# taz.de -- Psychiater über Fall Mollath: „Der Mann tut mir wirklich leid“ | |
> Der Psychiater Manfred Lütz hält es für denkbar, dass bei Gustl Mollath | |
> eine psychische Störung vorliegt. Seine Vorwürfe gegen die Bank stimmen | |
> allerdings. | |
Bild: Hier geht's zu dem Bezirkskrankenhaus, in dem Gustl Mollath untergebracht… | |
taz: Herr Lütz, Gustl Mollath sitzt seit Jahren in der Forensischen | |
Psychiatrie, weil er angeblich unter einer paranoiden Wahnsymptomatik | |
leidet und für seine Umgebung eine Gefährdung darstellt. Nun zeigt sich, | |
dass die Beschuldigungen Mollaths gegen die HypoVereinsbank, Schwarzgeld | |
verschoben zu haben, aber stimmen. Wie kann so etwas passieren? | |
Manfred Lütz: Man muss beim Wahn unterscheiden. Es gibt die wahnhafte | |
Verarbeitung von realen Dingen, und es gibt eine wahnhafte Verarbeitung von | |
ganz Irrealem. Ich kenne den Fall Mollath nur aus der Presse, aber ich kann | |
grundsätzlich sagen, dass es natürlich denkbar ist, dass seine | |
Beschuldigungen gegen die Bank der Wirklichkeit entsprechen, aber dennoch | |
bei ihm in der Verarbeitung dieser Realitäten eine psychische Störung | |
vorliegt. | |
Offenbar haben die Gutachter aber nicht differenziert. | |
Das weiß ich nicht. Das Problem hier lag wohl darin, dass Herr Mollath mit | |
den Gutachtern gar nicht geredet hat. Die Gutachter sind dann auf die | |
Aktenlage angewiesen und natürlich auch auf die Ermittlungen der Polizei, | |
um etwas über das Gefährdungspotenzial des Mannes zu erfahren. | |
Mollath hat seine Beschuldigungen über die Schwarzgeldgeschäfte der Bank | |
eingebettet in allgemeine Weltverschwörungstheorien. Er behauptete, an 600 | |
Bundestagsabgeordnete und den Papst geschrieben zu haben, nannte Idi Amin, | |
Martin Luther King und Kennedy in seinen Dokumenten. Führen solche | |
Verquickungen dazu, dass von den Gutachtern eher ein Wahn attestiert wird? | |
Wenn ein Vorwurf im Kontext dieser expansiven Vorstellungen erhoben wird, | |
dann kann die Vermutung naheliegen, dass nicht nur der Kontext, sondern | |
auch der Vorwurf zur psychischen Auffälligkeit gehört. Trotzdem muss sich | |
ein Gutachter nach Kräften bemühen herauszufinden, inwieweit solche Dinge | |
real sind. Aber Gutachter müssen sich auch auf die polizeilichen | |
Erkenntnisse stützen können. Wenn an diesen Stellen was schiefgeht und der | |
Patient außerdem nicht kooperiert, kann es schwierig werden. | |
Mollath wurde vorgeworfen, seine Frau angegriffen und bei den Autos ihrer | |
Bekannten Reifen angestochen zu haben. Als normal verurteilter Straftäter | |
wäre er damit wahrscheinlich nicht so lange im Gefängnis geblieben wie | |
jetzt im Maßregelvollzug der Psychiatrie. Bleibt man länger in der | |
Forensischen Psychiatrie als im Gefängnis? | |
Das kann schon sein, wenn die Gutachter davon ausgehen, dass weiterhin eine | |
Gefährdung vorliegt. So etwas wird regelmäßig überprüft. Man darf nicht | |
vergessen, dass die Vorwürfe gegen Mollath ja keine Lappalien sind, soweit | |
ich sie aus der Presse kenne. Jemandem die Reifen anzustechen, sodass er | |
später vielleicht einen schweren Unfall baut, das kann ein Tötungsversuch | |
sein. | |
Wenn jemand aufgrund einer psychischen Störung zu so etwas fähig ist und | |
der Mann jegliche Behandlung ablehnt und keine Einsicht in sein | |
Fehlverhalten zeigt, dann könnte eine weitere Unterbringung durchaus | |
gerechtfertigt sein. Allein die Korrektur der Fakten bezüglich seiner | |
Anschuldigungen gegen die Bank ändern den Fall nicht so grundsätzlich, wie | |
das in der Öffentlichkeit manchmal dargestellt wird. | |
Das Risiko für Gustl Mollath, weiter in Verwahrung zu bleiben, stieg wohl | |
auch deshalb, weil er keine Einsicht in seine angebliche Wahnerkrankung | |
zeigte und jegliche Behandlung ablehnte. Er konnte aber gar keine Einsicht | |
zeigen, denn die Vorwürfe gegen die Bank stimmten ja. Damit steckte der | |
Mann doch in einem Dilemma. | |
Das ist richtig. Wenn er tatsächlich wahnkrank ist, dann wird die | |
Bestätigung, dass der Teil seiner Vorwürfe gegen die Bank stimmt, ihn nicht | |
gerade zur Therapie motivieren. Als Arzt tut mir der Mann wirklich leid. Ob | |
ihm Unrecht geschehen ist oder nicht, er lebt in einer schrecklichen | |
Situation. Ich bin auch aus fachlicher Sicht gespannt, wie das ausgeht. | |
16 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
Barbara Dribbusch | |
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