# taz.de -- Klagen gegen Hartz IV in Berlin: Selbstverständliche Revolution | |
> In Berlin geht alle 18 Minuten eine Klage zu Hartz IV ein. Politik und | |
> Justiz wollen nun gegensteuern und nutzen dabei neuartige Methoden: mit | |
> Arbeitslosen reden. | |
Bild: Riesiger Stapel: Hartz-IV-Klagen im Berliner Sozialgericht. | |
BERLIN dpa | Das Land Berlin will die Flut der Hartz-IV-Klagen in den | |
kommenden zwei Jahren deutlich eindämmen. Ziel sei eine Verringerung der | |
Jobcenter-Streitigkeiten um ein Viertel, erklärten Vertreter von Senat, | |
Sozialgerichten und Agentur für Arbeit am Dienstag bei der Vorstellung | |
eines behördenübergreifenden „Aktionsprogramms“. In Berlin gibt es so vie… | |
Sozialklagen wie nirgendwo sonst in Deutschland. Alle 18 Minuten geht bei | |
der Justiz ein neuer Fall ein. | |
„Wir haben ein gemeinsames Ziel“, sagte Justizsenator Thomas Heilmann | |
(CDU). „Wir wollen bessere Verständlichkeit und bessere Erklärung für die | |
Bürger.“ Insgesamt seien 38 Einzelmaßnahmen erarbeitet worden, um die Zahl | |
der Sozialklagen erheblich zu verringern. | |
So sollen Bescheide künftig verständlicher sein, außerdem sollen | |
Arbeitslose bei Verfahren miteinbezogen werden. An Deutschlands größtem | |
Sozialgericht Berlin werden jährlich tausende Hartz-IV-Klagen eingereicht. | |
2012 waren es bis Ende Oktober 24.000 neue Fälle. Für das Gesamtjahr werden | |
29.000 Klagen prognostiziert, womit der Stand von 2011 (29.274 Verfahren) | |
erreicht wäre. Bei den Streitigkeiten geht es um Kosten für Unterkunft, | |
Umzüge, Betriebskosten und andere Fragen der Hartz-IV-Gesetzgebung von | |
2005. | |
„Nach acht Jahren der Klageflut sehne ich mich nach der Ebbe“, sagte die | |
Präsidentin des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, Monika Paulat. Das | |
gemeinsame Projekt von Politik und Justiz sei durchaus „zwiespältig“ – u… | |
zwar mit Blick auf die Neutralität und Unabhängigkeit der Justiz. Eine | |
Absprache bei der Rechtsprechung müsse aber niemand befürchten, versicherte | |
Paulat. | |
Wie die Jobcenter-Bescheide konkret vereinfacht und die Kommunikation | |
behördenübergreifend verbessert werden soll, blieb aber teils unklar. | |
Justizsenator Heilmann verwies darauf, dass eine Hauptproblematik die | |
komplizierte Hartz-IV-Gesetzgebung sei. Dass die Bundesregierung dies bis | |
zum Ende der Legislaturperiode 2013 noch grundlegend reformiere, sei | |
unwahrscheinlich. Die vereinbarten Veränderungen beschränken sich daher auf | |
die Zusammenarbeit auf regionaler Ebene: zwischen Berliner Arbeitslosen, | |
Jobcentern und Sozialgerichtsbarkeit. | |
Für Erstaunen sorgte die Ankündigung, dass die Behörden mit klagewütigen | |
Hartz-IV-Empfängern künftig auch sprechen wollen. Das klingt nach einer | |
Selbstverständlichkeit für ein menschliches Miteinander – ist behördlich | |
jedoch ein „Paradigmenwechsel“, wie Sozialrichterin Paulat erklärte. | |
Normalerweise sehen Verwaltungsverfahren nur schriftliche Korrespondenzen | |
vor. Gesprochen wird mit klagenden Hartz-IV-Empfängern erst, wenn der | |
Richter zum Verhandlungstermin lädt. | |
11 Dec 2012 | |
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