Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Radiosendung „Sonntagsrätsel“: Die schönen Sechziger Jahre
> Durch den altmodisch-galanten Stil von Christian Bienert wirkt das
> „Sonntagsrätsel“ wie ein Relikt aus den sechziger Jahren. Nun geht der
> Moderator in Rente.
Bild: Mit sonorer Stimme: Christian Bienert.
„Einen freundlichen Sonntagmorgen Ihnen, liebe Rätselfreunde. Ob Sie mit
der Familie am Frühstückstisch sitzen, allein sind, mit Freunden – ich freu
mich, dass Sie dabei sind bei unserem kleinen Ratespiel.“
Wer zum ersten Mal diese sonore Stimme hört, meint, in die Wiederholung
eines Archiv-Fundes geraten zu sein. Doch das Sonntagsrätsel wird bis heute
ausgestrahlt: jeden Sonntag um 10 Uhr 15 auf Deutschlandradio Kultur.
Erraten werden sollen Begriffe rund um die Musik, aus denen einzelne
Buchstaben das Lösungswort ergeben. Die Begriffe können Komponisten oder
Librettisten eines gespielten Liedes sein, ein Geburtsort einer Künstlerin
oder Namen wie Brigitte Mira oder Mary Poppins. „Familienname, 3.
Buchstabe“, verlangt dann etwa Bienert mit unbeugsamer Freundlichkeit.
Das Lösungswort ist meist kurz und bekannt und hat häufig etwas mit der
Jahreszeit zu tun: „Kürbis“, „Sterne“, „Bambus“. Es kann auf einer
Postkarte, per Fax, inzwischen sogar per E-Mail an den Sender geschickt
werden.
## Der Kalte Krieg
Am 7. März 1965 ging „Das klingende Sonntagsrätsel“ beim RIAS (Rundfunk im
amerikanischen Sektor) auf Sendung – moderiert von Hans Rosenthal.
Eigentlich sollte damit nur die Reichweite getestet werden:
Zur Zeit des Kalten Krieges versuchten BRD wie DDR, über Radiowellen die
Bürger des jeweils anderen Staates weltanschaulich zu infiltrieren. Weil
auch DDR-Bürger Lösungswörter schickten, wurde es weitergeführt.
1969 kam der junge Christian Bienert dazu, der die Musik auswählte und
Texte schrieb. 18 Jahre lang war er unentbehrlicher Mitarbeiter von
Rosenthal, der mit seinen anderen (Fernseh-)Shows vollauf beschäftigt war.
1986 erkrankte Hans Rosenthal an Magenkrebs. Nun zeichnete Bienert selbst
vertretungsweise manche Sendung auf. Nach einer scheinbaren Erholung starb
der erfolgreiche Showmaster am 10. Februar 1987.
## Melodiös muss es sein
Drei Tage später übernahm Bienert das Mikrofon beim nächsten
Sonntagsrätsel, „ohne dass Hans mir im Krankenhaus kritisch zuhörte“.
Allmählich erweiterte er das musikalische Spektrum von seichten Schlagern
auf Klassik, Rock, Jazz, Country – einziges Kriterium war, es sollte
„melodiös“ sein.
Nach dem Fall der Mauer schwoll die Hörerpost zu einer Flut an: von 12.000
Zuschriften im September 1989 (davon 500 aus der DDR) auf 355.000 im März
1990 – davon 330.000 aus der DDR. Da ging es oft kaum noch ums Lösungswort:
DDR-Bürger füllten Seiten mit ihren Lebensgeschichten. Zur Sichtung und
Beantwortung wurden, zum Ärger des RIAS („Wir sind doch kein Schreibbüro“…
zwei Kolleginnen und acht StudentInnen abgestellt.
Programmdirektor Siegfried Buschschlüter entband auch Bienert von den
Schichtdiensten. Immer las dieser aus einigen Briefen in der Sendung vor.
Nicht zuletzt durch diesen Zuspruch überlebte das Sonntagsrätsel alle
weiteren Programmreformen des RIAS. „Ohne den Mauerfall wäre es irgendwann
doch rausgeworfen worden“, vermutet Bienert. Nach der Fusion von RIAS,
Deutschlandfunk und DS Kultur zum Deutschlandradio 1994 wurde das Ratespiel
als einziges RIAS-Relikt weitergeführt.
## Zwei Metallkoffer
Ende 2000 läutete die Gauck-Behörde an: „Herr Bienert, wir haben Post für
Sie!“ Man überreichte ihm zwei Metallkoffer mit Hörerpost, die die Stasi
bis 1989 abgefangen hatte. Teils unter Decknamen hatten die Hörer aus der
DDR geschrieben. Stand RIAS als Adresse drauf, war die Chance, dass sie
ankamen, gering.
Bessere Aussichten hatten die Briefe an die von Rosenthal und Bienert
erfundene Michaela Wegner, Torgauer Straße 45 in Berlin: Über diese
Hilfsadresse kam mehr Post an.
Jetzt wurde Bienert 65. Seine Nachfolge soll Musikredakteur Uwe Wohlmacher
antreten. Aber kann er die Legende ersetzen? Bienert wollte seine letzten
beiden Sendungen am 23. und 30.12. gern als liebevollen historischen
Rückblick gestalten.
Das hat man ihm, nach längerer Diskussion verschiedener Abschiedsformen,
nicht erlaubt. „Es wird nachgedacht, wie die Sendung weiterentwickelt
wird“, sagt Dr. Eva Sabine Kuntz, Leiterin der Intendanz.
„Da die Sendung so von Bienerts Stimme geprägt war, tut man ihr auch keinen
Gefallen, wenn man sie unverändert lässt.“ Offensichtlich ist das schwerste
Rätsel das, welches das Sonntagsrätsel dem Deutschlandradio aufgibt.
30 Dec 2012
## AUTOREN
Karin Zickendraht
## TAGS
Radio
Deutschlandradio
gestorben
WDR
## ARTIKEL ZUM THEMA
US-Countrystar tot: Patti Page ist gestorben
Die 85-jährige US-Sängerin Patti Page ist gestorben. Im Februar wird sie
mit dem Grammy für ihr Lebenswerk ausgezeichnet.
WDR-Intendantin Monika Piel: „Gottschalk hat nicht funktioniert“
WDR-Intendantin Monika Piel übergibt den ARD-Vorsitz an ihren NDR-Kollegen
Lutz Marmor. Ein Gespräch über Talkshows, Apps und den Jugendkanal.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.