# taz.de -- Kommentar Armutsbericht Deutschland: Arme sind überall arm | |
> Wenn irgendwo besonders viele Menschen vom Steuerzahler leben, hat das | |
> vor allem mit der örtlichen Wirtschaft zu tun – egal ob in Berlin oder | |
> Stuttgart. | |
Wer den neuen [1][regionalen Armutsbericht] studiert, sieht gängige Bilder | |
bestätigt. Berlin, Bremen und das Ruhrgebiet liegen ganz vorn in der | |
Armutsentwicklung. In Bayern und Baden-Württemberg dagegen ist fast alles | |
prima. In Stuttgart lebt nur jeder 13. unterhalb der sogenannten | |
Armutsgefährdungsschwelle, in Berlin hingegen ist es jeder Fünfte. | |
Das erzeugt nicht nur überregionales Mitleid, im Gegenteil. Wer als | |
Wahlberlinerin alte Kumpels im Süddeutschen besucht, kennt die | |
Vorhaltungen: „Ja, ja, für das „Arm, aber sexy“-Berlin, da müssen wir | |
zahlen dank Finanzausgleich.“ Berliner Autoren wie Thilo Sarrazin und Heinz | |
Buschkowsky tragen zum Vorurteil bei, dass die Hartz-IV-Empfänger mitschuld | |
seien an ihrem Schicksal. | |
Doch auch die Berliner selbst sind mit Klischees nicht zimperlich. | |
Zugezogene Schwaben werden schon wegen ihres Akzents automatisch unter | |
Gentrifizierungsverdacht gestellt, selbst wenn sie keine Eigentumswohnung | |
in Prenzlauer Berg kaufen. | |
Dabei haben alle Seiten ein bisschen recht. In ärmeren Milieus entwickelt | |
sich aus der Not eine Überlebenskultur mit kleinen Nebenjobs, die manchen | |
Langzeitarbeitslosen vielleicht auch blockiert auf dem Weg in einen | |
Vollzeiterwerb. Wie unlängst eine Untersuchung der Hans-Böckler-Stiftung | |
zeigte, ist die Ungleichheit innerhalb der Stadtgrenzen in Berlin eher | |
schwach ausgeprägt im Vergleich zu Stuttgart. Das ist übrigens kein | |
unsympathischer Zug. Andererseits könnte die wirtschaftsschwache Metropole | |
nicht existieren ohne die indirekten steuerlichen Zuflüsse aus stärkeren | |
Regionen, der Bundesrepublik, deren exportorientierte Wirtschaft brummt. | |
Der vorliegende Armutsbericht zeigt daher auch: Wenn irgendwo besonders | |
viele Menschen vom Steuerzahler leben, hat das vor allem mit der örtlichen | |
Wirtschaft zu tun. Schuld an den Armutsquoten sind fehlende Arbeitsplätze | |
und miese Löhne. Dass die Ökonomie verantwortlich ist für die Armutsmisere, | |
nicht etwa die Haltung der Menschen, daran darf man nicht rütteln. Und | |
regionale Zuschreibungen dürfen nicht benutzt werden von einer Politik, die | |
die Grundsicherung niedrig halten will. | |
Zwischen 2005 und 2011 ist das mittlere Einkommen in Deutschland um 15 | |
Prozent gestiegen, der Regelsatz für Hartz-IV-Empfänger aber nur um 5,5 | |
Prozent. Wer alternativlos von Grundsicherung leben muss, wird abgehängt. | |
Egal wo. | |
20 Dec 2012 | |
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[1] http://www.der-paritaetische.de/armutsbericht2012/ | |
## AUTOREN | |
Barbara Dribbusch | |
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