# taz.de -- Prozess gegen Gustl Mollath: Die Freiheit, sprechen zu dürfen | |
> Von der Psychiatrie in den Bayerischen Landtag: Gustl Mollath erklärt | |
> sich. Sein Auftritt wird zur Demonstration gegen das Justizurteil, das | |
> ihn hinter Gitter brachte. | |
Bild: „Es liegt kein paranoides Wahnsystem vor“, sagt Gustl Mollath im Baye… | |
MÜNCHEN taz | Tosender Applaus bricht los, als Gustl Mollath den | |
Konferenzsaal im Bayerischen Landtag durch die Tür rechts neben dem Pult | |
betritt. Mollath lächelt, nickt den Zuschauern, die zuvor in den hinteren | |
Reihen saßen und bei seinem Eintreten aufgestanden sind, zu. Er trägt, was | |
er immer trägt, wenn man ihn sieht: Den zu einer akkuraten Linie gestutzten | |
Schnauzbart, den dunkelblauen Pullover, das rote Polohemd darunter. | |
Minutenlang hält der Applaus an, solange bis die Klatschenden aufgefordert | |
werden, sich wieder hinzusetzten. Sie feiern ihn wie einen Helden, wie | |
einen, der ganz allein dem bayerischen Behördenwesen trotzt. Dann beginnt | |
die Befragung und der Vorsitzende des Untersuchungsausschusses im | |
Bayerischen Landtag. Florian Hermann (CSU) ermahnt gleich: Eine „ernsthafte | |
Sitzung“ wolle man hier führen. „Beifallsbekundungen wie gerade eben, die | |
gibt es bitte genau ein Mal.“ | |
Seit 2006 sitzt Mollath zwangsweise in der Psychiatrie ein. „Gegen seinen | |
Willen untergebracht im Bezirkskrankenhaus Bayreuth“, wie er bei der | |
Feststellung seiner Anschrift sagt. Er soll seine Exfrau tätlich | |
angegriffen und Autoreifen zerstochen haben, so der Vorwurf. Deshalb kam es | |
damals zum Verfahren. | |
Das Landgericht Nürnberg-Fürth sprach Mollath aber wegen verminderter | |
Schuldfähigkeit vom Vorwurf der Körperverletzung und der Sachbeschädigung | |
frei. Jedoch wurden ihm krankhafter Wahn und Gemeingefährlichkeit | |
unterstellt. | |
## Konvolut wird erneut geprüft | |
Mollath hatte im Laufe der Verhandlung unter anderem ein 106-seitiges | |
Konvolut zu seiner Verteidigung eingereicht, in dem er auf | |
Schwarzgeldverschiebungen durch Angestellte der Hypovereinsbank (HVB) – | |
darunter auch seine Frau – hinwies. Auch Anzeige hatte er erstattet und zum | |
Teil wirre Schreiben verfasst. Grund genug, ihn bis heute nicht aus der | |
Anstalt zu entlassen. | |
Mittlerweile belegt ein interner Revisionsbericht der Bank: An Mollaths | |
Behauptungen von damals ist einiges dran. Nun soll der | |
Untersuchungsausschuss klären, warum weder Steuerfahnder noch Richter | |
Mollaths Ausführungen damals ernstgenommen haben. Der Vorsitzende Richter | |
hatte das Konvolut Mollaths nicht einmal gelesen. | |
Doch es sind genau diese Fragen, die Mollath selbst nicht so recht | |
beantworten kann. | |
„Darf ich da auch so weit ausholen, wie das überhaupt zu der Situation | |
gekommen ist?“, fragt Mollath mit ruhiger, sonorer Stimme und beginnt von | |
den Machenschaften seiner Frau und weiterer Bankangestellter zu berichten. | |
„Da wurden in großem Umfang Vermögenswerte verlagert“, sagt er. | |
## Mollath wirkt gefasst | |
Mollath spricht frei, nennt Namen und Daten genau. Man merkt: Er hat diese | |
Geschichte schon oft erzählt. Es ist sein Narrativ. „Es liegt keine | |
psychische Krankheit vor, kein paranoides Wahnsystem“, sagt er. „Ich kann | |
unterscheiden zwischen Indizien und Wahnvorstellungen.“ | |
Aber es ist nicht die Geschichte, die vor dem Untersuchungsausschuss | |
wichtig ist. „Wir können hier nicht darüber entscheiden, ob Sie zu Recht | |
oder zu Unrecht in der Psychiatrie in Bayreuth untergebracht sind“, hatte | |
der Ausschussvorsitzende Hermann eingangs betont, aber dennoch ist es genau | |
diese Frage, die bei Mollaths Aussage ständig mitschwingt. | |
Was die Ausschussmitglieder stattdessen interessiert, sind die Beweggründe | |
für Mollaths Konvolut. Warum hat er ein so ausführliches Papier | |
geschrieben, das am Ende dazu führte, dass der Richter seine geistige | |
Gesundheit anzweifelte? | |
Mollath nimmt den Schnellhefter, den er mitgebracht hat, in die Hand. „Das | |
ist schon ganz schön dick“, sagt er und wiegt sein eigenes Werk in Händen. | |
Das könne einem schon wirr vorkommen. „Rückwirkend hätte ich das sicher | |
anders machen sollen.“ | |
## Mollath: „Man wollte nicht ermitteln“ | |
Doch damals sei es drunter und drüber gegangen, die Scheidung von seiner | |
Frau, die Anzeigen, die Verhaftung. „Heute würde ich mit ruhigerem Blut | |
dran gehen, aber damals ist das meiner Leistungsfähigkeit entgangen“, sagt | |
Mollath. | |
Trotzdem bleibt Mollath dabei: „Wenn man das mal in die Hand nimmt und | |
durchblättert, dann sieht man, dass es um Schwarzgeld geht.“ Seine | |
Darlegung enthält unter anderem ein Schreiben der HBV, das in dem | |
Zusammenhang auf interne Untersuchungen verweist, dazu Buchungsanordnungen | |
zu Nummernkonten, Anlagevermögensverzeichnisse und viele Namen. | |
„Da hätte man hellhörig werden müssen“, sagt Mollath bedächtig. „Hat … | |
von der Staatsanwaltschaft oder von Steuerfahndung jemals mit Ihnen über | |
das Konvolut gesprochen?“ will Hermann wissen. Mollath verneint: „Für mich | |
persönlich drängt sich vehement auf: Man wollte nicht ermitteln.“ | |
Auch von der Gerichtsverhandlung am Landgericht Nürnberg Fürth berichtet | |
Mollath. „Die Verhandlung am 8. August 2006 im Nürnberger Justizpalast mit | |
Richter Otto Brixner: „Es war schlichtweg die Hölle“, sagt er nach wie vor | |
mit tiefer, ruhiger Stimme. „Wenn ich jetzt das Protokoll lese, habe ich | |
das Gefühl, in einer anderen Verhandlung gewesen zu sein.“ | |
## Nächtliche Kontrolle, Hofgang mit Fußfesseln | |
Über die schlechten Bedingungen in der Psychiatrie klagt Mollath: Das | |
wünsche ich nicht meinem ärgsten Feind“, sagt er. Nächtliche Kontrollen, | |
die ihn kaum schlafen lassen, ein Hofgang mit Fußfesseln, Stifte und | |
Blöcke, um die er betteln muss, Akten und Unterlagen die verschwinden. | |
„Es ist schon jetzt unerträglich“, sagt Mollath. „Sollte es am Ende doch… | |
weit kommen, dass ich lebenslänglich inhaftiert bleibe, dann bitte ich um | |
Sicherheitsverwahrung in einem ordentlichen Gefängnis“, sagt er. Das käme | |
den Steuerzahler sogar billiger. | |
Streckenweise ist es ein berührender Auftritt. Der Frage aber, warum das | |
bayerische Justiz- und Steuerfahndungswesen in Mollaths Fall so gründlich | |
versagt zu haben scheint, ist der Ausschuss auch nach Gustl Mollaths | |
Aussage kein Stück näher gekommen. | |
11 Jun 2013 | |
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