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# taz.de -- Film als Stream: Das Netz als Allmende der Filmbuffs
> Im Internet muss niemand Gesetze brechen, um Filme zu sehen. Oft ohne
> Kosten, denn Studios und Archive machen Teile ihrer Bestände zugänglich.
Bild: Gigant: James Dean.
Kürzlich hat das US-amerikanische Unternehmen Netflix eine Stellenanzeige
aufgegeben, die Konsequenzen auch für Deutschland haben könnte: Sie könnte
einen Markt umkrempeln, den es hier bislang noch kaum gibt.
Netflix hatte als DVD-Versand begonnen, der das Videothekenprinzip mit den
Möglichkeiten des Internets koppelte: Die Filmbibliothek durchsuchte man
online, der Film selber kam dann aber offline, per Post, zu einem nach
Hause. In den letzten Jahren ist Netflix massiv in das komplett
netzbasierte Video-on-demand-Geschäft eingestiegen: Filme werden online
ausgewählt und direkt im Browser als Stream angesehen.
Jetzt sucht das Unternehmen nach Übersetzern, die in der Lage sind, sein
Web-Interface in verschiedene Sprachen zu übertragen; unter anderem ins
Deutsche. In den USA, wo Online-Streaming drauf und dran ist, physikalische
Datenträger komplett vom Markt zu verdrängen, ist Netflix eine echte
Marktmacht, hat inzwischen sogar angefangen, selbst Inhalte zu produzieren:
David Fincher dreht derzeit für das Unternehmen die hochbudgetierte Serie
„House of Cards“.
Das wäre ungefähr so, als würde in Deutschland Videoworld versuchen, eine
„Tatort“-Konkurrenz zu platzieren. Netflix hat zumindest das Potenzial,
auch in Deutschland die Art und Weise, wie Filme distribuiert und gesehen
werden, zu revolutionieren. Und hat vielleicht auch eine Antwort parat auf
die viel beklagte Videothekenkrise, die sonst stets nur reflexhaft den
illegalen Downloadseiten zugeschrieben wird.
## Jede Woche ein neues Start-up
Das Feld der kommerziellen VOD-Anbieter ist in Deutschland bislang
unübersichtlich. Fast jede Woche scheint ein neues Start-up anzutreten,
einen Markt zu erobern, von dem man nach wie vor nicht weiß, wie groß er
ist. Denn das ist auch schon das Einzige, was man nach den bisherigen
Erfahrungen mit Internet-Ökonomien mit einiger Sicherheit sagen kann:
Versuche, Offline-Geschäftsmodelle oder Offline-Gewinnerwartungen eins zu
eins ins Netz zu übertragen, sind fast jedes Mal gescheitert.
Völlig unklar ist zum Beispiel, in welche Richtung sich die Preise für
Streamingangebote entwickeln werden. Bei [1][videoload.com] kostet die
48-Stunden-Miete eines halbwegs aktuellen Films zwischen 4 und 5 Euro –
deutlich mehr als in den meisten Videotheken.
Noch dazu erwirbt man dort fast nur Synchronfassungen: Gerade einmal 46
originalsprachliche Versionen sind derzeit im Angebot. Das hat
lizenzrechtliche Gründe, ist aber ein Rückschritt im Vergleich zur DVD, dem
Medium, das eigentlich ersetzt werden soll. Andere Mainstreamportale wie
[2][maxdome.de] verfolgen eine ähnliche Preispolitik, Nischenanbieter wie
[3][mubi.com] und [4][realeyz.tv] sind deutlich billiger.
Fast überall jedoch ist die Preispolitik äußerst unübersichtlich. Neben
Ausleih- und sogenannten Download-to-own-Optionen gibt es oft diverse
Flatrate-Angebote: eine monatliche Überweisung, dafür Zugriff auf alle
Filme; oder auf eine beschränkte Anzahl, die man sich selbst aussuchen
darf; oder auf einige, die das Portal für einen vorauswählt.
## Digitale Verlängerung einer prekären Arthaus-Ökonomie
Man kann dann etwa das „Premium-Paket mit Blockbusteroption“ bei
[5][maxdome.de] buchen, für 19,99 Euro monatlich, das entspricht immerhin
dem Gegenwert von zweieinhalb Kinokarten. Bei [6][realeyz.tv] dagegen
kostet die Flatrate gerade einmal 2,99 Euro und lohnt sich bereits ab dem
zweiten gesehenen Film – das ist eher die digitale Verlängerung einer
prekären Arthaus-Ökonomie.
Wenn sich das alles allzu kompliziert und nicht allzu verlockend anhört,
dann muss man andererseits auch erwähnen, dass das eigentliche Potenzial
des Internets fürs Kino ganz woanders liegt: In jenen Bereichen des Kinos
nämlich, die sich kommerziell nicht ausbeuten lassen – und zwar in keinem
Medium.
Ein Großteil der Filmgeschichte – und durchaus auch: ein nicht geringer
Teil der heute produzierten Filme – wird, aus ökonomischen Gründen, nie den
Weg in die DVD-Regale oder in die Angebotsliste der Video-on-demand-Portale
schaffen; nun wird zwar auch das offen organisierte Internet niemals zum
filmhistorischen Komplettarchiv mutieren.
Aber es ist, als in fast jeder Hinsicht niedrigschwelliges
Distributionsnetzwerk, durchaus in der Lage, einige Lücken zu schließen.
Jedes Stück Film, das irgendwann einmal digitalisiert wurde, kann
theoretisch in Minutenschnelle der Weltöffentlichkeit zugänglich gemacht
werden. Man darf sich durchaus darüber wundern, wie wenig beachtet wird,
dass dies nicht nur eine technische Option ist, sondern auch tatsächlich
geschieht – Tag für Tag, rund um die Uhr, fast überall auf der Welt.
## Komplett legal und nicht kommerziell
Das heißt auch: Man muss im Internet keine Gesetze brechen, um großartige
Filme kostenlos sehen zu können. Komplett legal sind zum Beispiel die
beiden nichtkommerziell arbeitenden Plattformen [7][archive.org] und
[8][www.ubu.com]. Die Seite www.archive.org sammelt rechtefreies Material
und stellt es der Öffentlichkeit zur Verfügung – bei weitem nicht nur
Filme, aber eben auch die: Stummfilmklassiker und alte B-Movies vor allem,
darunter auch Perlen wie Victor Halperins surreal-verträumter Horrorfilm
„White Zombie“ oder Howard Hawks’ aufgrund eines Versehens aus dem
Copyright gefallener Screwball-Klassiker „His Girl Friday – Sein Mädchen
für besondere Fälle“.
UbuWeb archiviert – ebenfalls medienübergreifend – Arbeiten der
internationalen Avantgarde und beschränkt sich dabei auf Werke, die
kommerziell nicht erhältlich sind und bei denen eine kommerzielle
Auswertung auch nicht absehbar ist.
Das vermutlich größte frei zugängliche, allerdings im Gegensatz zu
[9][archive.org] und UbuWeb erst einmal komplett unkuratierte Filmarchiv
befindet sich auf Youtube. Vor allem seitdem die Laufzeitbeschränkung der
einzelnen Videos auf zehn Minuten gefallen ist, findet ein immer größerer
Teil der Filmgeschichte seinen Weg auf die Server der weltweit größten
Videoplattform.
Nicht immer werden die Rechte abgeklärt, sehr viele Filme verschwinden
ebenso schnell wieder, wie sie hochgeladen wurden; es gibt aber auch jede
Menge Studios und Filmarchive, die Teile ihrer Bestände öffentlich
zugänglich machen. Man kann da inzwischen mehr Entdeckungen machen als auf
jedem Filmfestival: Verfügbar sind neben vielem, vielem anderen: unzählige
Produktionen der nigerianischen Videoindustrie, tausende klassische
amerikanische Cartoons, jede Menge vergessene Klassiker aus China, aus
Brasilien, aus Mexiko, aus Indien.
## Vorbildlich präsentiert und sortiert
Zwei besonders lohnenswerte Tipps: die Youtube-Kanäle zweier nationaler
Filminstitutionen. [10][Das größte und traditionsreichste russische Studio
Mosfilm] stellt eine lange Reihe von Spielfilmen von der Stummfilmzeit bis
fast in die Gegenwart zur Verfügung – nicht wenige davon mit Untertiteln.
Nicht ganz so umfangreich, dafür vorbildlich präsentiert und sortiert ist
die [11][Auswahl des Korean Film Archive]: Da kann man Jahrzehnt für
Jahrzehnt die Entwicklung einer vergessenen (beziehungsweise eigentlich:
international nie wirklich entdeckten) klassischen Kinematografie
aufarbeiten und dabei zum Beispiel die Bekanntschaft mit dem komplett
wahnwitzigen erotischen Melodrama „Io Island“ (Regie: Kim Ki-young) machen,
in dem eine Gruppe mysteriöser Frauen eine Insel übernommen hat und jedem
männlichen Neuankömmling, potenziell auch jedem Youtube-Besucher,
verführerische Blicke zuwirft.
13 Dec 2012
## LINKS
[1] http://videoload.com
[2] http://maxdome.de
[3] http://mubi.com
[4] http://realeyz.tv
[5] http://maxdome.de
[6] http://realeyz.tv
[7] http://archive.org+
[8] http://www.ubu.com
[9] http://archive.org
[10] http://www.youtube.com/user/mosfilm
[11] http://www.youtube.com/user/KoreanFilm
## AUTOREN
Lukas Foerster
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