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# taz.de -- Oscar-Nominierungen für Doku-Film: Bauern und Geheimdienstchefs
> Zwei der fünf Oscar-Kandidaten in der Kategorie Dokumentarfilm kommen aus
> Nahost: „5 Broken Cameras“ und „The Gatekeepers“.
Bild: „Zaun“ und „Patronenhülse“ waren die ersten Worte, die der Sohn …
Auf seinem Weg zur Oscarverleihung hielten Sicherheitsbeamte auf dem
Flughafen in Los Angeles den Palästinenser Emad Bornat, seine Frau und
seinen Sohn für eineinhalb Stunden fest. „Sie nahmen uns Fingerabdrücke
ab“, erklärte Bornat, Regisseur des Dokumentarfilms „Five Broken Cameras�…
gegenüber der Huffington Post.
Dabei habe er nicht nur Hotelreservierungen, sondern auch die „Nominierung
seines Films für den Oscar“ mit entsprechenden Dokumenten, die er in seinem
Smartphone abgespeichert hatte, nachweisen können. „Für jemanden, der unter
Besatzung lebt, ist so etwas nicht ungewöhnlich“, kommentierte er
anschließend.
Wenn sich Emad Bornat am 24. Februar im Dolby Theater von Los Angeles einen
Platz zwischen den Filmstars der Welt sucht, geht es dem Palästinenser vor
allem um eins: Er will ein Bewusstsein schaffen für die Situation seines
Volkes. Der Glimmer von Hollywood, das Scheinwerferlicht und die
Fernsehkameras, behauptet der 41-Jährige, lassen ihn kalt.
„Es sind viele Filme über Palästina gemacht worden“, sagt er am Telefon,
„aber immer von Leuten, die von draußen kommen.“ Zum ersten Mal ist ein
Film von einem Palästinenser, der „die Geschichte von innen erzählt“, für
einen Oscar nominiert.
## 700 Stunden Rohmaterial
„Five Broken Cameras“ ist ein Zusammenschnitt von 700 Stunden Rohmaterial,
die Bornat mit einer Videokamera in seinem Dorf Bil’in drehte. Der
israelische Filmemacher Guy Davidi, den Bornat bei Protestaktionen
kennenlernte, half bei der Sichtung des Materials und beim Schnitt.
Die beiden sind zusammen als die Macher des Films für den Oscar nominiert,
wobei Bornat eine exklusive Auszeichnung zweifellos lieber wäre. „Davidi
ist mein Freund, aber dies ist meine Idee, mein Material“, beharrt er. „Es
ist ein palästinensischer Film, keine israelisch-palästinensische
Koproduktion.“
Zwei der fünf Oscar-Kandidaten in der Kategorie Dokumentarfilm kommen aus
der Konfliktregion Naher Osten. Neben „Five Broken Cameras“ ist der Film
„The Gatekeepers“ des Israelis Dror Moreh nominiert.
## Zwei Seiten eines Konflikts
Die beiden Dokumentationen beleuchten den Konflikt aus völlig
unterschiedlichen Perspektiven. Moreh führt Interviews mit sechs ehemaligen
Chefs des israelischen Inlandsgeheimdienstes Schin Beth, Bornat
dokumentiert den Widerstand des Dorfes Bil’in gegen den Bau von Siedlungen
und israelischen Trennanlagen.
Bornat ist kein Filmemacher, sondern wie die meisten Männer in seinem Dorf
Bauer, was für ihn schon eine politische Feststellung ist. „Die
Palästinenser sind mit dem Land verbunden, wir bearbeiten es.“
Mit dem Filmen begann er 2005, als die Leute von Bil’in die Entscheidung
trafen, sich gegen den Raub ihres Landes friedlich zur Wehr zu setzen. Die
Bauern von Bil’in waren zu der Einsicht gekommen, dass die Palästinenser
ihrem Ziel mit Steinen und Gewehren keinen Schritt näher gekommen waren.
Sie versuchten einen anderen Weg, doch der neue, fantasievolle und
gewaltlose Widerstand stößt bei den Soldaten auf die alten Methoden der
Unterdrückung: Tränengas, Rauchbomben, nächtliche Razzien, Verhaftungen und
scharfe Geschosse.
## Weckruf für die Israelis
Bornats filmische Dokumentation wird selbst zum zentralen Mittel des
Befreiungskampfes in Bil’in. Zur selben Zeit, als der Bau der Trennanlagen
und die wöchentlichen Demonstrationen beginnen, kommt sein vierter Sohn zur
Welt.
„Zaun“, „Patronenhülse“ und „Soldaten“ sind mit die ersten Worte, …
Junge spricht. „Warum tötest du die Soldaten nicht mit einem Messer“, fragt
Dschibril seinen Vater am Ende des Films. Und: „Wird jemand (von uns)
übrigbleiben?“
32 Preise habe er schon gewonnen, sagt Bornat, der nach Hollywood fährt, um
Palästina zu befreien. Die anderen Filme, die in der gleichen Kategorie
nominiert wurden, interessieren ihn nicht. Auch nicht der israelische Film
„The Gatekeepers“.
Morehs Film ist ein Weckruf für die Israelis, die seit fast 50 Jahren
Besetzung und zahllosen Regierungen in Jerusalem immer die gleiche
Rechtfertigung aus Jerusalem hören und sich damit abfinden: Wir wollen
Frieden, aber die Palästinenser verhindern ihn.
So unterschiedlich die sechs Schin-Beth-Chefs bisweilen die Maßnahmen des
Sicherheitsapparates einschätzen, so geraten sie doch zu der
übereinstimmenden düsteren Einsicht: Israels Konfrontation mit den
Palästinensern war von dem Gedanken bestimmt, den Widerstand gegen die
Besetzung, Aufstände und Terror einzudämmen. Eine Strategie für eine Lösung
gab es, vielleicht mit Ausnahme der Regierung des von einem jüdischen
Extremisten ermordeten Jitzhak Rabin, nicht.
## Zeigen die Geheimdienstchefs Reue?
„The Gatekeepers“ ist ohne Zweifel der spektakulärere der beiden
nahöstlichen Oscar-Kandidaten. Im Gegensatz zum Mossad, dessen Agenten mit
ihren Einsätzen weltweit immer wieder die Schlagzeilen bestimmen, agiert
der inländische Nachrichtendienst unter völligem Ausschluss der
Öffentlichkeit.
Die Köpfe von Israels gefürchtetem Schin Beth sprechen im Film teils mit
demonstrativer Kälte, teils mit Ambivalenz und vielleicht sogar Reue offen
über Folter, Mordaufträge und ihre Methoden, palästinensische
Kollaborateure zu rekrutieren.
Moreh lässt einen vagen Blick zu hinter die Mauern der berüchtigten
Untersuchungsanstalt am „Russian Compound“. Mitten in Jerusalem, die
Altstadt auf der einen Seite, den Rathauskomplex auf der anderen, werden
hier die frisch Verhafteten ins Verhör genommen.
Der Schin Beth macht die Drecksarbeit ohne Perspektive, aus dem Dreck
herauszukommen, und immer in Wartehaltung auf einen politischen Kopf mit
einer Vision, die Besetzung zu beenden, die nicht nur für die
Palästinenser, sondern auch für Israel eine Katastrophe darstellt.
21 Feb 2013
## AUTOREN
Susanne Knaul
Susanne Knaul
## TAGS
Oscars
Film
Schwerpunkt Nahost-Konflikt
Oscars
Musical
CIA
Golden Globes
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