| # taz.de -- Filmfestival Fespaco in Burkina Faso: Leinwand auf Wanderschaft | |
| > In Westafrika gibt es kaum noch Möglichkeiten, Filme im Kino zu sehen. | |
| > Umso wichtiger ist das 1972 gegründete Filmfestival Fespaco. | |
| Bild: „Wir brauche positive Filme. Bis heute sind die meisten aus Afrika sehr… | |
| OUAGADOUGOU taz | Manchmal muss man in Ouagadougou sogar anstehen, um einen | |
| Film sehen zu können. Es sind die preisverdächtigen Filme wie „Die Pferde | |
| Gottes“ des marokkanischen Filmemachers Nabil Ayouch, die die Zuschauer | |
| anziehen, oder „La Pirogue“. Das Migrantendrama von Moussa Touré aus dem | |
| Senegal gilt als Favorit. | |
| „Ein sehr populärer Film“, bestätigt Baba Diob, Präsident der afrikanisc… | |
| Föderation der Filmkritiker FACC, der selbst aus dem Senegal stammt. „Der | |
| Film lebt die Erfahrung der Immigration nach Europa und redet nicht nur | |
| darüber. Sehr interessant.“ Letztendlich landet der Film auf Platz drei. | |
| Sieger wird Alain Gomis, der ebenfalls aus dem Senegal stammt und mit dem | |
| Streifen „Tey/Aujourd’hui“ gewinnt. | |
| Gemeinsam haben die Filme die guten Chancen, zumindest im europäischen | |
| Programmkino zu laufen. Denn so stellt man sich Afrika vor: Terrorismus im | |
| Norden; der verzweifelte Versuch vieler Westafrikaner, irgendwie nach | |
| Europa zu kommen; Gangstermilieu und Kriminalität in Südafrika. | |
| Die 35-jährige Constance – ihren Nachnamen will sie nicht nennen – macht | |
| ganz in der Nähe des Kinos Cine Burkina Mittagspause. Rund um das alte | |
| Lichtspielhaus von Ouagadougou – eines der wenigen festen Kinos, die es in | |
| Westafrika überhaupt noch gibt – haben Frauen kleine Garküchen aufgebaut. | |
| Ein Schuhputzer wartet auf Kundschaft. | |
| ## Mehr als 100 Filme | |
| Constance kauft ein Baguette, das mit Avocadocreme bestrichen und gekochtem | |
| Ei belegt wird und zahlt 200 CFA (umgerechnet 30 Cent) dafür. Von der | |
| kleinen Holzbank aus, die im Halbschatten steht, beobachtet sie das Kino | |
| und schaut zu, wie die grünen Taxen mit Besuchern ankommen. Die meisten | |
| sind Europäer. Sie zahlen eilig und hasten in den Saal. Viele Vorführungen | |
| fangen pünktlich an. Mehr als 100 Filme werden in diesem Jahr auf dem | |
| [1][Filmfestival Fespaco] gezeigt, mehrfach und an verschiedenen Orten. | |
| Für den Eintrittspreis eines Films, der im regulären Programm des Cine | |
| Burkina gezeigt wird, könnte sich Constance sieben oder acht belegte | |
| Baguettes kaufen. „Nein, zum Fespaco war ich noch nicht“, sagt sie. „Die | |
| Leute hier gehen ja ganz gerne ins Kino.“ Constance bleibt allgemein und | |
| spricht nicht über sich oder einen Lieblingsfilm. Die Begeisterung scheint | |
| sie nicht gepackt zu haben. | |
| Sylvestre Amoussou nickt. Der Beniner lebt in Paris und ist ein bekannter | |
| afrikanischer Filmemacher. Wenn er als Zuschauer in einer der | |
| Diskussionsrunden zur Zukunft des afrikanischen Kinos sitzt, wird er extra | |
| begrüßt. Bekannt geworden ist er vor allem durch seinen Film „Africa | |
| paradis“. Auch in diesem geht es um Flüchtlingsströme – aber anders herum. | |
| Denn im Jahr 2040 sind es plötzlich die Europäer, die in die „Vereinigten | |
| Staaten von Afrika“ wollen. Die nehmen selbstverständlich nicht jeden auf, | |
| sondern versuchen, die Flüchtlinge zurück nach Frankreich abzuschieben. | |
| Genau solche Filme würden in Afrika fehlen, sagt er. | |
| „Wir brauche positive Filme. Bis heute sind die meisten aus Afrika sehr | |
| negativ“, sagt der Filmemacher nach der Diskussionsrunde. Was gerade | |
| angesagt ist, ändert sich alle paar Jahre. Eine Zeit lang waren | |
| Produktionen über Kindersoldaten und Rohstoffe beliebt. Generell, so findet | |
| Sylvestre Amoussou, würden häufig Armut und Hunger gezeigt. „Wer diese | |
| Probleme aus der eigenen Erfahrung kennt, will sie nicht noch einmal im | |
| Kino gezeigt bekommen.“ | |
| ## Europäische Fördermittel | |
| Ein Grund dafür ist der große Einfluss Europas auf die afrikanische | |
| Filmindustrie. Gerade Spielfilme, die eine Stunde oder länger sind, lassen | |
| sich kaum ohne europäische Fördermittel finanzieren. Die wenigsten | |
| Filmemacher schaffen es mit ihren Skripten bis dorthin. „Den afrikanischen | |
| Filmemachern bringt das große Schwierigkeiten“, sagt Amoussou. So würde | |
| schließlich Kolonialismus kultiviert werden. | |
| „Der französische Einfluss rührt aber auch daher, dass viele in Frankreich | |
| ausgebildet worden sind“, sagt Stephanie Dongmo. Sie stammt aus Kamerun und | |
| ist dort Präsidentin des [2][Cinéma Numérique Ambulant (CNA)], des | |
| ambulanten digitalen Kinos. Finanziert wird das Projekt seit zwölf Jahren | |
| ebenfalls mit europäischen Fördergeldern. | |
| Ziel ist es, mit Leinwand und Videoprojektor in die Dörfer zu fahren und | |
| Menschen auf dem Land ihr allererstes Kinoerlebnis zu ermöglichen – in | |
| Dörfern, in denen es weder Strom noch Fernseher gibt. Es sind Filme aus | |
| Afrika – finanziert von Europa. „Wir müssen akzeptieren, dass wir in einer | |
| Zeit der Globalisierung leben“, findet Stephanie Dongmo. Sie ist | |
| vorsichtiger und pragmatischer als andere Kritiker. Aus ihrer Sicht ist die | |
| Finanzierung aus Europa oft die einzige Chance, überhaupt afrikanische | |
| Filme machen zu können. | |
| Doch wenn nicht gerade eines der 15 rollenden CNA-Kinos unterwegs ist, sind | |
| die Chancen schlecht, überhaupt in Afrika einen afrikanischen Film sehen zu | |
| können. Das Kinosterben ist längst in Westafrika angekommen. Viele | |
| Lichtspielhäuser waren nicht mehr rentabel. Häufig wird beklagt, dass die | |
| Eintrittspreise für die Mehrheit der Bevölkerung unerschwinglich sind. CNA | |
| zeigt allerdings, dass es Alternativen gibt und fehlendes Geld nur ein | |
| Faktor ist. | |
| ## Zweistellige Analphabetenrate | |
| Gerade in den frankophonen Ländern ist es häufig aber auch ein | |
| Sprachproblem, das den Zugang zum Kino so schwierig macht. Auch wenn | |
| Französisch offizielle Sprache ist, bedeutet das nicht, dass die Mehrheit | |
| der Bevölkerung sie auch versteht. Untertitel – etwa für Sprachen in den | |
| jeweiligen Ländern – helfen wenig. Die Analphabetenrate ist zweistellig. Am | |
| Abend ist Filmkritiker Baba Diob zu Gast bei CNA. | |
| Im Rahmen des Fespaco zeigt die Organisation ältere afrikanische Filme und | |
| diskutiert anschließend darüber. Die große Leinwand steht in einem Garten. | |
| Es dauert ein wenig, bis sich die Plastikstühle für das Open-Air-Kino | |
| füllen. Nach der Vorführung ist Diob zufrieden. Ausgesucht für den ersten | |
| Abend wurde der Film „Yaaba“ von Idrissa Ouédraogo. Er ist ein bekannter | |
| Filmemacher aus Burkina Faso. „Yaaba“, der als Hymne an die Toleranz im | |
| Programm angekündigt wird, erhielt 1989 den Spezialpreis der Fespaco-Jury. | |
| Für Diob zeigt er, wie afrikanischer Film funktionieren kann. Gedreht wurde | |
| „Yaaba“ auf Mossi, der am häufigsten gesprochenen Sprache in Burkina Faso. | |
| Es sind keine langatmigen Dialoge, sondern Szenen, die man gerade auf dem | |
| Land allzu gut kennt. Es geht um die Freundschaft eines Jungen zu einer | |
| alten Frau, die eine Hexe sein soll und aus dem Dorf verjagt wird. Für den | |
| Filmkritiker macht das eine gute afrikanische Produktion aus, die für | |
| afrikanisches Publikum gemacht ist. | |
| ## „Leben ist so wichtig“ | |
| Das ist auch die Zielgruppe des Films mit dem Titel „Und wenn Gott nicht | |
| existiert?“. Es ist der erste Film des Schauspielers Guy Kalou aus der | |
| Elfenbeinküste und es ist ein Liebesfilm. „Liebe ist so wichtig“, strahlt | |
| Kalou nach der Aufführung, zu der auch der ivorische Botschafter in Burkina | |
| Faso gekommen ist. Kalou schüttelt viele Hände. Besucher klopfen ihm auf | |
| die Schulter. Er lässt sich mit den beiden Hauptdarstellerinnen Lauraine | |
| Koffi und Marie Christine Beugré fotografieren. | |
| Das ganze Team hat sich zurechtgemacht – wie schon im Film. Armut oder | |
| Hunger werden keine Sekunde lang gezeigt, es geht um die afrikanische | |
| Mittelschicht. Schließlich ist es ein Drama um Liebe, Gefühle und | |
| Beziehungen, das sich überall auf der Welt zutragen könnte – also auch in | |
| der Elfenbeinküste. Kalou lächelt. „Für mich ist es schon ein Sieg, beim | |
| Fespaco zu sein.“ Mit einem Film, wie er ihn machen wollte. | |
| 4 Mar 2013 | |
| ## LINKS | |
| [1] http://www.fespaco-bf.net/ | |
| [2] http://www.c-n-a.org/ | |
| ## AUTOREN | |
| Katrin Gänsler | |
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