# taz.de -- WDR-Intendantin Monika Piel: „Gottschalk hat nicht funktioniert“ | |
> WDR-Intendantin Monika Piel übergibt den ARD-Vorsitz an ihren | |
> NDR-Kollegen Lutz Marmor. Ein Gespräch über Talkshows, Apps und den | |
> Jugendkanal. | |
Bild: „Wir kommunizieren jetzt anders, vor allem im Netz“, sagt Monika Piel… | |
taz: Frau Piel, die Aufsichtsmängel beim Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) und | |
beim Kika scheinen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk schon wieder | |
einzuholen. Wie zufrieden sind Sie mit der Aufklärungsarbeit, die beim MDR | |
geleistet wird? | |
Monika Piel: Das ist ein Grundproblem der föderalen ARD: Einzelne | |
Verfehlungen in einzelnen Häusern werden immer gleich dem Gesamtsystem ARD | |
angelastet. Frau Wille hat nach meinem Eindruck beim MDR alles dafür getan, | |
dass dort aufgeklärt wird. | |
Ihr ARD-Vorsitz ist bald vorbei. Was ist geschafft, was liegen geblieben? | |
Schaffen kann man ja immer nur mit den anderen ARD-Partnern zusammen. Als | |
Vorsitzende konnte ich Anstöße geben. Das ist bei der Schärfung unseres | |
Informationsprofils gelungen: Wir haben viele „Brennpunkte“ gesendet und | |
vermehrt sozusagen informative Leuchttürme, also etwa Fernsehfilme, die | |
anschließend in den Talks aufgegriffen wurden. Das ist beim Publikum gut | |
angekommen. Beim Vorabend hat das weniger geklappt – da hat sich in den | |
zwei Jahren meines Vorsitzes nichts positiv entwickelt: Die | |
Krimi-light-Strategie „Heiter bis tödlich“ hat uns bislang nicht aus dem | |
Quotentief geholt, und „Gottschalk“ hat leider auch nicht funktioniert. | |
Nun sind Sie als Vorsitzende ja nicht in erster Linie mit dem Programm, | |
sondern den Strukturen beschäftigt. Und die Kuh namens Zoff um die | |
„Tagesschau“-App steht immer noch auf dem Eis, 2013 wird mit den Verlegern | |
weiter verhandelt. Wird da noch etwas draus? | |
Ich hatte gehofft und es auch für möglich gehalten, dass wir mit den | |
Verlegern eine Lösung finden. Nach den vielen Gesprächen, die wir jetzt | |
hatten, bin ich immerhin froh, dass wir überhaupt noch im Gespräch sind. | |
Und dass es mittlerweile beiderseits Einsicht in die Zwänge gibt, unter | |
denen beide Seiten stehen. Wir prüfen beim WDR gerade, wie wir in unserem | |
Onlineangebot noch besser auf das Angebot der Zeitungen wie Kommentare und | |
Hintergrundartikel zu einem Thema hinweisen können. Auf unserer Seite ist | |
der gute Wille da: Die ARD ist sich einig, dass wir einen Kompromiss mit | |
den Verlegern finden wollen. Wie stark man dabei aber auf die Verleger | |
zugeht, darüber bestehen nach wie vor unterschiedliche Ansichten. | |
Die ARD hat sich auf einen Jugendkanal für die Altersgruppe von 14 bis 29 | |
verständigt – bei dem das ZDF wie beim Kika mitmachen soll. Sie waren | |
bislang dagegen. Wie haben Sie Ihre Skepsis überwunden? | |
Meine Skepsis richtete sich nie gegen einen Jugendkanal an sich, es ging | |
mir immer um die Finanzierbarkeit. Es macht doch wenig Sinn, etwas zu | |
fordern, wenn man nicht weiß, wie man es finanziell stemmen soll. Das | |
Finanzkonzept steht jetzt von ARD-Seite, nun kommt es auf das ZDF und die | |
Medienpolitik an. | |
Auch die sogenannte Talkleiste im Ersten sorgt weiter für Debatten. Die | |
Evaluierung steht erst nächstes Jahr an – warum hört man dann immer, dass | |
„Anne Will“ oder „Beckmann“ dichtmachen sollen? | |
Die Intendantenrunde hat nie darüber diskutiert, Anne Wills Talk | |
einzustellen. Wir haben mit Frau Will über andere Angebote gesprochen – | |
aber zusätzlich zu ihrer Talksendung. Die Skepsis gegenüber den Talks | |
besteht übrigens nicht beim Publikum – und für die machen wir unser | |
Programm. Das Einzige, das nicht so gut läuft, ist in der Tat „Beckmann“. | |
Doch liegt es nicht am Moderator, sondern am hart umkämpften Sendeplatz und | |
der starken Konkurrenz am Donnerstagabend. | |
Was hinterlassen Sie Ihrem Nachfolger, dem Intendanten des Norddeutschen | |
Rundfunks Lutz Marmor, der ab Januar den ARD-Vorsitz übernimmt? | |
Die Politik hat uns aufgefordert, ein neues Konzept für den Finanzausgleich | |
zwischen den ARD-Anstalten vorzulegen. Das wird ein ganz dickes Brett, | |
zumal die Rundfunkgebühr für mindestens sechs Jahre eingefroren ist. Wir | |
müssen Prioritäten setzen – und ich sage ganz klar: Wir müssen auch | |
verzichten. Für mich bleibt aber das Erste die große Herausforderung, auch | |
weil das Erste unberechtigterweise ganz alleine vom Beitragszahler als | |
Gegenwert für den Rundfunkbeitrag gesehen wird – unsere beliebten dritten | |
Programme, Radioprogramme, die Sendungen für kleinere Interessengruppen – | |
all das steht leider nicht im Fokus der aktuellen Debatte. Also, unsere | |
Herausforderung ist es, ein öffentlich-rechtliches Programm im Ersten wie | |
in unseren anderen Angeboten zu machen, die Quotenakzeptanz aber nicht aus | |
den Augen zu verlieren. Auch weil die Privaten immer neue Kanäle aufmachen, | |
die auf das bislang gern geschmähte, etwas ältere Publikum von ARD und ZDF | |
zielen. | |
Das Bundesverfassungsgericht urteilt 2013 über die Staatsferne in den | |
Gremien des ZDF. Erwarten Sie auch Folgen für die ARD? | |
So positiv der Föderalismus ist: Ich würde mir bei der | |
Gremienzusammensetzung einheitliche Regelungen wünschen. Warum gilt bei uns | |
im WDR, dass kein Regierungsmitglied in den Gremien sitzen darf – was | |
wirklich gut ist –, und bei anderen Anstalten ist das völlig anders? | |
Natürlich müssen die Parteien als die großen Player der Politik vertreten | |
sein. Aber sie sollten nicht dominieren. | |
Was in Ihrer Amtszeit weniger in Erscheinung trat, war das | |
ARD-Generalsekretariat... | |
..ja, es gab ja keinen Generalsekretär. Aber wir brauchen ein | |
Generalsekretariat, gerade zur Unterstützung des ARD-Vorsitzes, der alle | |
zwei Jahre wechselt. Das haben wir auch bei der Besetzung des Postens vom | |
kommenden Jahr an noch einmal deutlich gemacht: Es geht um eine | |
Dienstleistung für den ARD-Vorsitz, nicht um eine eigenmächtige | |
Strategie-Zentrale. | |
Kurz noch zum WDR: Bei der Programm-Reform der Radio-Kulturwelle WDR 3 | |
haben Sie ihr ganz persönliches Stuttgart 21 erlebt. Würden Sie heute etwas | |
anders machen? | |
Das war unser erster Shitstorm, und wir haben viel gelernt. Wir | |
kommunizieren jetzt anders, vor allem im Netz, machen öffentliche | |
Veranstaltungen in ganz NRW und gehen stärker auf die Hörer zu. Dabei waren | |
die tatsächlichen Veränderungen im Programm eher marginal – und seitdem sie | |
umgesetzt sind, ist alles ruhig. Das neue, aktuelle Kulturmagazin am | |
Sonntag kommt sogar sehr gut an. | |
26 Dec 2012 | |
## AUTOREN | |
Steffen Grimberg | |
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