# taz.de -- Zivilklausel an der Uni Göttingen: Eine Frage von Krieg und Frieden | |
> Studierende fordern Zivilklausel und mehr Transparenz bei militärischen | |
> Forschungsprojekten. Doch die Universität Göttingen tut sich schwer. | |
Bild: AStA will wissen, ob für den Krieg geforscht wird. | |
GÖTTINGEN taz |Das Thema Zivilklausel etablieren. Viel mehr wollte Cornelia | |
Seiberl mit ihrem Plädoyer für eine Zivilklausel an der Universität | |
Göttingen gar nicht erreichen. Trotzdem war die Referentin für Politische | |
Bildung des Allgemeinen Studierenden Ausschusses (AStA) aufgeregt. Immerhin | |
sollte sie auf der Konferenz „Sicherung der Welternährung und | |
Armutsbekämpfung als Herausforderung für Frieden und Nachhaltigkeit“ | |
vortragen. | |
Inhaltlich ging es der Psychologiestudentin Seiberl um viel: Seit Sommer | |
arbeitet sie darauf hin, dass an der Georg-August-Universität künftig nur | |
noch für friedliche Zwecke geforscht wird. Ganz im Geiste der sogenannten | |
Göttinger Erklärung, mit der 18 Physiker um Carl Friedrich von Weizsäcker | |
1957 gegen die atomare Bewaffnung eintraten. | |
Während die Vertreter der Universität bei der Kooperationsveranstaltung mit | |
der Vereinigung Deutscher Wissenschaftler (VDW) nun durchaus reflektiert | |
über die Verantwortung des eigenen Forschungsmetiers sprachen, tut die Uni | |
sich mit einer eigenen Zivilklausel noch schwer. Sie wäre die zwölfte | |
Hochschule in Deutschland, die sich selbst vorgibt, auf militärische | |
Forschung zu verzichten. | |
„Die Universität ist dem Frieden verpflichtet und fordert die an ihr | |
tätigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf, neben der Machbarkeit | |
der Wissenschaft nach Möglichkeit auch deren Folgen mit dem Ziele einer | |
friedlichen Gesellschaft zu berücksichtigen.“ Diese Formulierung soll um | |
den Vorsatz ergänzt werden, dass künftige Rüstungsforschungsprojekte dem | |
Präsidium gemeldet werden sollen. | |
## Diskurs fördern | |
Doch bisher sieht es so aus, als werde der Senat den Entwurf nur ins | |
Leitbild statt in die Grundordnung einbringen. So bestünde keine | |
verbindliche Meldepflicht, eher eine Empfehlung. Dabei will der AStA | |
Göttingen gar nicht so wahnsinnig viel – es sollen nur solche | |
Forschungsvorhaben durch die Klausel abgedeckt werden, die direkt von | |
militärischer oder quasimilitärischer Seite aus finanziert werden. Welche | |
Unternehmen darunter fallen sollen, dafür haben die Studierenden noch kein | |
konkretes Konzept. „Aber genau dafür wäre eben auch der Diskurs unter den | |
Studierenden und an der gesamten Uni wichtig“, sagte Cornelia Seiberl. | |
In den umliegenden Konferenzräumen diskutierten Fachleute verschiedener | |
Universitäten und Verbände wie die Welthungerhilfe über die Bekämpfung von | |
Armut, die künftige Welternährung und die Bedeutung von Artenvielfalt und | |
Klimaschutz. Bereiche, in denen alle Anwesenden noch viel Forschungsbedarf | |
sahen und mit dem Nachhaltigkeitsexperten Ernst Ulrich von Weizsäcker einig | |
waren: Die Wissenschaft hat hier die Verantwortung, Lösungen für eine | |
faire, friedliche Welt zu erarbeiten. | |
Bei Seiberls Vortrag gaben sich jedoch einige Zuhörer kritisch, als sie | |
argumentierte: „Eine Zivilklausel macht Forschungsgelder für diese Themen | |
frei.“ Sie bezweifelten, dass die Gelder so umverteilt würden. Außerdem | |
könnten die problematischen Forschungsprojekte auf diese Weise in den | |
intransparenten Privatbereich ausgelagert werden. Doch ebendiese geforderte | |
Transparenz herrscht an der Universität Göttingen auch jetzt nicht. „Als | |
wir wissen wollten, welche Institute an Rüstungsforschung beteiligt sind, | |
bekamen wir keine Antwort“, erklärte Vincent Lindner, ebenfalls im AStA | |
aktiv. | |
## Wissenschaftsfreiheit erhalten | |
Präsidentin Ulrike Beisiegel weiß nur von vereinzelten militärischen | |
Projekten, momentan liegen diese in der Medizin- und Mathematikfakultät, | |
zuvor auch in der Physik. Das stört im Grunde auch Beisiegel selbst, die | |
versucht, offen mit den Studierenden über eine Zivilklausel zu diskutieren. | |
Dennoch solle die Erklärung Anfang nächsten Jahres lediglich in das | |
Leitbild aufgenommen werden, da es „um eine Kulturveränderung, kein | |
autoritäres Regime“ gehe. „Manche Kollegen sähen sonst die | |
Wissenschaftsfreiheit gefährdet“, sagte Ulrike Beisiegel der taz. | |
Ein Konferenzbeitrag des Philosophie-Professors Julian Nida-Rümelin von der | |
Ludwigs-Maximilian-Universität München beschrieb das Problem treffend: | |
„Dass sich Wissenschaftler unter Verweis auf die Wissenschaftsfreiheit aus | |
der praktischen Anwendung und dem politischen Diskurs heraushalten, passt | |
nicht mehr zum heutigen Forschungsalltag“, sagte er. Denn die Forschung sei | |
anwendungsnaher als je zuvor. | |
Cornelia Seiberl und Vincent Lindner wollen diesen politischen Diskurs nun | |
selbst angehen. Mit einer neuen Vorlesungsreihe „Krieg und Frieden“, für | |
die sie auf der Konferenz Impulse bekamen, wollen sie das Thema erneut | |
etablieren – diesmal mit Wirkung. | |
5 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Karen Grass | |
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