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# taz.de -- Kolumne Darum: Warte, warte noch ein Weilchen …
> „Warte kurz ...“ – dieser Halbsatz ist es, der Eltern die ewige
> Verdammnis bringt. Die Verdammnis zu warten. Was hätten wir in dieser
> Zeit alles tun können.
Bild: Ihr habt jetzt Schule. Und wir? Wir warten.
Vom ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Älteren unter uns werden
sich erinnern, stammt [1][die der Nutzpflanzensetzerei] entlehnte Weisheit:
„Nur die Harten kommen in den Garten“. Damit lag er wie so oft falsch.
Richtig müsste sie heißen: „Nur die Harten können lange warten.“
Wir Eltern wissen das, stehen wir doch Stunde um Stunde auf zugigen
Fußballplätzen, vor Schwimmbadeingängen, in Fluren, Bade- und
Kinderzimmern. Oder wir sitzen in Autos, auf Parkbänken und zu kleinen
Sitzschalen, während der Nachwuchs noch im Kino, auf dem Schulhof oder beim
Zähneputzen beschäftigt tut.
„Warte kurz“, „gleich“, „ich muss nur noch schnell ...“ – diese H…
sind es, die uns die ewige Verdammnis bringen. Die Verdammnis zu warten.
Die Verdammnis herumzustehen und zu rätseln, was genau „gleich“ bedeutet,
wie schnell wohl „noch schnell“ ist, ob „kurz“ wirklich kurz bedeutet o…
eher ein bisschen mittellang oder möglicherweise auch sehr lang, aber nur
für Erwachsene.
Warten ist nichts Schlimmes. Man kann sinnvolle Dinge tun, kann Lesen,
[2][Twittern], Mitmenschen betrachten, in der Nase bohren oder den Kindern
bei dem zusehen, was angeblich „gleich“ vorbei sein wird. Nur: So viele
Bücher, Tweets, Mitmenschen und Kinderaktivitäten gibt es gar nicht, dass
die Warterei damit gefüllt werden könnte. Ich weiß, wovon ich rede – ich
warte nun seit fast 11 Jahren.
Hätte ich gewusst, was mich erwartet, hätte ich ein System entwickelt oder
einen Plan entworfen, um die Wartezeit möglichst produktiv zu nutzen. Ich
spräche jetzt vier Sprachen mehr, darunter auch komplexe wie Finnisch und
Ungarisch. Zwei bis drei komplette Studiengänge wären absolviert bzw. einer
inklusive Promotion und Habilitation. Statt Bücher zu lesen, hätte ich
welche schreiben können. Zwei Romane und zwei Sachbücher wären locker drin
gewesen. Ich sehe ein schönes, großes Haus vor mir, von mir allein erbaut.
Hätte, hätte, Fahrradkette. So einfach ist es nicht. So einfach machen es
uns die Kinder nicht. Wir dürfen nicht einfach nur warten, sondern werden
beim Warten meist einbezogen in die geschäftige Welt der kleinen
Aktivisten. Beim Zähneputzen werden uns die Wichtigkeiten des Tages
erzählt, beim Zubettgehen purzeln „schnell noch“ hundert Fragen aus dem
Kind. Ob man diese CD, jenes Buch, das spezielle Kuscheltier gesehen habe?
Denn ohne das, dieses und jenes könne man einfach noch nicht ins Bett gehen
bzw. werde sich die Wartezeit von „gleich“ vielleicht auf „warte mal eben…
verlängern.
Andere hinzuhalten, ohne dass sie es merken, und Andere hinzuhalten, sodass
sie es merken, aber nichts dagegen tun können, sind Künste, die Kinder
perfekt beherrschen. Woher haben Sie d...
– „Papa? Wann bist du mit deiner Kolumne fertig? Du hast gesagt, das geht
schnell und wir können dann zusammen spielen!“
– „Zwei Sätze noch, warte kurz.“
– „Du hast es aber versprochen ...“
– „Jaha, gleich!“
– „Was soll ich denn in der Zwischenzeit machen?“
– „Ich muss nur noch schnell die Schlusspointe ...“
– „Ich warte jetzt schon sooo lange.“
21 Jan 2013
## LINKS
[1] http://www.lwg.bayern.de/gartentipps/2006/16088/index.php
[2] http://twitter.com/maiksoehler
## AUTOREN
Maik Söhler
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