| # taz.de -- „Data Mining“ in Behörden: Verbrecherjagd in Datenbanken | |
| > Bundesbehörden nutzen bei Ermittlungen Software, die sehr große | |
| > Datensätze auswerten können. Linke-Politiker befürchten darin eine neue | |
| > Form der Rasterfahndung. | |
| Bild: Diese Frau passt nicht ins Raster. | |
| Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Bundesamt für Verfassungsschutz nutzen | |
| Big Data zur Strafverfolgung und Kriminalprävention. Das geht aus [1][einer | |
| Kleinen Anfrage] der Bundestagsabgeordneten Ulla Jelpke und Andrej Hunko | |
| (beide Linkspartei) hervor. Die Behörden greifen dabei auf Software von IBM | |
| und humanIT zurück, die viel mehr kann, als nur Daten verwalten. Die | |
| Abgeordneten der Linksfraktion werfen der Regierung vor, mithilfe dieser | |
| Software unbemerkt digitale Rasterfahndungen durchzuführen. | |
| Besonders interessierte die Abgeordneten, ob die Behörden „Data Mining“ | |
| einsetzen – ein Verfahren, bei dem unstrukturierte Daten aus mehreren | |
| Datenbanken gleichzeitig verarbeitet werden. So können Zusammenhänge | |
| zwischen Personen, Gruppen und Objekten aus unterschiedlichen Datenbanken | |
| zu verknüpft und analysiert, mit dem Ziel zu neuen Erkenntnissen zu | |
| gelangen. | |
| Die Linksfraktion sieht darin die Gefahr einer digitalen Rasterfahndung. Es | |
| sei problematisch, wenn Ermittler Daten der Bürger durchforsten würden, um | |
| „Einträge auf Kreuztreffer zu analysieren.“ Rasterfahndungen sind nach | |
| einem [2][Urteil des Bundesverfassungsgerichtes] aus dem Jahre 2006 den | |
| Behörden nur im Rahmen konkreter Gefahr erlaubt, etwa für die Sicherheit | |
| des Bundes oder eines Landes oder das Leben eines Bürgers. | |
| Die Bundesregierung antwortete, nicht erklären zu können, ob die Behörden | |
| Data-Mining betreiben, da der Begriff nicht ausreichend rechtlich verankert | |
| sei. Gleichzeitig aber erklärte sie, dass die Behörden Software wie | |
| [3][„Analyst´s Notebook“] von IBM und [4][„InfoZoom“] von der Firma hu… | |
| zur Strafverfolgung benutzen. Diese Software ist laut Herstellerangaben für | |
| das „Data Mining“ ausgelegt ist. | |
| Laut dem Hersteller IBM kann die Software „Analyst´s Notebook“, die vom | |
| Bundeskriminalamt schon seit dem Jahr 2000 genutzt wird, große Datenmengen | |
| auswerten und eigenständig Hypothesen aufstellen. So soll die Software den | |
| Behörden helfen, „Kriminelle, Terroristen und Betrüger zu identifizieren, | |
| verhindern und vorauszusagen.“ Genau das, was man also unter Data-Mining | |
| versteht. | |
| ## Data Mining bei Europol? | |
| In Ihrer Antwort erklärt die Regierung: „Verschiedene der von | |
| Sicherheitsbehörden genutzten Anwendungen u.a. Analyst´s Notebook, sind in | |
| der Lage, räumliche und sonstige Beziehungen (Täter, Mittäter, Mitfahrer, | |
| Beifahrer, etc.) zwischen Personen, Personengruppierungen, Institutionen, | |
| Objekten und Sachen darzustellen“. Für Ermittlungen zur Mordserie des NSU | |
| seien beispielsweise 20 Millionen Funkzellendatensätze mit etwa 13.000 | |
| Anschlussinhabern verknüpft worden. Die Funktion der Software, | |
| selbstständig Hypothesen aufzustellen, sei der Regierung bekannt, werde | |
| aber von den Behörden nicht genutzt. | |
| Anders als die Bundesregierung, weiß die europäische Polizeibehörde Europol | |
| was mit dem Begriff „Data Mining“ anzufangen. So hat die | |
| EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström zugegeben, Software für „Analysen und | |
| Data-Mining“ zu nutzen. Auf die Anfrage antwortete die Bundesregierung nun, | |
| dass auch deutsche Polizisten Zugriff auf entsprechende Verfahren von | |
| Europol haben und die Software nutzen dürfen. | |
| „Nichts gegen effiziente Polizeiarbeit, wenn sie denn der Bekämpfung von | |
| Kriminellen dient", kommentiert Ulla Jelpke das Ergebnis der Anfrage. „Die | |
| von der Bundesregierung und ihren EU-Partnern eingeschlagene Richtung ist | |
| aber verkehrt: Das Leitbild 'Freund und Helfer' wird zunehmend durch das | |
| Leitbild 'Big Brother' abgelöst“. Es deute sich deute sich das | |
| Horrorszenario eines Sicherheitsstaates an, der den Anspruch erhebe, über | |
| alles jederzeit informiert zu sein – und immer neue Computerprogramme | |
| benötige, um die Datenflut verwalten zu können. | |
| 4 Dec 2012 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20060404_1bvr051802… | |
| [2] http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rs20060404_1bvr051802… | |
| [3] http://www.i2group.com/us/products/analysis-product-line/ibm-i2-analysts-no… | |
| [4] http://www.infozoom.com/ | |
| ## AUTOREN | |
| Giuseppe Paletta | |
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