# taz.de -- Obdachlose in Hamburg: Von SPD und Bahn verjagt | |
> Die SPD vertreibt mit Hilfe der Bahn Wohnungslose aus der Hamburger | |
> Innenstadt. Doch in den Unterkünften fehlen noch Eintausend Schlafplätze | |
> für Obdachlose. | |
Bild: Achtung: Am Hamburger Hauptbahnhof wird keine Armut geduldet | |
HAMBURG taz | In Hamburg wird aufgeräumt. Seit Ende Oktober hat die in | |
Hamburg allein regierende SPD der Deutschen Bahn AG die Hoheit über die | |
überdachten Vorplätze und Tunnel am Hauptbahnhof übertragen. Nun | |
verscheucht der DB Sicherheitsdienst Betrunkene und Leute, die unter den | |
Dächern Schutz suchen. Ziel der Maßnahme ist es, für die kommenden zehn | |
Jahre „klare Strukturen“ zu schaffen, erklärt der Senat. | |
Der Hamburger Hauptbahnhof ist der meist frequentierte Bahnhof bundesweit. | |
Besonders in den kalten Monaten sind die Vordächer ein zentraler Treffpunkt | |
für Menschen ohne Obdach. Im Gebäude haben die Bahn und die Wandelhallen | |
GmbH das Hausrecht. Leute, die nicht konsumieren oder reisen wollen, sind | |
hier längst unerwünscht. | |
Bereits unmittelbar nachdem der SPD-Senat die neue Zuständigkeit bekannt | |
gab, fingen Sicherheitskräfte der Bahn an, unter den Bahnhofsvordächern | |
aufzuräumen. Von der Vertreibung sind nicht nur Alkoholisierte betroffen. | |
Die Bahn vertrieb auch schon Verkäufer des Straßenmagazins Hinz&Kunzt von | |
ihren Verkaufsplätzen. | |
Die neue Linie der Hamburger Sozialdemokraten zeigt sich nicht nur im | |
Umgang mit Marginalisierten am Bahnhof. Flüchtlinge werden in Hamburg | |
neuerdings in überfüllten 40-Mann-Zelten untergebracht, weil die Räume im | |
Gebäude der Erstaufnahmestelle im Norden der Stadt überfüllt sind und es an | |
Sozialwohnungen mangelt. | |
Während Asylsuchende früher im Schnitt 10 bis 14 Tage in der Erstaufnahme | |
blieben, bis sie ins Flüchtlingslager nach Nostorf/Horst in | |
Mecklenburg-Vorpommern gebracht wurden, bleiben sie heute immer häufiger | |
bis zu drei Monate in der Erstaufnahme. Denn die 200 Plätze in Horst sind | |
belegt. Und falls sie mit ihrem Asylantrag durchkommen, konkurrieren sie | |
dann auf dem desolaten Hamburger Sozialwohnungsmarkt mit Studierenden und | |
anderen Wohnungssuchenden. | |
## Unerträgliche Lebensbedingungen | |
Im Winternotprogramm stellt die SPD in den kalten Monaten 252 Schlafplätze | |
für Obdachlose bereit. Tatsächlich werden erheblich mehr Menschen einen | |
Schlafplatz benötigen, sagen Experten der Wohnungslosenhilfe. In Hamburg | |
lebten 2009 nach Angaben der Sozialbehörde 1.029 Menschen auf der Straße, | |
Sozialverbände gehen inzwischen von deutlich höheren Zahlen aus. Demnach | |
sind heute 1.500 Menschen in Hamburg ohne Obdach. | |
„Die Lebensbedingungen in den Notunterkünften sind für viele Obdachlose | |
unerträglich“, kritisiert Bettina Reuter vom Aktionsbündnis von Trägern der | |
Wohnungslosenhilfe. Bereits im Sommer platzten die Unterkünfte aus allen | |
Nähten. | |
Von vornherein für mehr Schlafplätze sorgen will die SPD nicht. Jede | |
Einrichtung, die eröffnet werde, sei schon am nächsten Tag voll, erklärt | |
Sozialsenator Detlef Scheele. Die SPD will in jedem Fall verhindern, dass | |
ein auskömmliches Angebot mehr Leute anzieht. Stattdessen setzt sie auf | |
eine umstrittene „Anlaufstelle für Osteuropäer“. Das Winternotprogramm sei | |
im vergangenen Winter verstärkt von Osteuropäern aus Bulgarien, Rumänien | |
und Polen frequentiert worden, so die Sozialbehörde. Die Anlaufstelle hat | |
die Behörde bereits im vergangenen Jahr parallel zum Winternotprogramm | |
eingerichtet, um dort „die Lebensperspektiven der Osteuropäer in Hamburg zu | |
klären“. | |
Fällt die Prüfung negativ aus, wird diesen EU-BürgerInnen die Rückkehr in | |
ihre Heimatländer mit sogenannten „Rückkehrhilfen“ nahegelegt. Im | |
vergangenen Winter beriet die Anlaufstelle nach Angaben der Sozialbehörde | |
insgesamt 451 Obdachlose. 185 sei „geholfen“ worden, in ihr jeweiliges | |
Heimatland zurückzukehren. | |
6 Nov 2012 | |
## AUTOREN | |
Lena Kaiser | |
Lena Kaiser | |
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