# taz.de -- EU contra Energieumlage: Doppelpack gegen Stromfresser | |
> Verfassungswidrig? Brüssel prüft, ob die Befreiung der größten | |
> Stromverbraucher in Deutschland von den Netzgebühren in Ordnung ist. | |
Bild: Die Papier- und Recyclingindustrie gehört zu den energieintensivsten Bra… | |
BRÜSSEL taz | Die EU-Kommission stellt die Befreiung großer | |
Stromverbraucher in Deutschland vom Netzentgelt auf den Prüfstand. Die | |
Behörde kündigte am Mittwoch in Brüssel an, dass sie untersuchen lassen | |
wolle, ob es sich dabei um staatliche Beihilfe handelt. Diese wäre nach den | |
EU-Verträgen verboten, weil sie zu einer Wettbewerbsverzerrung im | |
EU-Binnenmarkt führen könnte. | |
Seit 2011 seien in Brüssel zahlreiche Beschwerden von | |
Verbraucherschutzverbänden, Energieunternehmen und Bürgern gegen die | |
Sonderbehandlung eingegangen, so die EU-Kommission. Sie sei „beim | |
gegenwärtigen Stand der Auffassung, dass es sich um staatliche Mittel | |
handeln könnte und dass die Befreiung den Begünstigten einen selektiven | |
Vorteil gegenüber Wettbewerbern in anderen Mitgliedstaaten zu verschaffen | |
scheint“. | |
Die Bundesregierung zeigte sich gelassen. Man wolle erst einmal den | |
offiziellen Beschluss abwarten, sagte eine Sprecherin des | |
Bundeswirtschaftsministeriums der taz. Diesen werde man dann „eingehend | |
prüfen“. Aus Berliner Sicht handle es sich aber nicht um staatliche | |
Beihilfen – „schließlich wird die Befreiung nicht vom Staat, sondern von | |
den Stromkunden bezahlt“. Die Bundesregierung arbeite aber ohnehin an einer | |
Neuordnung. | |
## Golfplätze | |
2011 wurden laut Bundesnetzagentur über 200 Firmen von der Gebühr befreit. | |
Für 2012 und 2013 gibt es noch keine Zahlen. Nutznießer sind zum einen | |
Unternehmen mit atypischer Nutzung. Das sind zum Beispiel Golfplätze, die | |
ihre Anlagen nachts pflegen und wässern. Zum anderen sind es Unternehmen, | |
die besonders viel Strom verbrauchen. Dazu gehören unter anderem | |
Raffinerien. Die Mehrkosten werden von den Privathaushalten mitfinanziert. | |
Im Jahr macht das auf der Stromrechnung durchschnittlich 11,50 Euro aus. | |
Die Bundesregierung begründet die Befreiung offiziell damit, dass diese | |
Unternehmen durch ihren kontinuierlichen Stromverbrauch entscheidend zur | |
Netzstabilität beitragen. Kritiker sehen darin jedoch Subventionen für die | |
Industrie, die – vor allem nach dem angekündigten Atomausstieg – die | |
höheren Stromkosten ausgleichen sollen. | |
Sie begrüßen deshalb den Schritt aus Brüssel: „Das ist der Auftakt zur | |
Rückabwicklung der unfairen Subvention. Private Haushalte zahlen für | |
Unternehmen komplett oder teilweise die Netzentgelte beim Strom mit. Das | |
kommt nicht nur der Europäischen Kommission merkwürdig vor“, sagte die | |
grüne Bundestagsabgeordnete Bärbel Höhn. | |
Unterstützung bekommen die Kritiker auch vom Oberlandesgericht Düsseldorf. | |
Der dritte Kartellsenat des Gerichts hat gestern die Befreiung großer | |
industrieller Stromverbraucher von den Netzkosten gekippt. Eine | |
vollständige Befreiung sei aus Gleichheitsgründen nicht zulässig. Geklagt | |
hatten fünf Netzbetreiber, die die Befreiung für rechtswidrig halten. Auch | |
sie verwiesen dabei auf europäisches Recht. Rechtskräftig ist die | |
Entscheidung allerdings noch nicht. | |
Wie lange die Prüfung der Europäischen Kommission dauern wird, ist noch | |
offen. Sollte die Behörde allerdings zu dem Schluss kommen, dass es sich | |
bei der Befreiung von der Zahlung des Netzentgelts tatsächlich um verbotene | |
staatliche Beihilfen handelt, müsste die Bundesregierung das Gesetz ändern. | |
Die betroffenen Unternehmen müssten die Gebühren dann nachzahlen. Es geht | |
um gewaltige Summen. Für 2012 wird mit Kosten von rund 440 Millionen Euro | |
gerechnet. 2013 könnte die Mehrbelastung auf rund 800 Millionen Euro | |
steigen. | |
7 Mar 2013 | |
## AUTOREN | |
Ruth Reichstein | |
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