# taz.de -- Kommentar Einwanderung: Wer die Wahl hat, geht woandershin | |
> Der alte deutsche Nützlichkeitsrassismus ist immer noch aktuell: Und zwar | |
> solange, bis sich die Bundesregierung vorbehaltlos zur Zuwanderung | |
> bekennt. | |
Es gehört zum Weltbild vieler Konservativer zu glauben, die ganze Welt | |
wolle am liebsten nach Deutschland kommen. Ausländerpolitik hat nach ihrer | |
Auffassung vor allem dafür zu sorgen, dass das nicht passiert. Die | |
Wirklichkeit sieht anders aus: Wer die Wahl hat, geht lieber woandershin. | |
Nicht ohne Grund. Auch wenn sich Politik und Wirtschaft in den letzten | |
Jahren bewegt haben, gilt Zuwanderung in Deutschland immer noch als zu | |
begründende Abweichung vom Normalzustand. Im Gegensatz zu traditionellen | |
Einwanderungsländern wie den USA heißt es hier: Wenn schon Leute zum | |
Arbeiten kommen, dann nur, wenn sie auch wirklich wieder verschwinden. | |
So hatte man es sich schon bei den Gastarbeitern gedacht – und obwohl dies | |
mit der Wirklichkeit nicht viel zu tun hatte, hält sich das Dogma, dass | |
Deutschland kein Zuwanderungsland sein dürfe, bis heute. | |
Vor knapp zehn Jahren wagte die Schröder-Fischer-Regierung eine minimale | |
Öffnung und gab ausländischen Computer-Experten die Möglichkeit, befristete | |
Arbeitsvisa zu beantragen. Die Resonanz war, wie nicht anders zu erwarten, | |
gering: Die sogenannten Computer-Inder blieben aus. Seither sanken die | |
bürokratischen Hürden weiter. Doch die Grundhaltung gegenüber Einwanderern | |
ist dieselbe geblieben: Müssen die wirklich kommen? | |
Das schlägt sich in hohen Anforderungen an Sprachkenntnisse nieder, dem | |
Unwillen deutscher Unternehmen, sich im Ausland um neue Mitarbeiter zu | |
bemühen, oder auch in Neonazi-Gewalt. Dass sich viele potenzielle | |
Einwanderer nicht willkommen fühlen, ist da kein Wunder. | |
Die wirtschaftliche und demografische Lage zwingt Deutschland mittlerweile, | |
sich um Zuwanderer zu bemühen. Von der Leyens Ankündigung, die | |
Verdienstgrenzen für „Mangelberufe“ abzusenken, ist ein richtiger Schritt. | |
Aber solange es kein vorbehaltloses Bekenntnis der Bundesregierung zur | |
Zuwanderung gibt, bleibt sie nur eine neue Form des alten deutschen | |
Nützlichkeitsrassismus. | |
5 Feb 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
Christian Jakob | |
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