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# taz.de -- ARD startet Doku-Initiative: Total – halbtotal – nah
> Seit 2011 gönnt sich die ARD fünf Talkshows. Nun startet der Sender eine
> Doku-Initiative. Von einem Schlingerkurs will der ARD-Chefredakteur
> nichts wissen.
Bild: Immer gleiche Gäste im ARD-Talk? Also bitte. Mit weisen älteren Herren …
Geschlagene 18 Stunden lang zelebrierte der NDR kürzlich den „Tag der
Norddeutschen“, eine Echtzeit-Dokumentation, die 100 Norddeutsche einen Tag
lang begleitete – und die dem Sender überdurchschnittliche Quoten beim
jungen Publikum bescherte. Davor hatte der WDR Anfang Oktober „Ein Tag
Leben in NRW“ ausgestrahlt: 3.500 Menschen hatten sich selbst einen Tag
lang gefilmt. Das auf 90 Doku-Minuten zusammengeschnittene Material gab es
schon vor Sendetermin im Netz: „crossmedial“ lautete das Konzept.
Authentizität, oder zumindest die Illusion davon, Unmittelbarkeit und
natürlich auch die Banalität von zur Schau gestelltem Alltag: Genau dieses
deutschen, durchaus auch ans Social Web angelehnten TV-Realismus soll sich
jetzt auch eine im Oktober in der ARD gestartete Dokumentarinitiative
annehmen: „Blickpunkt Deutschland: total – halbtotal – nah“ heißt sie,
gesucht wird ein „kreatives dokumentarisches Highlight für einen
Primetime-Sendeplatz im Ersten“.
Bis zum 6. Dezember können Produzententeams ihre Vorschläge einreichen, der
Gewinner soll mit einigem Tamtam im Februar 2013 auf der Berlinale
verkündet werden. Die Wettbewerbsteilnehmer könnten ihre Themen „innovativ,
klassisch oder auch sehr persönlich“ erzählen, heißt es in der
Pressemitteilung. „Wir docken an den gelebten Alltag der Zuschauer an“,
sagt ARD-Chefredakteur Thomas Baumann. Denn: „Nichts ist spannender als die
Wirklichkeit.“ Nun also wieder mehr Wirklichkeit zur aktuell zerredeten
besten Sendezeit?
Erst im Spätsommer 2011 hatte man sich in der ARD die Hauptsendezeit
nämlich noch mit fünf Polittalks zuprogrammiert. Im Juni kritisierten die
Rundfunkräte von WDR und NDR das Konzept: Themendopplungen, die immer
gleichen Gäste, Kritik am Moderationsstil.
## Zuviel an Gerede
Dann fingen auch die Programmchefs an zu nörgeln, Baumann gab Anfang
November zu, es gebe eben wohl nur „ein begrenztes Interesse und Zeitbudget
der Zuschauer für politische Information“. Der ARD-Programmdirektor Volker
Herres soll im Oktober in einem vertraulichen Papier vor der
Programmklausur der ARD-Intendanten eine Reduzierung der Talksendungen von
derzeit fünf auf vier vorgeschlagen haben.
Sieht man dieses „begrenzte Interesse“ nun also ein – und nutzt die
Doku-Offensive auch als Testlauf, die Primetime umzugestalten? „Nein“, sagt
Baumann. Ihn ärgere die Debatte, dass das Abendprogramm nur noch aus einem
Zuviel an Gerede bestünde: „2010 hatten wir 114 dokumentarische Formate
allein im Abendprogramm, bis Ende 2012 werden 125 gelaufen sein – der
Bereich Dokumentation hat also überhaupt nicht gelitten.“
## Unklarer Kurs
Im Übrigen stecke hinter jedem Sendeschema ja auch durchaus, die
Journalisten möchten es glauben oder nicht, eine Idee fürs Gesamtprogramm,
sagt Baumann: „Montags schneidet zum Beispiel ’Hart aber fair‘ deutlich
besser ab als die Doku, die sich früher auf diesem Sendeplatz befand – und
die anschließenden ’Tagesthemen‘ profitieren auch davon.“
Der „Story im Ersten“ habe der spätere Sendeplatz um 22.45 Uhr auch nicht
geschadet: neun Prozent Marktanteil erreiche man aktuell im Schnitt. Der
Senderdurchschnitt liegt etwa zwei bis drei Prozent darüber; „Hart aber
fair“ ist hinter Günther Jauch mit zehn Prozent Marktanteil der quotenmäßig
zweitstärkste Talk.
Die Talks hätten sich bewährt, sagt Baumann – das trotzdem quasi seit
Einführung der Talkschiene über eine Abschaffung derselben diskutiert werde
und jetzt auch die Senderchefs in den Abgesang miteinstimmen? Ganz normal,
meint der ARD-Koordinator für Politik, Gesellschaft und Kultur. „Wir haben
ständig einen Binnenwettbewerb im Sender – alle wollen ein möglichst großes
Stück vom Kuchen.“ Da werde von Zeit zu Zeit eben mal umverteilt. Bleibt
bloß spannend zu sehen: wohin.
5 Dec 2012
## AUTOREN
Anna Klöpper
## TAGS
ARD
Dokumentation
WDR
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