| # taz.de -- Forschung an Universitäten: „Junge Akademiker werden bestraft“ | |
| > Universitäten sollten mehr gesellschaftliche Verantwortung übernehmen, | |
| > fordert der Physiker Ernst Ulrich von Weizsäcker. Und kritisiert die | |
| > Exzellenzinitiative. | |
| Bild: „Für die Studierenden hat sich der Horizont noch viel stärker verengt… | |
| taz: Herr von Weizsäcker, 1957 setzte Ihr Vater der friedlichen | |
| Wissenschaft ein Denkmal, indem er die Göttinger Erklärung gegen atomare | |
| Bewaffnung initiierte. Was ist von diesem kritischen Forschergeist heute | |
| noch übrig? | |
| Ernst Ulrich von Weizsäcker: Was das angeht haben wir in den vergangenen | |
| zehn Jahren große Rückschritte gemacht – und zwar unter dem Titel | |
| Exzellenzinitiative. Das ist die Disziplinierung von Wissenschaft, also das | |
| Gegenteil der Wahrnehmung von gesellschaftlicher Verantwortung. Junge | |
| Akademiker, die sich über ihr Fach hinaus engagieren, werden dafür | |
| bestraft, indem sie weniger Mittel erhalten. Für die Studierenden hat sich | |
| der Horizont noch viel stärker verengt. | |
| Gleichzeitig müsste die Wissenschaft heute große Verantwortung tragen – | |
| etwa in Sachen Rüstungsforschung. Die Grenze zwischen friedlicher und | |
| militärischer Forschung ist fließend, etwa bei biologischen Waffen. Kann | |
| eine Zivilklausel an Universitäten einen passenden Rahmen geben? | |
| Ich halte das grundsätzlich für eine erstrebenswerte Selbstverpflichtung, | |
| die aber in der Realität ganz schnell scheitern kann. Ein Beispiel: Die | |
| Erforschung von Infektionsgefahren durch natürlich vorkommende | |
| Krankheitskeime ist gleichzeitig militärisch relevante Forschung. Denn das | |
| Wissen über die Keime kann zur Kriegsführung angewandt werden. Insofern | |
| scheint es mir unrealistisch, die Wissenschaft auf eine rein zivile Wirkung | |
| festzulegen. | |
| Sie sagten einmal: „Die Erkenntnis der Grenzen des Wachstums ist ein | |
| friedensrelevanter Beitrag.“ Glauben Sie wirklich, dass die Menschheit | |
| einmal auf Wachstum verzichten kann? | |
| Ich glaube, dass der Konsum irgendwann zurückgehen muss. Während andere | |
| Entkoppelungen schon in Gang sind, gibt es nämlich noch immer kein Konzept | |
| dafür, wie Wohlstand von Energieverbrauch abgekoppelt werden kann, und das | |
| wird ein Problem. Statt sich darüber Gedanken zu machen, propagiert die | |
| Politik die Wende zu grüner Energie. Es wird also versucht, den gleichen | |
| Stromverbrauch nur ökologisch freundlicher zu machen. Das reicht nicht. | |
| Was passiert, wenn wir daran scheitern, Wohlstand und Wachstum zu | |
| entkoppeln? | |
| Die Konfliktpotenziale zwischen den Ländern des globalen Nordens und des | |
| Südens, zwischen Energieverbrauchern und Nationen, die Ressourcen, aber | |
| kaum Infrastruktur haben, sind gewaltig. Zumal die Folgen unseres | |
| ungebremsten Energieverbrauchs zuerst in den ärmeren Staaten ankommen. Die | |
| friedenspolitische Notwendigkeit, sich vom Energieverbrauch unabhängig zu | |
| machen, ist für mich evident. Ich behaupte, dass es mit einer Verteuerung | |
| von Energie möglich ist, ohne seinen Wohlstand aufzugeben. Der Preis sollte | |
| parallel mit der Effizienz steigen, so dass pro Monat nicht wesentlich mehr | |
| Geld für Licht, Wärme oder Mobilität ausgegeben wird. | |
| Bisher wehren sich energieintensive Wirtschaftszweige erfolgreich gegen | |
| höhere Belastungen. Worin sehen Sie den Beitrag, den Wissenschaft in diesem | |
| Zusammenhang leisten kann? | |
| Wir brauchen die Erkenntnis, dass derjenige gewinnt, der zuerst mit einer | |
| Abkopplung von der Energie erfolgreich ist: die sogenannten Pioniergewinne. | |
| Wenn wir in Deutschland mit teurerer Energie und weniger Verbrauch | |
| vorankommen, dann wird es für Südkorea, China, Bolivien hochinteressant, | |
| das nachzumachen. Die nötigen Denkanstöße können übrigens genauso gut an | |
| Universitäten in Göttingen oder Braunschweig entstehen wie in | |
| internationalen Einrichtungen. Wenn das auch in die Reflexion mit den | |
| Studierenden einginge, wäre das in der Tat ein Beitrag der Wissenschaft zum | |
| Frieden. Denn genau diesen Generationen drohen Kriege um Öl, Wasser oder | |
| Seltene Erden | |
| 5 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Karen Grass | |
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