| # taz.de -- Linkspartei im Bundestagswahlkampf: Gysi allein an der Spitze | |
| > Die Linke setzt für die Bundestagswahl auf Fraktionschef Gregor Gysi. | |
| > Sahra Wagenknecht darf nur einer von sieben Sidekicks für die | |
| > Ein-Mann-Show sein. | |
| Bild: Gregor Gysi gibt noch mal das vorderste Zugpferd für den lahmenden Tross… | |
| BERLIN taz | Um halb drei wird es ziemlich voll im Seminarraum eins im | |
| ND-Haus in Berlin, dort, wo früher die Redaktion des Neuen Deutschlands | |
| war. Acht Politikerinnen der Linkspartei gehen in Reih und Glied auf das | |
| Podium. Dietmar Bartsch lächelt ein wenig ironisch, Diane Golze aus | |
| Brandenburg schaut verlegen stur geradeaus, Sahra Wagenknecht steht | |
| stocksteif wie immer. Außerdem gehören Klaus Ernst und Caren Lay, Jan van | |
| Aken und Nicole Gohlke dem Spitzenteam an, mit dem die Linkspartei die | |
| Bundestagswahl bestehen will. | |
| Und natürlich Gregor Gysi, der erst mal tut, was er eher selten macht: Er | |
| schweigt. Parteichefin Katja Kipping sagt, dass dieses Team die | |
| „verschiedenen Generationen und Fraktionen“ der Linkspartei repräsentiert. | |
| Und die Themen: Bartsch für den Osten, Ernst für Arbeit, Gohlke für | |
| Bildung, van Aken für Frieden, Lay für die Energiewende. Und Gysi irgendwie | |
| für alles. | |
| Dieses Spitzenteam ist nach Gender-, Generations-, Flügel, und West-Ost | |
| Aspekten haargenau quotiert. Laut Gysi ist es ist „eine Stärke, dass unser | |
| Team so groß ist“. Was ist der genaue Zweck dieses Teams? Der Fraktionschef | |
| sagt dazu launig, man werde sich bestimmt „interessant beraten“. Ein | |
| Spitzenteam einer Partei als Diskussionszirkel – das gab es noch nie. | |
| Ob die Linkspartei Wimmelbilder ihrer Stars im Wahlkampf plakatieren wird, | |
| ist noch offen. Im Grunde ist nicht mal klar, ob es allen acht überhaupt | |
| gelingt, im Frühjahr einen sicheren Listenplatz für den Bundestag zu | |
| erringen. | |
| ## Nur Gysi zählt | |
| Diese Spitzenteam ist ein Irrtum, eine Verwechslung. Es müsste heißen: | |
| Gremium zwecks innerer Befriedung aller Strömungen und Gruppen in der | |
| Linkspartei. Ein wahlkampftaugliches Spitzenteam aus Gysi, Kipping, | |
| Wagenknecht war innerparteilich nicht durchsetzbar. Jetzt ist Gysi der | |
| Einzige, der im Wahlkampf der Linkspartei zählen wird. | |
| So erklärt sich wohl auch der kuriose, bemerkenswert ungünstige Termin | |
| direkt nach der deprimierenden Wahlniederlage in Niedersachsen. Hier wird | |
| kein schwungvolles, schlagkräftiges Team stolz der Öffentlichkeit | |
| präsentiert, das die Linkspartei sicher wieder in den nächsten Bundestag | |
| bringt. Auf dieser Bühne steht etwas verhuscht der innerparteiliche | |
| Minimalkonsens. | |
| Zuvor erläuterten Parteichef Bernd Riexinger und Katja Kipping, was aus der | |
| Niederlage in Niedersachsen folgt. Erst mal nichts – man ist noch benommen. | |
| Kipping identifizierte in den 36.000 Ex-Linksparteiwählern, die diesmal | |
| nicht an die Urne gingen, das Hauptproblem. Doch wie dem beizukommen ist, | |
| weiß die Linksparteiführung auch nicht. „Bergab geht es schnell, bergauf | |
| ist es schwieriger“ so Kipping ratlos. | |
| Riexinger fügte hinzu, dass der Parteiaufbau im Westen eben „ein steiniger | |
| Weg ist“. Man habe, so Riexinger selbstkritisch, „Nachholbedarf in der | |
| Kommunalpolitik“, die offenbar als Basis jeden nachhaltigen Erfolgs | |
| begriffen wird. So schwankt die Linkparteiführung zwischen Zerknirschung | |
| und den üblichen Durchhalteparolen. Nur die niedersächsische Linke Ursula | |
| Weisser-Roelle war, unbeirrbar vom Wahlergebnis, nicht davon abzubringen, | |
| dass man alles richtig gemacht hat. | |
| ## Wie geht es weiter? | |
| Unschön ist für die Linkspartei noch eine andere Zahl. 47 Prozent der | |
| WählerInnen in Niedersachsen halten die Linkspartei für eine Ostpartei, die | |
| im Westen nicht gebraucht wird. So scheint ausgerechnet die Partei, die | |
| sich selbst die Vereinigung auf Augenhöhe attestiert, unter einem schwer | |
| lösbaren Ost-West-Konflikt zu leiden. | |
| Horst Kahrs, Politexperte der Rosa-Luxemburg-Stiftung, meint kühl: „Es gibt | |
| im Westen Deutschlands keine ausreichend große Stammwählerschaft, um die | |
| Partei verlässlich auf die Bühne parlamentarischer Politik zu hieven.“ Jan | |
| Korte, Pragmatiker aus dem Osten, hat vor allem Fragen, wie es jetzt | |
| weitergeht: „Wie kann eine langfristige und glaubwürdige Mitte-links-Option | |
| entwickelt werden, eine klare Eigenständigkeit, die gleichzeitig | |
| realistische Optionen auf einen Regierungswechsel eröffnet?“ | |
| Will sagen: Wie wird sich die Linkspartei zu Rot-Grün verhalten? Als Gegner | |
| oder Teil des Reformprojekts? Das ist die Schlüsselfrage. Das Spitzenteam | |
| ist keine Antwort darauf. | |
| 21 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Stefan Reinecke | |
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