# taz.de -- Regeln für den Waffenexport: „Windelweiche Leitlinien“ | |
> Der frühere Vize des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle | |
> warnt: Das neue Außenwirtschaftsgesetz soll bloß die Rüstungsindustrie | |
> beschäftigen. | |
Bild: Weltweit verbreitet: Das Sturmgewehr G36 wird vom deutschen Rüstungskonz… | |
taz: Herr Simonsen, die Regierung will das Außenwirtschaftsgesetz bloß | |
„entschlacken“. Warum sorgen Sie sich? | |
Olaf Simonsen: Die Bundesregierung und das Parlament verhandeln nicht die | |
wahren Gründe, warum das Außenwirtschaftsgesetz umgeschrieben wird. | |
„Entschlackung“ heißt in Wirklichkeit: Nicht Frieden und Sicherheit sollen | |
Kriterien der Rüstungsexporte sein, sondern die Verbesserung der | |
Wettbewerbsbedingungen. Das Problem der Auslastung der Rüstungsbetriebe bei | |
verminderter Nachfrage der Bundeswehr soll dadurch gelöst werden. | |
Wo ist die Neuigkeit? Bislang hat das Gesetz bei einer Genehmigungsquote | |
von 98 Prozent Rüstungsexporten offensichtlich keinen Einhalt geboten. | |
Aber nur deshalb, weil das bisherige Gesetz aus Kalte-Kriegs-Zeiten stammt | |
und auf die neue Weltordnung seit 2001 nicht vorbereitet war. Unter der | |
Hand wurde unsere Rüstungsexportpolitik am Gesetz vorbei ausgerichtet. Seit | |
zehn Jahren werden Länder beliefert, die als sogenannte Partner im Kampf | |
gegen den Terror plötzlich als belieferungsfähig gelten: Pakistan etwa, | |
oder Bahrain. Um den Kategorien Frieden und Sicherheit aber wieder Geltung | |
zu verschaffen, müsste man nun im neuen Gesetz Rüstungsbeschränkung scharf | |
definieren. | |
Aber die „Politischen Grundsätze“ für den Rüstungsexport aus dem Jahr 20… | |
sind doch auf Menschenrechte geeicht … | |
… und haben offensichtlich keinen bindenden Charakter. Nein, wir brauchen | |
ein Gesetz, das vom Parlament geschrieben wird – und keine windelweichen | |
Leitlinien, die sich die Exekutive selbst verfasst hat und die von der | |
Industrie als Anspruchsgrundlage und nicht etwa als Beschränkung angesehen | |
werden. | |
Nun kontrolliert das Außenwirtschaftsgesetz doch bloß die „sonstigen | |
Rüstungsgüter“. Das echte Kriegsgerät – Panzer und dergleichen – läuft | |
übers Kriegswaffenkontrollgesetz. | |
Auch die „sonstigen Rüstungsgüter“ sind für die Kriegführung unerlässl… | |
Militär-Lkws, Zünder, Hochgeschwindigkeitskameras, Software und Lizenzen | |
zählen dazu. Das Verrückte: Auf den Verkauf dieser „sonstigen | |
Rüstungsgüter“ soll der Exporteur nach dem Entwurf sogar einen Anspruch | |
bekommen. Das ist ein Ermächtigungsgesetz. Die Ausfuhr etwa der im | |
Grundsatz weniger problematischen Dual-use-Güter, die sowohl zivil als auch | |
militärisch eingesetzt werden können, bleibt dagegen stärker unter | |
Kontrolle. | |
Läuft die Kontrolle nicht ohnehin längst über die EU? | |
Die Europäisierung ist noch so ein verbreitetes Missverständnis: In der Tat | |
haben wir EU-weit gemeinsame Vorschriften. Angewendet werden diese Regeln | |
aber ganz national. Frankreich und Großbritannien beliefern ihre ehemaligen | |
Kolonien, die wir für Krisengebiete halten würden. Wir beliefern Israel, | |
obwohl es ein Krisengebiet ist. | |
Sie saßen bis 2009 als Vizepräsident im zuständigen Bundesamt. Sie konnten | |
handeln. | |
Entscheidungen über Rüstungsgüter werden von der Regierung getroffen. Das | |
Amt hat keine Zuständigkeit für politische Fragen. Etwa welche neuen Länder | |
beliefert werden, das sagen das Wirtschafts- und Außenministerium. | |
Selbst das Stockholmer Sipri-Institut ist halbwegs zufrieden mit der | |
Rüstungsexportkontrolle der Bundesrepublik – die europäische Konkurrenz sei | |
gewissenloser. Ist das nichts? | |
Das reicht nicht. Die Rolle Deutschlands ist eine besondere. Zum Beispiel | |
wäre, ganz pragmatisch gesehen, der Schaden für Deutschland größer als für | |
andere, wenn es – was absehbar ist – zu einem größeren Skandal kommt, weil | |
Waffen deutscher Provenienz am ganz falschen Ort auftauchen. Dazu kommt | |
aber der Grundsatz „Es gibt keine Gleichheit im Unrecht“. Nur weil andere | |
sich unsittlich verhalten, kann das für uns kein Maßstab sein. Die deutsche | |
Rüstungsindustrie ist zwar stark, aber für uns nicht so bedeutsam wie die | |
britische für Großbritannien oder die französische für Frankreich. Das ist | |
eine Chance. | |
10 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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