muss man sich nicht über rassistische Stimmungen | |
wundern. | |
Sie haben sich mit einem offenen Brief an Brandenburgs Ministerpräsident | |
Matthias Platzeck (SPD) gewandt. Was war der Anlass? | |
In Berlin wurde jetzt endlich, nach vielen Jahren, ein Denkmal für die im | |
Dritten Reich ermordeten Sinti und Roma eingeweiht. Die Bundeskanzlerin hat | |
eine gute Rede gehalten und darauf hingewiesen, dass Sinti und Roma noch | |
heute diskriminiert werden. Gleichzeitig tut dieselbe Bundesregierung | |
alles, um zu verhindern, dass diese Menschen hierherkommen dürfen. Das kann | |
ich nicht akzeptieren. | |
5 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Marina Mai | |
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