# taz.de -- Kolumne Darum: „Kommst du wieder?“ | |
> Grauen mit 16 Buchstaben und mindestens 10 Beteiligten: Kindergeburtstag. | |
> Kung-Fu-Einlagen, Eltern auf allen Vieren und wie man seine Frau schockt. | |
Bild: Die Geburtstagsparty hat den Höhepunkt erreicht. | |
Noch nicht mal ein Drittel des Jahres ist vorbei, und doch haben wir 2013 | |
bereits abgehakt. Beide Kindergeburtstage sind durch. Einmal die nun | |
Elfjährige mit zehn Gästen, einmal der nun Achtjährige mit acht Gästen. | |
Eine Kiez-Rallye liegt hinter uns, ebenso ein zweistündiges Bowling. | |
Alle Kuchen sind gegessen, alle Kerzen ausgepustet, alle Geschenke | |
ausgepackt und in die Zimmer geschleppt. Was bleibt, sind noch zwei, drei | |
zertretene Erdnussflips im Wohnzimmer, Girlandenreste im Flur und gefüllte | |
Süßigkeitenreservoirs für die nächsten Wochen. | |
Mit den Geburtstagen im März und April haben wir Glück. Da bleibt noch viel | |
Jahr ohne im Verbund herumhopsende Krähzwerge übrig. Mit den Geburtstagen | |
im März und April haben wir Pech. Im März ist es meistens noch zu kalt, um | |
draußen zu feiern, und dieses Jahr war es auch im April nicht besser. Man | |
muss die Kinder dann rauszwingen oder es ertragen, dass sie völlig | |
überzuckert die halbe Wohnung zerlegen. | |
Am Schwierigsten sind die Geburtstage zwischen Sechs und Acht. Unsere | |
Kinder gehen in eine Grundschule mit jahrgangsübergreifenden Klassen. Zur | |
Feier der Sechsjährigen kommen dann auch Sieben-, Acht- und Neunjährige, | |
die etwas anderes erwarten als das, was die Sechsjährige und ihre Eltern zu | |
bieten haben. | |
Wir hatten da mal einen „Pferdegeburtstag“. Die Tochter und wir verstanden | |
darunter im Hof einige Spiele mit Seilchen und Gerten anzubieten, bei denen | |
die Kinder so tun als ob sie reiten. Es kamen aber Neunjährige mit | |
Reitstiefeln, die von einem Ausflug zum Ponyhof ausgingen, schließlich aber | |
auch damit zufrieden waren, auf meinem Rücken den Hofparcours zu | |
absolvieren. Unzufrieden war allein mein Rücken. | |
Lustig ist es, eine halbe Stunde vor einem Kindergeburtstag, den man wegen | |
Schnee oder Regen drinnen verbringen muss, das Stresslevel zu erhöhen. | |
Einfach „ich gehe mal eben Zigaretten holen“ in die Wohnung rufen und sich | |
dann an der Verzweiflung der Frau weiden, die plötzlich mit vor Angst | |
verkniffenem Gesicht angeschossen kommt und in flehendem Ton fragt: „Kommst | |
du wieder?“ | |
Ja, klar, sonst würde ich ja die Kung-Fu-Einlagen verpassen, die sich | |
Achtjährige so gerne geben, nachdem sie Kuchen (fester Zucker) und Limo | |
oder Cola (flüssiger Zucker) und Brause (pulverisierter Zucker) zu sich | |
genommen haben. Der Zucker wandelt sich sofort in Energie um, diese Energie | |
muss raus und schon fliegen acht Achtjährige wie einst Bruce Lee und Chuck | |
Norris mit gestreckten Beinen um die Wohnzimmerlampe. | |
Ich übertreibe? Ja, sicher. Aber so fühlt es sich an. Während die | |
Zucker-Kampfmaschinen ihr Gebrüll von Jedi-Rittern und Lichtschwertern | |
anstimmen, sehen wir nur Tischkanten, Regalecken und Zimmerpflanzen. | |
Fünf, sechs Jahre lang wird das noch so gehen, dann machen die Kinder das, | |
was wir an den Abenden nach ihren Geburtstagsfeiern so gerne tun: viel | |
Alkohol trinken. Sie werden ohne uns trinken wollen, das ist ihr gutes | |
Recht. Wir werden dann den Kuchen, die Limo, Cola und Brause ganz für uns | |
haben. Ich freue mich schon auf den Zuckerschock. Die Wohnzimmerlampe | |
gehört dann mir allein. | |
15 Apr 2013 | |
## AUTOREN | |
Maik Söhler | |
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