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# taz.de -- Oscar-Verleihung: Zwischen den Werbepausen
> Das Oscar-Rennen ist offener denn je. Denn erstmals dürfen alle
> Akademie-Mitglieder abstimmen und nicht nur die, die bei einer Vorführung
> anwesend waren.
Bild: Der goldene Oscar in voller Pracht.
Über ein Jahr ist vergangen, seit der Dokumentarfilm „Searching for Sugar
Man“ beim Sundance Filmfestival Premiere hatte. Damals gab es schließlich
den Publikumspreis, am Sonntagabend könnte nun auch noch ein Oscar
hinzukommen. Denn in der Kategorie „Bester Dokumentarfilm“ wird Malik
Bendjellouls Porträt des Detroiter Musikers Sixto Rodriguez neuerdings als
Favorit gehandelt.
Die Gründe dafür liegen tief im Inneren des undurchdringlichen Apparats der
American Academy of Motion Picture Arts and Sciences verborgen. Dort wurden
in diesem Jahr die Regeln für Dokumentarfilme geändert, erstmals wurden
DVDs der nominierten Filme an alle rund 5.000 Mitglieder verschickt,
während bislang nur Leute wahlberechtigt waren, die an einem Screening
teilgenommen hatten.
Bei einer größeren Menge von Stimmabgaben gilt der „Feelgood“-Film
„Searching for Sugar Man“ auch deshalb als Favorit, weil zwei
konkurrierende Beiträge thematisch zu nahe beisammenliegen („5 Broken
Cameras“ und „The Gatekeepers“ über Israel/Palästina) und weil bei
Bendjelloul die politische Botschaft am bekömmlichsten ist.
Die Überlegungen zu „Searching for Sugar Man“ sind typisch für die letzten
Tage vor der Verleihung der Oscars, zwischen der letzten Anpassung der
Wettquoten und der Auszählung der abgegebenen Voten. Dass die Werbepreise
für die Fernsehausstrahlung in den USA auf dem Network ABC so hoch waren
wie seit 2008 nicht mehr, wird dabei als Indiz für ein generell
verbessertes Geschäftsklima betrachtet.
## Perfekte Show
Die Oscars sind neben der Super Bowl der deklarierte Höhepunkt des
Fernsehjahrs: eine in der Regel perfekte Show, für die Starkomödiantinnen
wie Carol Leifer die teuren Pointen schreiben. Präsentiert wird die Gala
heuer zum ersten Mal von Seth MacFarlane, einem kreativen Kopf, der
eigentlich hinter der Kamera (zuletzt als Regisseur der Komödie „Ted“) und
als Erfinder der Cartoon-Serie „Family Guy“ noch größere Verdienste hat.
Die Logik hinter dieser Besetzung ist klar ersichtlich: Die Oscars, die in
den letzten Jahren mit einem Relevanzverlust kämpften, wollen sich
verstärkt der (jüngeren) Popkultur öffnen. Das zeigt sich auch darin, dass
„Django Unchained“ unter den nominierten Filmen stark vertreten ist,
wenngleich Quentin Tarantinos an den Kassen sehr erfolgreicher Western in
der Schlussausscheidung eher schlechte Chancen haben dürfte.
Das Rennen um den besten Film gilt als offen wie schon lange nicht.
„Lincoln“ oder doch „Argo“? Oder, wie die natürlich von PR-Agenturen
gesteuerte Gerüchteküche in den letzten Tagen mehrfach vernehmen ließ, der
Außenseiter „Silver Linings Playbook“? Das wäre dann in etwa aus denselben
Gründen wie bei „Searching for Sugar Man“. Ein Faktor ist dabei auch, dass
Michael Hanekes „Amour“ sowohl bei den „nicht englischsprachigen Filmen“
wie in der allgemeinen Konkurrenz nominiert ist.
Einige „Oscarologisten“ haben bereits das Szenario entworfen, dass
Mitglieder der Academy taktisch abstimmen könnten, „Amour“ also gerade
nicht für den hierzulande gern „Auslands-Oscar“ genannten Preis wählen
könnten, um ihn für den Hauptpreis wählbar zu machen. Das könnte insofern
nach hinten losgehen, als „Amour“, der in Los Angeles unter anderem von
Stefan Arndt (X-Filme, Berlin) vertreten wird, keinen der beiden Preise
bekommen könnte. Dann wäre da aber immer noch Emmanuelle Riva, die hohe
Favoritin in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“.
Für „Amour“ gilt, was auch für „Searching for Sugar Man“ gilt: Die
Auswertung ist weitgehend durch, der Erfolg schon klar und deutlich; was
nun noch folgen könnte, ist ein Moment für die Geschichtsbücher. In der
Nacht auf Montag finden diese Momente zwischen den Werbepausen statt.
24 Feb 2013
## AUTOREN
Bert Rebhandl
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