# taz.de -- Protestaktion in Tunesien: Flüchtlinge belagern UN-Büro in Tunis | |
> Seit dem Libyen-Krieg sitzen hunderte Afrikaner in der Wüste fest. Der | |
> UNHCR will sie nicht als Flüchtlinge anerkennen. In Tunesien sollen sie | |
> nicht bleiben. | |
Bild: Seit zwei Jahren sitzen diese Bewohner des Lagers Choucha in der Wüste f… | |
BERLIN taz | Rund 100 afrikanische Flüchtlinge belagern seit Montag das | |
Büro des UN-Flüchtlingskommissars UNHCR in der tunesischen Hauptstadt | |
Tunis. Sie fordern, in ein sicheres Land ausreisen zu dürfen. | |
Die aus dem Tschad, Sudan, Liberia, Elfenbeinküste, Äthiopien und Nigeria | |
stammenden Männer und Frauen sind die letzten von tausenden Flüchtlingen, | |
die während des Libyenkrieges in ein UNHCR-Camp in der tunesischen Wüste | |
gekommen waren. „Wir können nicht wieder nach Libyen, und wir können nicht | |
in unsere Heimatländer“, sagt der Nigerianer Bright Samson am Mittwoch der | |
taz. „Wir gehen hier nicht wieder weg, bis es eine Lösung für uns gibt.“ | |
Sonntagnacht waren die Protestierenden mit Bussen aus dem rund 400 | |
Kilometer entfernten Camp in die Hauptstadt gekommen. Seither campieren sie | |
unter freiem Himmel vor dem Büro des UNHCR. | |
Als Anfang 2011 der Bürgerkrieg in Libyen ausbrach, fanden Zehntausende im | |
Lager Choucha nahe der libyschen Grenze Zuflucht. Die meisten von ihnen | |
kehrten in ihre Heimatländer zurück. Einige Tausend wurden vom UNHCR als | |
„schutzbedürftig“, als so genannte „Persons of concern“ eingestuft und… | |
Laufe der letzten Monate in sichere Drittstaaten ausgeflogen. Deutschland | |
beispielsweise nahm – nach langem Drängen des UNHCR – im September 195 | |
Menschen aus Choucha auf. | |
## „Nicht schutzbedürftig“ | |
Doch rund 230 Menschen verweigert der UNHCR die Aufnahme in sein | |
Umsiedlungsprogramm. Sie gelten als „nicht schutzbedürftig“. ITunesien will | |
ihnen kein Aufenthaltsrecht geben, im Juni soll das Camp Choucha | |
geschlossen werden. Was mit den Menschen geschieht, ist unklar. „Wir leben | |
seit zwei Jahren in dem Lager in der Wüste; das ist eine enorme psychische | |
und körperliche Belastung“, sagt Samson. Der UNHCR habe „einen großen | |
Fehler“ begangen, als er ihnen die Anerkennung als Flüchtlinge verweigert | |
habe. | |
Tatsächlich lebten die Flüchtlinge in dem provisorischen Zeltlager unter | |
ausgesprochen harten Bedingungen. Neben der extremen Hitze, rationierter | |
Nahrung und teils rationiertem Wasser wurden sie auch von der einheimischen | |
Bevölkerung attackiert: Vor einem Jahr griff ein Mob von Tunesiern das | |
Lager an. Sie brannten 400 Zelte nieder, acht Flüchtlinge starben. Das | |
tunesische Militär, das das Lager bewacht, half nicht. Immer wieder gab es | |
seither teils heftige Proteste der Camp-Bewohner, die vom Militär auch mit | |
Gewalt niedergeschlagen wurden. Mehrfach waren Flüchtlinge aus Choucha im | |
Mittelmeer ertrunken, als sie versuchten, in Booten nach Europa zu | |
gelangen. | |
Dafür machte ihnen der UNHCR auch am Mittwoch wenig Hoffnung: „Sie haben | |
ein reguläres Verfahren durchlaufen, wurden aber von uns nicht als | |
Flüchtlinge anerkannt“, sagt der deutsche UNHCR-Sprecher Stefan Telöken. Er | |
sehe lediglich die Möglichkeit, dass sie in ihre Länder zurückkehren oder | |
dass Tunesien ihnen einen Aufenthalt gewähre. Das lehnt die Regierung | |
jedoch ab. Ein Gespräch zwischen Flüchtlingsvertretern und dem UNHCR war am | |
Dienstag in Tunis ohne Ergebnis verlaufen. | |
„Die internationale Gemeinschaft hat den UNHCR eine Auslese treffen lassen | |
zwischen „wirklichen“ und „falschen“ Flüchtlingen“ heißt es in einer | |
Erklärung die bis Mittwoch 15 Flüchtlingsorganisationen aus verschiedenen | |
europäischen und afrikanischen Ländern unterschrieben haben. „Sie sind ohne | |
juristischen Status in Tunesien und ohne Möglichkeit, in ihre | |
Herkunftsländer zurück zu kehren.“ Der UNHCR habe sie in eine | |
„aussichtslose Situation“ getrieben. | |
31 Jan 2013 | |
## AUTOREN | |
Christian Jakob | |
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