| # taz.de -- Zentralafrikanische Republik: Buschkrieg alter Schule | |
| > Die Rebellen der Zentralafrikanischen Republik nähern sich der Hauptstadt | |
| > Bangui. Präsident Bozizé hat den Aufständischen kaum etwas | |
| > entgegenzusetzen. | |
| Bild: Protest in Bangui gegen den Vormarsch der Rebellen. | |
| BERLIN taz | Es ist ein Krieg der Gerüchte, aber er bringt das Regime von | |
| Präsident François Bozizé in der Zentralafrikanischen Republik an den Rand | |
| des Zusammenbruchs. Seit die nur wenige Wochen alte Rebellenkoalition | |
| „Séléka“ (Allianz) am 23. Dezember die Stadt Bambari im Zentrum des Landes | |
| einnahm, stehen ihre Kämpfer auf dem Sprung in die Hauptstadt Bangui. | |
| „Wenn wir noch nicht in Bangui einmarschiert sind, dann aus Höflichkeit“, | |
| erklärten die Rebellen am Tag der Eroberung von Bambari. Drei Tage später | |
| riefen sie Bozizé auf, die Waffen niederzulegen: „Wir sehen es nicht mehr | |
| als notwendig an, die Schlacht um Bangui zu führen“, sagte Séléka-Sprecher | |
| Eric Massi. „Bozizé hat schon verloren.“ | |
| Eric Massi ist der Sohn Charles Massis, eines vor Jahren von Bozizés | |
| Sicherheitsorganen verschleppten und ermordeten Oppositionellen. Er und die | |
| anderen Rebellenführer haben mit dem Präsidenten Rechnungen offen. Im | |
| November gingen im Nordosten des Landes die ersten Gerüchte um, dass neue | |
| bewaffnete Gruppen aktiv seien. Am 10. Dezember nahmen sie die | |
| Diamantenstadt Ndélé ein. Seitdem geht es Schlag auf Schlag. | |
| Es ist ein klassischer afrikanischer Buschkrieg. Die Rebellen lassen in | |
| einem Ort das Gerücht streuen, dass sie kommen. Die Regierungsarmee flieht. | |
| Dann rücken die Rebellen ein und fahren schnell weiter. Ein Augenzeuge in | |
| der Kleinstadt Batangafo, die am 20. Dezember fiel, schildert das gegenüber | |
| einer Nachrichtenagentur so: „Zwei Tage lang lebten wir in Angst. Die | |
| Menschen hatten die Stadt verlassen, entweder in die Felder oder nach | |
| Bangui. Diesen Morgen kamen die Rebellen auf zwei Lkws, gefolgt von | |
| weiteren auf Motorrädern. Es gab keine Kämpfe als solche, weil die Soldaten | |
| uns schon vor zwei Tagen verlassen hatten. Die Stadt war fast leer, die | |
| Büros, Schulen und Märkte geschlossen.“ | |
| ## Die Menschen fliehen | |
| Aus Ndélé berichtet ein Bewohner: „Die Angreifer nahmen eine Million | |
| CFA-Francs (1.500 Euro), zwei Satellitentelefone, zwei Motorräder und ein | |
| Auto. Die Bevölkerung versteckt sich im Umkreis von zehn Kilometern. | |
| Manchmal kommt sie heraus und sucht Nahrung.“ Der Leiter des | |
| Internationalen Roten Kreuzes in Bangui, Georgios Georgantas, bestätigt: | |
| „Die Menschen haben ihre Städte und Dörfer verlassen, andere bleiben nur | |
| wenige Stunden am Tag“. | |
| In regierungstreuen Medien in Bangui wird der Rebellenvormarsch anders | |
| dargestellt. Bambari, so ein Bericht, stehe unter Kontrolle sudanesischer | |
| Söldner mit Waffen aus Libyen. Sie hätten die UN-Lebensmitteldepots und die | |
| Brauerei geplündert und würden die Waren zum Spottpreis an lokale | |
| muslimische Händler verkaufen, die damit Wucher betreiben könnten. Eine | |
| „Malisierung“ sei im Gange. | |
| Aber Bozizés Soldaten fliehen meist kampflos. Aus dem zentralen Waffendepot | |
| der Hauptstadt sollen 50 Kisten Munition verschwunden sein – an die | |
| Rebellen verkauft. Mehrere hundert Soldaten aus Tschad stehen zur | |
| Unterstützung von Bozizés Armee in der Stadt Sibut nördlich von Bangui, | |
| gehen aber nicht gegen die Rebellen vor. Ein Regionalgipfel in Tschads | |
| Hauptstadt Ndjamena, der die Rebellen vor einer Woche zum Rückzug | |
| aufforderte, blieb folgenlos. | |
| ## Vorwurf der Vetternwirtschaft | |
| Präsident Bozizé kämpfte sich vor zehn Jahren genauso an die Macht wie | |
| heute Séléka. Damals war er Generalstabschef des Präsidenten Ange-Félix | |
| Patassé, gegen den er meuterte. Am 15. März 2003 eroberte Bozizé Bangui. | |
| Zweimal hat er sich seitdem als Präsident wählen lassen, zuletzt 2011. Aber | |
| seine Gegner werfen ihm Vetternwirtschaft vor, und die Zentralafrikanische | |
| Republik ist bis heute eines der ärmsten Länder Afrikas. Jeden Tag erklären | |
| derzeit neue zivilgesellschaftliche Gruppen ihre Solidarität mit den | |
| Rebellen, deren Forderung nach einem „innerzentralafrikanischen Dialog“ die | |
| zivile Opposition teilt. | |
| „Man muss in den Rebellenangriffen den Wunsch eines Großteils der | |
| Bevölkerung nach Revolte sehen“, sagte in Bangui Professor Isidore Mbamo | |
| einem Radiosender. „Zu befürchten ist, dass wir zum Nullpunkt zurückkehren | |
| wie 2003; dass arbeitslose, mittellose Jugendliche oder Exkämpfer, die auf | |
| ihre Wiedereingliederung warten, verleitet sein könnten, sich diesem | |
| Aufstand anzuschließen, um das Regime zu stürzen.“ | |
| Im Bozizé-Gebiet organisiert die Regierungspartei KNK (Arbeit, nichts als | |
| Arbeit) Solidaritätsmärsche mit der Armee. „Nein zur Destabilisierung, zur | |
| Spaltung, zum Krieg; Ja zur nationalen Einheit, zur Ausbeutung von Öl, Uran | |
| und Zement; wir wollen Frieden“ stand Berichten zufolge auf den | |
| Transparenten in der Stadt Berberati. | |
| Die KNK nennt die Rebellen „machthungrige Abenteurer“. Dazu erklärte | |
| Séléka: „Die, die man früher Abenteurer nannte, sind seit 2003 an der | |
| Macht. Und jetzt nennen sie uns Abenteurer? Wir nehmen das als Segen, um so | |
| zu enden wie sie: an der Macht.“ | |
| 27 Dec 2012 | |
| ## AUTOREN | |
| Dominic Johnson | |
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