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# taz.de -- Kolumne Darum: Schule gesucht, Preußen gefunden
> Wer Kinder hat, kennt das: Endlosdebatten um die richtige Schule. Wer
> keine Kinder hat, sollte wissen: Die Schulsuche fördert das Schlimmste in
> uns zutage.
Bild: Helmpflicht für Schulkinder? Auch keine schlechte Idee.
Wetten, dass ... ich mit verbundenen Augen sämtliche Westberliner
Oberschulen am Kuchenbüffet ihrer Fördervereine unterscheiden kann? Wetten,
dass ... ich nur mit dem Gehör erkenne, zu welchem Gymnasium in
Berlin-Schöneberg der in Physik von Schülern selbst gebastelte Lego-Roboter
gehört? Wetten, dass ... ich nur am Geruch feststellen kann, welcher
Chemie-Klassenraum in Berlin-Tempelhof zu welcher weiterführenden Schule
gehört?
Ein Kind wird im Sommer [1][die Superschule verlassen.] Eine neue
Superschule muss her, noch superer als die erste, schließlich soll hier das
Super-Abitur gemacht werden. Seit Wochen drängeln wir uns also zusammen mit
Hunderten Eltern zu Tagen der offenen Tür, in Infoveranstaltungen und
Schnupperunterrichtseinheiten. Wir stehen am Elternbüffet, durchwandern
Klassenräume, prüfen Pausenhöfe, inspizieren Cafeterias und tun so, als ob
wir mal müssten, um auch den Zustand der Schultoiletten in Augenschein zu
nehmen.
Wir sprechen mit Lehrern, Schülern, Eltern, holen Informationen vom Rektor,
dem Sekretariat und dem Hausmeister ein, und zuhause debattieren wir dann
auf dieser Grundlage weiter. Mal mit Kind, mal ohne. Mal zielführend, mal
abschweifend. Die letzten Sätze am Abend kreisen um Leistungskursangebote,
die ersten am Morgen um die zweite Fremdsprache, in der Mittagspause wird
schnell noch ein [2][Intensivkurs im Berliner Schulrecht] gemacht.
Es nervt. Aber es muss sein. Unser familiärer Mikrokosmos wird noch enger.
Aber es muss sein. Ein monothematischer Sog entsteht. Aber es muss sein.
Anmeldetermine müssen eingehalten, Listen ausgefüllt, Fristen beachtet
werden. Zwänge sind scheiße. Aber es muss sein. Der Mandarinen-Käsekuchen
in einer bestimmten Oberschule ist grandios. Einer geht noch rein. Auch
das, gerade das muss sein.
Denn die Schulsuche fördert das Schlimmste in uns zutage: Pünktlichkeit,
Ordnung, Disziplin, Fokussierung ohne Ausweg, Wagenburg-Mentalität. Die
Schulsuche ist das Preußen unter den Suchen, [3][der Pietismus] unter den
Anstrengungen. Sie verwandelt weltoffene Menschen mit vielfältigen
Interessen in gehetzte Neidbeißer, die nur noch ein Thema haben. Wer hier
cool bleibt, hat schachtelweise Diazepam dort, wo andere Nervenbahnen
haben.
Kinder haben es da besser. Sie nehmen die Dinge wie sie kommen. Ein guter
Schnupperunterricht und die Sache ist entschieden. Eine zweite
Fremdsprache? Wird am Tag der Anmeldung geregelt. Aber wird denn in der
Oberstufe das Leistungskursangebot den eigenen Wünschen gerecht? Sehen wir
dann. Tage der Hektik prallen auf ein Kind, das sie gleichmütig abwehrt.
Gut gelaunt hopst es durchs Treppenhaus einer Schule. So fallen
Entscheidungen. Wer diese Hopserei sieht, weiß sofort: Da ist jemand
glücklich. Diese Schule muss es sein.
Dabei können wir viel lernen. Beim nächsten Bewerbungsgespräch einfach mal
wild durch die Flure des neuen Arbeitgebers hüpfen. Wieder mal
Beziehungskrach? Schnupperunterricht schafft Abhilfe. Midlifecrisis? Wird
am Tag der Anmeldung entschieden! Wetten, dass ... ich alle künftigen
Herausforderungen trotzdem nicht gleichmütig meistern werde?
12 Feb 2013
## LINKS
[1] /Kolumne-Darum/!98263/
[2] http://www.berlin.de/sen/bildung/rechtsvorschriften/index.html
[3] http://de.wikipedia.org/wiki/Pietismus#Kritik_am_Pietismus
## AUTOREN
Maik Söhler
## TAGS
Berlin
Schule
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