| # taz.de -- Armutsgefährdung auf Rekordhöhe: Leben von 848 Euro im Monat | |
| > Das Armutsrisiko steigt, warnt der Wohlfahrtsverband. Und die Zustände in | |
| > Ost- und Westdeutschland gleichen sich an. | |
| Bild: Billiger als beim Discounter: Einkaufen in der Tafel. | |
| BERLIN taz | Der [1][Entwurf des Armuts- und Reichtumsberichts der | |
| Bundesregierung] erntet erneut Kritik. Dieses Mal, weil er aus Sicht des | |
| Paritätischen Wohlfahrtsverbandes die Gefahr der wachsenden Armut | |
| unterschätzt, und nicht, weil die FDP Hinweise auf die zunehmende | |
| Ungleichheit in der Einkommensverteilung aus dem Bericht herausredigieren | |
| ließ. | |
| In Berlin stellte der Wohlfahrtsverband am Donnerstag seinen Bericht zur | |
| regionalen Armutsentwicklung vor. Von einer „relativ konstanten“ | |
| Armutsrisikoquote, so der letzte Entwurf des Regierungsberichts, könne | |
| keine Rede sein, sagte Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des | |
| Wohlfahrtsverbandes. Die Lage sei „dramatisch“, die Armutsgefährdungsquote | |
| steige seit 2006 an und habe 2011 die 15-Prozent-Marke übersprungen. Sie | |
| befinde sich, mit 15,1 Prozent, „auf einem Rekordhoch seit der Vereinigung. | |
| 12,4 Millionen Menschen sind betroffen, rund eine halbe Million mehr als im | |
| Vorjahr“, sagte Schneider. | |
| Die Auswertung stützt sich auf den Mikrozensus, eine jährliche Befragung | |
| von rund 830.000 Personen. Die Armutsgefährdungs- oder Armutsrisikoquote | |
| gibt an, wie viele Menschen über weniger als 60 Prozent des mittleren | |
| nationalen Einkommens verfügen. Als Schwelle galten 2011 848 Euro netto im | |
| Monat für einen Single und 1.781 Euro für eine vierköpfige Familie. | |
| Im Trend zeigen die Daten, dass der Osten aus eigener Kraft an den Westen | |
| heranrückt, der Westen dem Osten aber auch entgegentaumelt. So führt Bremen | |
| zum ersten Mal seit der Wiedervereinigung das Negativranking an. Auch das | |
| trug dazu bei, dass die Differenz in der Quote zwischen Ost und West 2011 | |
| nur noch 5,5 Prozentpunkte betrug. 2005 waren es 7,2 Prozentpunkte. | |
| Ein zweiter Befund: Deutschland ist dreigeteilt. Neben fünf abgeschlagenen | |
| Ländern mit einer überdurchschnittlich hohen Armutsrisikoquote gibt es ein | |
| Mittelfeld aus neun Ländern, das sich um den Durchschnitt von 15,1 Prozent | |
| gruppiert - und die ewigen Musterschüler Bayern und Baden-Württemberg. Doch | |
| auch Thüringen sticht hervor. Das Land verzeichnet als einziges einen | |
| kontinuierlichen Rückgang der Armutsrisikoquote: von 19,9 Prozent (2005) | |
| auf 16,7 Prozent (2011). | |
| ## „Armutspolitischer Erdrutsch“ | |
| Schneider lenkte den Blick auf das Ruhrgebiet und Berlin. „Die ohnehin | |
| negativen Trends haben sich dort dramatisch verstärkt“, sagte er über die | |
| größten Ballungsgebiete mit insgesamt 8,5 Millionen Menschen. So kletterte | |
| in Berlin die Armutsgefährdungsquote 2011 auf 21,2, im Ruhrgebiet auf 18,9 | |
| Prozent. Man erlebe dort einen „armutspolitischen Erdrutsch“, so Schneider, | |
| der auch politisch durch den Abbau öffentlich geförderter Beschäftigung | |
| sowie eine „steuerpolitische Umverteilung von unten nach oben“ verursacht | |
| sei. | |
| Für Schneider Anlass, strukturpolitische Verbesserungen sowie ein | |
| „Sofortprogramm“ zu fordern, beispielsweise die Anhebung der Hartz-IV-Sätze | |
| und die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns. Denn die statistischen | |
| Erfolge der Arbeitsmarktpolitik würden mit immer mehr Niedriglöhnern | |
| erkauft. Tatsächlich entwickeln sich die Quoten von Arbeitslosigkeit und | |
| Armutsrisiko auseinander. Während Erstere seit 2005 kontinuierlich sinkt | |
| und 2011 bei 7,1 lag, steigt das Armutsrisiko seit 2006 kontinuierlich an. | |
| Sein Sofortprogramm kostet mit 10 Milliarden Euro „ziemlich viel Geld“, | |
| sagte Schneider, „also tut Umverteilung not“. Dem pflichtete die | |
| Linkspartei bei, SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte die „,Alles ist | |
| gut'-Rhetorik der Koalition“. „Man sollte Probleme weder dramatisieren noch | |
| kleinreden“, konterte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU). | |
| 20 Dec 2012 | |
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| ## AUTOREN | |
| Eva Völpel | |
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