Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Kommentar Stuttgart 21: Blinder Projektpatriotismus
> Sich über den Aufsichtsrat der Bahn zu ärgern, greift zu kurz: Stuttgart
> 21 war von Anfang an so konstruiert, dass eine ordentliche Aufsicht nicht
> greift.
Bild: Bahnchef Grube bei der Arbeit?
Jetzt könnte man sich herrlich über den Aufsichtsrat der Deutschen Bahn
ärgern. Das Kontrollgremium erlaubt dem Unternehmen also, 2 Milliarden mehr
für Stuttgart 21 auszugeben, und weil das große Gebuddel im Südwesten dann
rein betriebswirtschaftlich unwirtschaftlich für das staatliche
Schienenunternehmen wird, empfehlen die Aufsichtsräte einfach, ein paar
andere staatliche Instanzen zu verklagen, auf dass sie die Sache mitzahlen,
das Land Baden-Württemberg etwa. Das ist ein selten dämlicher Witz.
Trotzdem wäre es arg billig, allein auf den 20 Aufsichtsräten
herumzuhacken. Sie sind weder gewählte Volksvertreter noch verantwortliche
Manager. Sie haben als Aufsichtsräte in der Logik eben eines Aufsichtsrates
entschieden. Der trägt keine Verantwortung für das Allgemeinwohl und muss
bei der Abwägung von Kosten und Risiken einzig Wohl und Wehe der Bahn im
Auge behalten.
Und hier zeigt sich, wie perfide die Finanzierung von Stuttgart 21
gestrickt wurde. Beispiel Gleisflächen: Durch den Tiefbahnhof werden mitten
in Stuttgart hektarweise Grundstücke frei, die hat die Stadt Stuttgart
schon vor über zehn Jahren für 460 Millionen Euro von der Bahn gekauft –
und kann sie bis ins Jahr 2022 nicht nutzen. Die Bahn erhält also fast eine
halbe Milliarde ohne eine Gegenleistung. Müsste sie das Geld samt Zinsen
zurückzahlen, wäre das teuer – für die Bahn. Kurzum: Die verantwortlichen
Politiker haben das Projekt für die Bahn damals idiotensicher finanziert.
Diese Logik setzt einen Aufsichtsrat schachmatt.
Stuttgart 21 ist eben von Anfang an so gestrickt, dass eine ordentliche
Aufsicht nicht greift. Sie griff nicht durch die ständig von Informationen
abgeschnittenen Parlamente, nicht durch Gerichte, die Gutachten von
Gutachtern anforderten, die Stuttgart 21 erdacht haben; und schon gar nicht
greift sie durch einen gelähmten Aufsichtsrat. Das Projekt war von Anfang
an ein politisches Projekt – und genau hier sind auch die Verantwortlichen
zu suchen.
Es wird nicht die letzte Sitzung zu der Frage sein, wer weitere
Kostensteigerungen trägt. Allerdings gibt es beim nächsten Mal tatsächlich
kein Zurück, wenn bereits Tunnel gebohrt sind. Im Jahr 1995 hat ein
gewisser Michael Kienzle, heute grüner Gemeinderat in Stuttgart, ein Wort
für diese Art von Politik entwickelt: Projektpatriotismus. Man möchte
sagen: blinder Projektpatriotismus.
5 Mar 2013
## AUTOREN
Ingo Arzt
Ingo Arzt
## TAGS
Schwerpunkt Stuttgart 21
Deutsche Bahn
Aufsichtsrat
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
Wahlkampf
Stuttgart
Bahn
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
Schwerpunkt Stuttgart 21
## ARTIKEL ZUM THEMA
Portraits von S21-Protestlern: Resignieren? Niemals!
Sie diskutieren, demonstrieren und machen Politik. Drei Stuttgart-21-Gegner
widmen ihre Freizeit seit drei Jahren dem Protest gegen den Tiefbahnhof.
Bundeswahlkampfthema Stuttgart 21: Streit bei den Grünen
Innerhalb der Grünen sorgt das Bahnprojekt Stuttgart 21 für Ärger. Uneinig
ist man sich vor allem, ob S21 eine Rolle im Bundestagswahlkampf spielen
soll.
Stadt der Desaster: Stuttgart, ewige Baustelle
Stuttgart vermarktet sich als Stadt der Ingenieure. Doch die versagen
gerade überall: im Schauspielhaus, im Fernsehturm, im Zoo.
Kosten von Stuttgart 21: „Frühestens 2016 oder 2017“
Wer soll das bezahlen? Die Bahn droht in der Debatte über die
Kostenexplosion von Stuttgart 21 mit einer Klage gegen die Projektpartner.
Aber das kann dauern.
Wegen Mehrkosten bei Stuttgart 21: Dann muss der Bahnfahrer blechen
S21 wird deutlich teurer, doch das Land Baden-Württemberg will nicht
zahlen. Dann werden die Bahntickets halt teurer, sagt der Verkehrsminister.
Reaktionen auf Stuttgart-21-Weiterbau: „Etwas ernüchterte“ Parkschützer
Wer die Mehrkosten von Stuttgart 21 am Ende finanziert, ist noch nicht
entschieden. Möglicherweise treffen sich Bahn und Projektpartner bald vor
Gericht.
Aufsichtsrat der Deutschen Bahn: Stuttgart 21 wird weitergebaut
Der Bahn-Aufsichtsrat macht den Weg frei: Die Arbeiten an „Stuttgart 21“
können wieder aufgenommen werden, obwohl der Bahnhof immer teurer wird.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.