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# taz.de -- Asylbewerber in Bremen: Flüchtlinge sollen draußen bleiben
> Eine geplantes Asylheim sorgt in Bremens Stadtteil Ostertor für
> Diskussionen. Flüchtlinge seien willkommen, sagen Anwohner. Woanders sei
> es aber besser für sie.
Bild: Riss im Idyll: Bremer Häuser des links-alternativen Bürgertums gegenüb…
BREMEN taz | Seit in Bremens links-alternativem Stadtteil Ostertor eine
Sammelunterkunft entstehen soll, ist die politische Welt in der Stadt
verdreht. Da pocht die CDU darauf, zum Wohl der AsylbewerberInnen eine
möglichst dezentrale Unterbringung in eigenen Wohnungen anzustreben – eine
Forderung, mit der sich FlüchtlingsaktivistInnen jahrelang die Zähne
ausbissen.
Die Linkspartei betont, wie notwendig diese Sammelunterbringung ist, für
deren prinzipielle Abschaffung sie eigentlich eintritt. Und SPD und Grüne,
die Regierungsparteien, mieten den Wohnblock für zehn Jahre an, obwohl sie
im April beschlossen haben, Sammelunterkünfte abzuschaffen. Am Montagabend
nun hat der Stadtteil-Beirat „Mitte“ dem neuen Asylheim im Viertel
zugestimmt – nach reger Debatte.
Mit Bioläden, Latte Macchiato-Lounges und ehemals besetzten Häusern gilt
„das Viertel“, wie es in Bremen heißt, als Szene-Perle. StudentInnen,
LehrerInnen und AkademikerInnen haben es sich hier eingerichtet. 60
AsylbewerberInnen sollen nun hinzukommen, in einem Übergangswohnheim in der
Eduard-Grunow-Straße.
Gegen Flüchtlinge hätten sie nichts, das wurde von den 150 NachbarInnen auf
der Beiratssitzung oft betont. Da gebe es kein Aber. Aber: Einmal seien dem
Enkel einer Anwohnerin von einem „Schwarzafrikaner“ Drogen angeboten
worden. Einen anderen Nachbarn sorgte, dass die Flüchtlinge sich womöglich
draußen aufhielten, es somit zu Ruhestörungen kommen könnte.
## „Hart am Rande des Zynismus“
Der Saal des Concordia-Theaters, in den die Sitzung verlegt wurde, war
brechend voll. Belastet sei der betreffende Teil des Viertels schon genug,
wegen der Nähe zum Bahnhof und seiner Diskomeile. „Für die Leute, die jetzt
kommen“, sei das „nicht die richtige Gegend“, sagte ein Anwohner.
Ganz schlimm könnte es werden, wenn wegen des Asylheims
Fremdenfeindlichkeit in den linken Stadtteil Einzug hielte, gab eine
Nachbarin zu bedenken. Dem grünen Beiratsmitglied Henrike Müller platzte
der Kragen: Mit der Angst vor fremdenfeindlichen Aktionen zu argumentieren,
sei „hart am Rande des Zynismus“.
Alt-Linke, Öko-LehrerInnen und linke Professoren wie der Pädagoge Johannes
Beck warteten mit einer Liste von tatsächlichen Verbesserungsvorschlägen
zum „Wohl der Flüchtlinge“ auf: Heimleitung und Hausmeister sollten mit in
dem Haus wohnen, innen genügend große Räume für gemeinsame Aktivitäten
eingeplant werden, der Radweg und die viel befahrene Straße seien eine
Gefahr für die Kinder.
In einer Debatte jedoch, in der die Flüchtlinge vor allem als mögliche
Ruhestörer und soziale Problemfälle für Angst sorgten, bekamen die
bestgemeinten Argumente zumindestens einen seltsamen Beigeschmack.
## Diskriminierte Roma
Auch, weil das Haus vorher ein Hostel werden sollte. „Das hätte niemals
eine solche Diskussion nach sich gezogen“, sagte Horst Frehe, grüner
Staatsrat im Sozialressort. Gerade die vorangeschrittenen Hotel-Umbauten
machen die Immobilie für sein Ressort attraktiv: 32 Zimmer mit Dusche und
WC, für jeweils ein bis zwei Personen.
Die ersten Flüchtlinge sollen im Februar 2013 in der Sammelunterkunft
einziehen. Zwar hat die Bürgerschaft im April 2012 beschlossen, Flüchtlinge
fortan möglichst in eigenen Wohnungen unterzubringen. Doch der
Wohnungsmarkt in Bremen ist angespannt, die vier Übergangswohnheime voll
belegt. Etwa 600 Menschen leben dort, meist am Rande der Stadt, für
mindestens ein Jahr. Zelte wie in Hamburg will das grün geführte
Sozialressort vermeiden.
„Die Menschen flüchten aus Syrien, Afghanistan, dem Irak“, erklärte Karl
Bronke, Abteilungsleiter im Sozialressort. Auch aus Serbien und Montenegro
kämen die Menschen. „Hauptsächlich sind es Roma, die in ihrer Heimat
diskriminiert und verfolgt werden.“ In den Tagen zuvor kursierten
Schreiben, die sich gegen vermeintliche „Wirtschaftsflüchtlinge“ wendeten.
Auch der Vermieter eines Nachbarhauses war im Saal. Er hatte eine Mail
verfasst: Der Wohnblock in der Stadt sei schwierig zu überwachen, heißt es
da. „Lager am Rande der Stadt haben schon ihren Sinn.“
20 Nov 2012
## AUTOREN
Jean-Philipp Baeck
## TAGS
Hamburg
Flüchtlinge
Schleswig-Holstein
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