| # taz.de -- Arte-Film über Italo Calvino: Der Liebling der Professoren | |
| > „Italo Calvino - ein Porträt“ ist eine Fernseh-Hommage an den | |
| > italienischen Schriftsteller. Leider ist sie etwas langweilig geraten. | |
| Bild: Nachstellung eines Calvino-Werks: „Der Baron auf den Bäumen“. | |
| Was bleibt, stiften die Nebenwerke. Denn es ist doch jedenfalls sehr | |
| fraglich, ob irgendjemand heute, wenn er nicht gerade Romanistik studiert, | |
| eben „einfach so“ zu einem der Hauptwerke Italo Calvinos (1923–1985) | |
| greift, etwa zum Roman „Wenn ein Reisender in einer Winternacht“ von 1979. | |
| Mit theoriegesättigten Büchern wie diesem gehört Calvino immer noch zu den | |
| Lieblingen der Professoren, da können 52 Minuten ganz schön lang werden – | |
| ob im Hauptseminar oder in dem Film „Italo Calvino – Ein Porträt“, den A… | |
| am Mittwoch ohne erkennbaren Jubiläumsanlass ausstrahlt. | |
| Dabei ist der Calvino der dokumentarischen, Anfang der 1980er entstandenen | |
| Aufnahmen, die hier zu sehen sind, ein höchst gewiefter Plauderer, einer, | |
| der sich auf die Literaturvermittlung durchs Fernsehen sehr leicht und | |
| spielerisch einlässt. Wenn er selbst erzählt, bekommt das Philosophische, | |
| das Spekulative, sogar das Verquaste seines Spätwerks durchaus Charme. | |
| Wird der Schriftsteller, der sich selbst als Prosadichter sah, allerdings | |
| vom Schauspieler Neri Marcorè verkörpert, sind wir ganz schnell beim | |
| öffentlich-rechtlichen Bildungsfernsehen anno 1980. Calvino kann man bei | |
| der allmählichen Verfertigung der Gedanken beim Gestikulieren zusehen. Sein | |
| Darsteller rezitiert Text ohne Körper, da hilft auch der gut nachgemachte | |
| ligurische Akzent nicht (Marcorè ist ein in Italien sehr bekannter | |
| Parodist). | |
| Und eben das, all der Sekundärtext, der sich mit den Jahren um Calvinos | |
| Werk gelegt hat, den müsste so eine Dokumentation wegschlagen wie Gips. Sie | |
| müsste Calvinos Widersprüche aufzeigen, es wagen, ihn zu kritisieren, ihn | |
| zumindest auch peinlich-politisch zu befragen, so wie er es selbst immer, | |
| etwa mit dem Aufsatz „Bin auch ich Stalinist gewesen?“, der 1979 in der La | |
| Repubblica erschien, getan hat. | |
| ## Freundschaft von Pasolini und Calvino - ein Angelpunkt? | |
| Calvino gehört zu der Generation italienischer Schriftsteller, die von | |
| Faschismus, „resistenza“ und der Auseinandersetzung mit dem Kommunismus | |
| geprägt worden sind. Sie bestimmten das intellektuelle Leben des Landes, | |
| sie wurden zu berühmten Intellektuellen: Der Regisseur Federico Fellini | |
| (geb. 1920), die Autorin und Aktivistin Rossana Rossanda (geb. 1924), vor | |
| allem aber Pier Paolo Pasolini (geb. 1922). | |
| Die schwierige Freundschaft von Pasolini und Calvino könnte und müsste | |
| wahrscheinlich ein Dreh- und Angelpunkt jeder Dokumentation über Calvino | |
| sein, weil in ihr die wesentlichen Konflikte einer ganzen Epoche verhandelt | |
| wurden. Das leistet der Film leider überhaupt nicht. | |
| Er folgt Calvinos Biografie vom Aufwachsen in San Remo über die | |
| Partisanenzeit bis zu seinem langen, selbst gewählten Exil in Paris und der | |
| Rückkehr nach Italien Anfang der 80er Jahre. Dem entspricht die Entwicklung | |
| vom Neorealismus des Frühwerks („Wo Spinnen ihre Nester bauen“) zum | |
| Fantastischen („Der Baron auf den Bäumen“) und schließlich der | |
| Beschäftigung mit Strukturalismus und Semiotik: die Geschichte eines | |
| Rückzugs aus der Wirklichkeit. | |
| Das alles ist hübsch bebildert, aufregend ist es nicht. Wer Calvino als | |
| Schriftsteller – um dessen Bedeutung es immer wieder Kontroversen gibt – | |
| neu oder erstmals entdecken will, ist hier also schlecht bedient. Es wären | |
| die kleinen autobiografischen Erzählungen, die Sammlung italienischer | |
| Märchen und die hellsichtigen Vorlesungen „Sechs Vorschläge für das nächs… | |
| Jahrtausend“, die Calvino wieder unters Lesevolk bringen könnten – die | |
| Nebenwerke eben. | |
| ## „Italo Calvino - Ein Porträt“. Regie: Damian Petigrew. Mittwoch | |
| 19.12.2012, ARTE. | |
| 19 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Ambros Waibel | |
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