| # taz.de -- Rassismus in Kinderbüchern: „Es sind auch meine Kinderbücher!“ | |
| > Die Journalistin Hadija Haruna über diskriminierende Ausdrücke in | |
| > Kinderbüchern, die Abwehrreflexe von Feuilletonisten und Rassismus in den | |
| > Medien. | |
| Bild: Lesen fördert die Fantasie. Oder Vorurteile | |
| taz: Frau Haruna, verstehen Sie, warum die Debatte um diskriminierende | |
| Begriffe in Kinderbüchern solche Wellen schlägt? Die Zeit macht auf ihrem | |
| Titel alberne Witze, der Literaturkritiker Denis Scheck hat sich in seiner | |
| ARD-Sendung das Gesicht schwarz geschminkt. Warum reagieren erwachsene | |
| Feuilletonisten so kindisch? | |
| Hadija Haruna: Ich glaube, dahinter steht die Angst, sich von den eigenen | |
| Vorurteilen verabschieden zu müssen. Anders kann ich mir diese heftigen | |
| Abwehrreaktionen nicht erklären. Viele benutzen das N-Wort noch immer, | |
| bewusst oder unbewusst. Vielleicht fühlen sie sich dabei ertappt. | |
| Reflektieren zu müssen, dass man einen rassistischen Begriff benutzt, | |
| obwohl man um seine abwertende Bedeutung weiß, ist schmerzhaft. Manche | |
| weichen dem lieber aus - oder setzen verhöhnend noch einen drauf. | |
| Kritiker sehen in der Änderung von Kinderbüchern einen Akt der Zensur. Sie | |
| nicht? | |
| Wenn ein Autor und ein Verlag sich aus freien Stücken dazu entscheiden, | |
| kann man nicht von Zensur reden. Änderungen in der Literatur sind ja nichts | |
| Neues. Und andere Änderungen hat man hingenommen, ohne dass es so einen | |
| Aufschrei gab. | |
| Viele sagen, das N-Wort zu lesen mache noch niemanden zum Rassisten - und | |
| habe Ihnen persönlich nicht geschadet. | |
| Die Debatte zeigt, dass es ihnen offenbar doch geschadet hat. Denn manche | |
| tun jetzt so, als wollten sich irgendwelche Fremden an deutschem Kulturgut | |
| vergreifen. Sie ignorieren, dass nicht alle Menschen in Deutschland weiß | |
| sind - und damit auch nicht alle Leser. Das sind auch meine Kinderbücher, | |
| ich habe die auch als Kind gelesen! Und genau wie die neunjährige Ishana, | |
| die ihre Wut in einem Leserbrief an die Zeit auf den Punkt gebracht hat, | |
| habe ich dieses Gefühl der Entwertung, das sich mit diesem Wort verbindet, | |
| als eine Verletzung empfunden. Die Reaktion ist dann häufig: Sei doch nicht | |
| so empfindlich! Es ist nicht so gemeint! Das kriegen schwarze Kinder | |
| ständig zu hören. Damit werden ihre Lebensrealität und ihre Erfahrungen | |
| negiert. | |
| Denis Scheck meint, das Wort sei früher nicht rassistisch konnotiert | |
| gewesen - und Kinder sollten lernen, das Sprache einem steten Wandel | |
| unterliegt. | |
| Das N-Wort war früher schon rassistisch. Aber früher gehörte dieser | |
| Rassismus eben zum guten Ton. Heute weiß man darum - und benutzt diese | |
| Worte trotzdem weiter. Aber was machen Kinder denn, wenn sie diesen Worten | |
| in Kinderbüchern begegnen? Weiße Kinder lernen, was "N" sind, und das Weiße | |
| ihnen überlegen sind. Schwarze Kinder lernen, dass sie mit "N" gemeint und | |
| minderwertig sind. | |
| Ist es nicht auch eine Form der Geschichtsfälschung, diesen Rassismus | |
| nachträglich tilgen zu wollen? | |
| Man kann Astrid Lindgren und ihr Werk, dass dem damaligen Zeitgeist | |
| entspricht, nicht umschreiben. Darum geht es auch nicht. Aber man kann ihm | |
| die Spitze nehmen - damit dieses Denken endlich aus den Köpfen | |
| verschwindet. Wir reden hier ja nicht über Shakespeare. Wir reden über | |
| Bücher für Kinder. Wie will man denen erklären, dass man ihnen ein Wort | |
| vorliest, dass sie selbst nicht benutzen sollen? Zumal Kinder bekannt dafür | |
| sind, dass sie etwas, das ihnen verboten wird, erst recht machen? Das frage | |
| ich mich. | |
| Einer Umfrage zu Folge sind gerade höher Gebildete gegen jede Änderung von | |
| Kinderbüchern. Was sagt uns das? | |
| Vielleicht sind einfache Leute da pragmatischer. Es geht in der Diskussion | |
| ja längst nicht mehr nur um Kinderbücher. Es geht um die Frage, ob man das | |
| N-Wort noch benutzen darf oder nicht. Das N-Wort übt offenbar auch auf | |
| viele Intellektuelle noch eine starke Faszination aus. Manchmal denke ich, | |
| es ist reizvoll für sie, etwas Verbotenes zu sagen. Dass Denis Scheck sich | |
| dann auch noch "blackfaced", sich also schwarz anmalt und damit eine | |
| rassistische Tradition bedient - da fehlen mir die Worte. | |
| Hat sich die Diskussion dadurch verändert, dass es in den Medien immer mehr | |
| afrodeutsche Journalisten gibt? | |
| Es ist ein Fortschritt, dass die Zeitungen heute auch unsere Stimmen zu | |
| Wort kommen lassen. Aber von einem Gespräch auf Augenhöhe kann man noch | |
| nicht sprechen. Es ist für schwarze Journalistinnen und Journalisten auch | |
| nicht immer einfach, sich in solchen Debatten in ihren Redaktionen zu | |
| behaupten. | |
| Welche Bücher würden Sie selbst Ihrem Kind vorlesen? | |
| Ich will niemandem vorschreiben, was er seinen Kindern vorliest. Aber | |
| Eltern fällen damit pädagogische Entscheidungen. Wer seinen Kindern eine | |
| rassistische Weltsicht beibringen will, der soll das machen. Aber ich würde | |
| meinen Kindern zum Beispiel entsprechende Szenen aus Pippi Langstrumpf oder | |
| das Buch Jim Knopf nicht vorlesen, weil ich sie nicht diesen Bildern | |
| aussetzen möchte. | |
| 31 Jan 2013 | |
| ## AUTOREN | |
| Daniel Bax | |
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