# taz.de -- Landtagswahl in Niedersachsen: Die Linke und das alternative Leben | |
> Johanna Voß lebt im Wendland, Territorium der Grünen. Aber die 54-Jährige | |
> vertritt im Bundestag die Linkspartei mit Themen wie Atommüll und | |
> Fracking. | |
Bild: Will mit Umweltthemen Wähler werben: Johanne Voß von der Linkspartei | |
BERLIN taz | Als Oskar Lafontaine am Donnerstagabend in der Kleinstadt | |
Soltau für die Genossen in Niedersachsen Wahlkampf machte, stand Johanna | |
Voß dicht an seiner Seite. Die Frau mit den blonden Strubbelhaaren gehörte | |
zur Entourage des Linken-Chefs aus dem Saarland – und sorgte dafür, dass | |
„der Oskar“ in der Lüneburger Heide ordnungsgemäß begrüßt wurde. | |
Johanna Voß besitzt dort einen Lokalvorteil. Sie wohnt knapp hundert | |
Kilometer von Soltau entfernt, in Simander, einem Dorf im Landkreis | |
Lüchow-Dannenberg. Der ist vielen eher bekannt als „das Wendland“. Dort | |
tobt seit Jahrzehnten der Antiatomkampf. Johanna Voß, 54, ist immer | |
mittendrin. | |
Sie trägt gebrauchte Schuhe, hat Hühner und ein Kompostklo. Sie macht Honig | |
selbst und lebt von ihrem Garten. Äpfel, Tomaten, Eier. Was sie nicht hat, | |
tauscht sie. Johanna Voß ist so öko, wie man das nur von Alternativen und | |
Grünen kennt. Aber die Frau ist Mitglied der Linken, für die Partei sitzt | |
sie seit 2010 als Nachrückerin im Bundestag. Seitdem kämpft sie dort für | |
ihren Landkreis und für das alternative Leben. | |
Wenn am kommenden Sonntag in Niedersachsen die Wahlkabinen schließen, | |
rechnet Johanna Voß fest damit, dass ihre Partei wieder in den Landtag | |
einzieht. Doch sie könnte enttäuscht werden. Umfragen zufolge scheitert die | |
Partei derzeit an der Fünfprozenthürde. | |
Wie kommt jemand in der Antiatomkampfregion der Nation dazu, sich für die | |
Linken zu engagieren? Für eine Partei, die im Wendland kaum eine Rolle | |
spielt. Deren politischer Schwerpunkt nicht bei der Ökologie liegt, auch | |
nicht bei unkonventionellen Lebensentwürfen. | |
Die WendländerInnen sind politisch anders aufgestellt: Viele Bauern wählen | |
CDU, auch nicht wenige Ingenieure und Techniker im Atommüll-Zwischenlager | |
Gorleben. Die „Alternativen“ – Aussteiger, die in Wagenburgen wohnen, | |
Öko-Landwirte und Vogelschützer – machen ihr Kreuzchen bei den Grünen. | |
Manchmal geht der Riss durch die Familien: Da arbeitet der Vater im | |
Zwischenlager, und Mutter und Kinder demonstrieren gegen Gorleben. | |
## Linke mit Gorleben-Bonus | |
Johanna Voß hat vor allem Freunde im Grünen-Milieu. Manche von ihnen sagen: | |
Soll sie doch machen mit ihrer komischen Partei. Manche Linke wiederum | |
sagen über die eigenwillige Genossin: Die hat den Gorleben-Bonus. Oder | |
anders ausgedrückt: Die Linke leistet sich Leute wie Johanna Voß, weil | |
Themen wie Endlagersuche, Windkraft und Fracking, die umstrittene Förderung | |
von Schiefergas, keine Herzensangelegenheiten der Linkspartei sind. Aber | |
diese Themen prägen das Wendland. Und auch da will die Linke punkten. | |
Neuerdings mit Lafontaines Lebensgefährtin, der Fundamental-Linken Sahra | |
Wagenknecht. | |
Schafft die Partei das? Johanna Voß glaubt fest daran. Sie sagt: „Die | |
Grünen sind keine Alternative mehr, schon gar nicht für Gorleben.“ Damit | |
spielt sie auf die Aussage der Öko-Partei an, den Salzstock bei der Suche | |
nach einem Standort für ein Atommüllendlager nicht auszuschließen. Sie sagt | |
auch: „Jetzt kommen Bauern zu mir und sagen, sie könnten nicht mehr CDU | |
wählen.“ Weil Ministerpräsident David McAllister (CDU) und seine | |
schwarz-gelbe Regierung nicht mehr ihre Interessen vertreten. Was wählen | |
sie dann? „Linkspartei“, sagt Johanna Voß: „Bauer Friedhelm zum Beispiel… | |
Man kann das grundoptimistisch nennen. Oder naiv. Johanna Voß ist das egal, | |
sie gibt viel Geld aus dafür. Von ihren rund 8.000 Euro Diäten aus dem | |
Bundestag in Berlin finanziert sie drei Wahlkreisbüros in Niedersachsen, | |
unter anderem in Soltau. Sie spendet für Arbeitslose und Vereine, gerade | |
erst 2.000 Euro für eine Musikgruppe in der Grundschule im Nachbardorf | |
Lemgow. | |
## „Geld bedeutet mir nichts“ | |
„Ich bin zwischendurch immer mal wieder pleite“, sagt sie. Bevor sie in den | |
Bundestag einzog, lebte sie von Hartz IV. Sie sei „zehn Jahre lang auf | |
hohem Niveau arbeitslos“ gewesen. Aber nicht beschäftigungslos: Mitarbeit | |
im Familienzentrum Dannenberg, beim offenen Kanal Salzwedel, Bewegungskurse | |
für junge Mütter. Alles ohne Bezahlung. Warum? „Geld bedeutet mir nichts“, | |
sagt sie. | |
Die Linkspartei hatte schon mal eine Abgeordnete, die vor ihrer Zeit im | |
Bundestag Hartz IV bezog. Von 2005 an aber war Elke Reinke aus Aschersleben | |
in Sachsen-Anhalt die Hartz-IV-Expertin der Fraktion. Für die | |
Bundestagswahl 2009 stellte die Partei sie aber nicht mehr auf. Manche | |
sagen, sie habe zu viel „Betroffenheitspolitik“ gemacht. | |
15 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Simone Schmollack | |
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